Funeral-Doom-Reise: Etappe 2: Deutschland (Norden)

Text: Jazz Styx
Veröffentlicht am 21.01.2021

Intro

Funeral Doom ist vielleicht nicht gerade das lebensfroheste Subgenre der großen Metal-Spielwiese, aber … Nein, kein Aber. Funeral Doom ist der direkte klangliche Mangel an Lebensfreude. Depressiv bis nihilistisch dröhnt und rauscht er sich meist mit einer Mischung aus Death Metal und doomiger Langsamkeit in die Ohren seiner Hörer.
Diesem wunderbaren Genre soll hiermit ein schriftliches Denkmal gesetzt werden: eine Reise durch den aktuellen Funeral Doom.
Welche Band nun tatsächlich Funeral Doom spielt und welche vielleicht doch eher Death Doom, wird hier simpel nach ihrer Kategorisierung in der Encyclopaedia Metallum festgestellt. Welche Band „aktuell“ ist, wird beinahe willkürlich darauf festgelegt, dass sie aktuell als „nicht aufgelöst“ gelten und in den letzten fünf Jahren mindestens eine Studio-LP oder -EP veröffentlicht haben muss – Ausnahmen bestätigen auch diese Regeln. Wer eine Band vermisst, schreibe gern den Stormbringer an und beschwere sich freundlich – vielleicht gibt es dann Nachträge.

Deutschland (Norden)

Nachdem uns die erste Etappe unserer Reise durch den Funeral Doom von Österreich über die Schweiz nach Deutschland geführt hat, setzen wir dort wieder an und setzen unsere Betrachtung des deutschen Beerdigungs-Dooms in den nördlicheren Teilen Deutschlands fort. Hier sollen allerdings auch jene teutonischen Funeral-Doom-Projekte Erwähnung finden, die geografisch nicht genauer als „Deutschland“ lokalisiert wurden. Die Reihenfolge der Bands und Projekte innerhalb Norddeutschlands ist allerdings alphabetisch, nicht geografisch oder wertend.

ADVERSVM

In Niedersachsen treffen wir auf ADVERSVM, die 2019 ihre zweite Platte in voller Länge veröffentlicht haben: „Dysangelion“. Unaufgeregt, dunkel, aber mit einem Hauch von Sakralem – wohl auch durch Titel und Cover des Albums – wird eine zeitlos-unberührte Atmosphäre geschaffen, wie man sie von uralten Gemäuern kennt. Gelegentlich mischt sich gesprochenes Wort unter die schweren Klänge, die meist von einem Atem-reichen Gutturalgrollen angereichert werden.

DERAIS

Wo genau DERAIS sich innerhalb Deutschlands herumtreiben, ist nicht bekannt, ebenso anonym ist das Line-Up der Band. Bekannt ist lediglich, dass 2017 das Debüt-Album „Of Angel's Seed And Devil's Harvest“ erschien. Darauf ist eine Mischung aus Funeral Doom und Drone Doom zu hören: eher ungeschliffen, gewichtig und ins lethargische schweifend schwermütig. Atmosphärisch und zum Beispiel in der gelegentlichen Überlagerung von Spoken-Word-Samples und Schmerzensschreien bis aufs Mark durchdringend bis verstörend. Mit zahlreichen Anleihen aus beispielsweise Post-Rock und düsterem Ambient bietet die Platte vielseitigen, nur tendenziell beerdigungshaften Doom. Anstrengend und alleinstellungsstark.

DARKSOURCE

Bei DARKSOURCE aus Sachsen-Anhalt mischt sich der Funeral Doom mit reichlich Black Metal und wird zudem sphärisch-spacig angereichert. Mehr als eine kurze EP im Jahr 2017, die den Namen „Nemesis – Der dunkle Begleiter“ trägt, ist bisher von DARKSOURCE nicht erschienen, sodass dieser Halt unserer Reise auch kurz bleibt.

