Underground von Unten - österreichische Musik gehört gehört! Vol. 50

Veröffentlicht am 30.06.2020


 

ERL (Black Metal, Tirol)
 

Necrosterra (Album, 12.06.2020)

  • 1. Ascension
  • 2. Memento Mori
  • 3. Those You Deserve
  • 4. Necrosterra
  • 5. Erato Contraria
  • 6. Tyranizer
  • 7. Et nunc et semper
  • 8. Celebrating The Black Cult
  • 9. Throne Of Death
  • 10. Chanson de Tristesse II


Nachdem es draußen schön langsam wieder ziemlich warm wird, leiten wir diese Jubiläumsausgabe am besten mit einer Schockfrostung aus Tirol ein – ERL. Die 2008 in Tirol gegründete Gruppe war nie ein Veröffentlichungsweltmeister und hat bis dato erst ein einziges Album aus dem Jahr 2014 auf dem Kerbholz. Der Fokus von ERL lag seit jeher auf Qualität, so ist es nicht verwunderlich, dass die Schwarzteesieder aus dem (un-)heiligen Land mit „Necrosterra“ erst jetzt mit einem Nachfolger herausrücken.

Das musikalische Blutbad spielt länger als eine Stunde und es klingt durchaus roher und ungeschliffener als das Debüt, auch durch die Tatsache, dass sich ERL im Laufe der vorigen Jahre ihres Keyboarders entledigt haben, doch die Epik und Melodik von „The Rise and Reign Of Lucifer“ haben sich die Tiroler erhalten. Erhabene, eiskalt flirrende Gitarrenwände erheben sich aus dem dunklen Pfuhl der Verdammnis und hieven „Necrosterra“ in seiner Gesamtheit gar ein klein wenig in Richtung post-metallischer Weiten, was durch die ausladenden Kompositionen mit raumgreifenden Spannungsbögen unterstützt wird. Wer denkt, hier einen Widerspruch zu finden, ist auf dem Holzweg, tanzen ERL doch gekonnt auf dem Grat zwischen rasender Brachialität und bleischwerer Melancholie – wobei die Tendenz zur blutigen Tonapokalypse deutlich ausgeprägter ist. Der tonale Monolith der Tiroler ist bisweilen düsterer und verstörender Ausprägung, wie im beängstigend grollenden „Memento Mori“, doch auch häufig sehr melodisch geraten, episch und getragen mit turmhohen elegischen Gitarrenwänden bestückt, wie im Titeltrack „Necrosterra“. Der größte Brocken des Albums, das exakt zehn Minuten füllende „Erato Contraria“ oszilliert fein austariert zwischen niederschmetternd langsamen und dann wieder eruptiv hasserfülltem Schwarzmetall – ebenso exakt, wie die Produktion ziemlich gekonnt den Nerv zwischen modernem Wumms und kratziger Black Metal Romantik trifft.

Auch ihrem Mix aus englischen (beispielsweise der Genickbrecher „Throne Of Death“), lateinischen (zB das schwermütige „Et nunc et semper“) und französischen Titeln (Das als Outro fungierende Instrumental „Chanson de Tristesse II“ setzt noch einmal ein Ausrufezeichen des stillen Schmerzes) sind ERL treu geblieben, während die Lyrics weiterhin auf deutsch und englisch vorgetragen, beziehungsweise hingebungsvoll aus den Lungen gepresst werden. Das lange Warten auf „Necrosterra“ hat sich angesichts der herrlichen Schlachtplatte, die uns die Tiroler hier angerichtet haben, wirklich gelohnt. ERL reihen sich damit ohne Abstriche in die Riege der zuletzt häufig sehr starken Schwarzmetall-Releases ein und vermögen es mittels der Verwendung bekannter und geachteter Stilmittel ein mitreißendes Album zusammenzubrauen, in dessen hymnenhaften Titeln man gerne das Zeitgefühl verliert.

4 / 5  - (Anthalerero)
 

Über einen Besuch auf ihrer Facebook-Seite würden sich die Tiroler sehr freuen, über das Probehören ihrer ritualistischen Klänge aber umso mehr:

 

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: ERL (Black Metal, Tirol)
Seite 3: KOMMERZHUREN (Punk Rock, Steiermark)
Seite 4: WELTENASCHE (Atmospheric Black Metal, Steiermark)
Seite 5: MUDFIGHT (Punk Rock/Pop Punk, Oberösterreich)
Seite 6: A MEMORY MISREAD (Modern Metal, Wien)


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