IMPERCEPTUM

Nun betreten wir Bremen, um dort in die Musik eines Künstlers namens Void hineinzuhören, respektive in sein Atmospheric-Black-Funeral-Doom-Projekt IMPERCEPTUM, dem er seit 2014 genug Aufmerksamkeit widmet, um 2020 bereits das fünfte Album herauszubringen. „Entity Of Undead Stars“ deutet namentlich schon die endlose Leere des Alls an, die sich auf der Platte mit tiefschwarzem Schwarzgegrummel vereint. Das ist gewollt unharmonisch bis unangenehm und kratzt auf den Trommelfellen wie rostiges Metall. Zugleich hindert aber eine soghafte Penetranz an der Flucht. Easy Listening liegt am anderen Ende der Skala.

LOST

Im untergrundigsten Untergrund Nordrhein-Westfalens gibt es ein Duo, das schon seit 2004 unter dem Namen LOST Funeral Death Metal spielt. Die Trveness dieser beiden Verlorenen geht allerdings so weit, dass Knarzen, Scheppern und der höchstgradig eigenwillige Klargesang an Rohheit nur schwer noch zu überbieten wären. Zwei Demos und zwei Splits stehen in der Diskografie von LOST. Zuletzt haben sie 2016 eine Split mit BOSQUE aufgenommen. Too trve to be true!

NAUTHIK

Gefühlvoll, aber unbarmherzig walzt der maritim inspirierte Funeral Doom von NAUTHIK – ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen – ins Ohr und verwandelt dabei den Raum zwischen den Schläfen in ein tiefes dunkles Meer. „Araganau“ heißt die Erstlings-LP, die Damager, Plorator (beide auch bei DAMAGE SOURCE) und αἰών 2019 präsentierten – eine Naturgewalt, die AHAB'sche Gewässer vergleichsweise lichtgeflutet und vergnügt wirken lässt. Wer mit NAUTHIK schwimmen geht, sehnt sich doch nach dem Ertrinken!

PESTHAMMER

Funeral Doom macht auch vor Niedersachsen nicht halt. PESTHAMMER – als Person und Projekt allein in dröhnender Einsamkeit – schwingt dort sein schweres Werkzeug und zimmerte 2017 eine einzelne EP zusammen: „Trumpets Of Dawn“. Perfide Eindringlichkeit und monotone Gleichgültigkeit formieren sich zu einer unglaublich gekonnten Gratwanderung zwischen tragischer Emotionalität und nihilistischer Hoffnungslosigkeit, dass man zugleich auf ein Album hofft und sich nicht zu hoffen traut. Definitiv ein Reinhörtipp!

SINISTER DOWNFALL

Wo genau in Deutschland sich Eugen Kohl aufhält, der neben zahlreichen anderen Doom- und Black-Metal-Solo-Projekten auch von Alpha bis Omega allein für SINISTER DOWNFALL verantwortlich ist, ist nicht öffentlich bekannt, aber sein tendenziell eher etwas sanfterer Funeral Doom, wie man ihn auf der aktuellen zweiten LP „A Dark Shining Light“ erleben kann, weiß durch eine Kombination aus starkem Grollen und beschwörendem Gitarrenspiel zu überzeugen.

URZA

Unsere zweite Etappe der Funeral-Doom-Reise endet in Berlin, wo URZA anzutreffen sind. Mit einer ausgesprochen hohen Zahl von ganzen fünf Bandmitgliedern wird dort ein double-death-infused Funeral Doom gespielt, der 2019 auf dem Debüt-Album „The Omnipresence Of Loss“ eine starke, in sich völlig unbeeindruckte, fast schon stoische Leere präsentiert. Mancher Doom klingt wie eine alte Kirche, ein tiefes Meer, ein großer Berg; URZA hingegen klingen wie Granit. Eine große Wand aus Granit, an der man langsam – wirklich, wirklich langsam – hinauf und wieder hinabschaut. Wer glaubt, das hätte keinen Reiz, sollte sich dringend vom Gegenteil überzeugen.

Die zweite Etappe der Funeral-Doom-Reise findet ein Ende, doch bald schon wird ihr ein weiterer Abschnitt hinzugefügt. Dann geht es in die Niederlande, nach Belgien und nach Luxemburg.

Bisherige Etappen auf der Funeral-Doom-Reise:

Etappe 1: Österreich, Schweiz, Deutschland (Süd)


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