TESTAMENT - das 'Titans Of Creation'-Gangbang - Review

TESTAMENT mögen nicht den Big Four des Thrash Metal zugerechnet werden, doch haben sie in den letzten Jahren eine unstreitbar beeindruckende Reihe gelobter Alben veröffentlicht, die vielen ihrer Marktbegleiter die Schamesröte ins Gesicht treiben könnten. Wertungen im Bereich von 90% bis 100% der erreichbaren Punkte für „Dark Roots Of Earth“ und „Brotherhood Of The Snake“ sowie die mehr als souveränen Livegigs der Kalifornier belegen, dass sie auch nach knapp vier Dekaden im Geschäft noch sehr genau wissen, wie der Hase läuft. Manchmal fragt man sich dabei vielleicht, wie lange die geölte Rennmaschine noch mit dem Tacho am Anschlag weiterbrettern kann und ob dieser Lauf nicht irgendwann ins Stocken geraten müsste. Ob oder wann dies geschieht, steht in den Sternen – auf jeden Fall passiert es nicht hier und jetzt mit dem dreizehnten Album „Titans Of Creation“.

Einfach nicht aufhören!

Es scheint, als begegneten Chuck Billy und Co. dem drohenden kompositorischen Zerfall mit demselben Rezept wie Verfasser der gefürchteten Midlife Crisis (so ein Schmarrn!) – einfach nicht aufhören (mit dem, was man liebt)! TESTAMENT machen einfach weiter wie bisher und schaffen es dabei tatsächlich, das außerordentliche Niveau ihrer letzten Releases konsequent zu halten und vielleicht sogar noch eine kleine Schippe draufzulegen. Im Vergleich zu “Brotherhood Of The Snake“ ziehen die Thrasher die Zügel wieder strammer an und eröffnen mit einem Viergespann, das sich gewaschen hat. Von „Children Of The Next Level“ bis „Night Of The Witch“ wird gethrasht und gekesselt, als wären junge Hüpfer Anfang 20 am Werk – wohlgemerkt Hüpfer, die unerklärlicherweise auf die Kompetenz einer knapp 40-jährigen Karriere zurückblicken können und diese entsprechend in Szene setzen. Neben einer Reihe geradliniger TESTAMENT-Thrasher mit erstklassigen Riffs bietet „Titans Of Creation“ auch Überraschungen und Akzente – bspw. in den Melodien von „Ishtars Gate“ oder mit Eric Petersons gesanglichen Black-Metal-Einlagen in „Night Of The Witch“. „City Of Angels“ und „Symptoms“ nehmen den Fuß vom Gas und lassen Platz für Groove und Melodie. Ansonsten geht es überwiegend flotten Fußes und mit ungebrochener Güte weiter, bis man zum stampfenden Outro „Catacombs“ einen qualmenden Hort der Verwüstung verlässt und erneut die Kinder aus der nächsten Etage grüßen.

Das Gebotene mag kein „Symphonic Post-Apocalyptic Reindeer-Grinding Christ-Abusing Extreme War Pagan Fennoscandian Metal“ sein, doch schenkt es einem gerne den ein oder anderen, erfüllenden „Heavy Trip Moment“...wenn man sich beim Hören unbewusst zu ekstatischen Tanz- und Bangeinlagen hinreißen lässt und sich für eine knappe Stunde nicht darum schert, was der Chef oder andere Unbeteiligte davon halten…wie in der berühmten Wischmopszene im gleichnamigen Film. Am Liedgut findet man so gut wie keine Kritikpunkte und auch der Sound ist wieder formidabel geworden. Mehr Druck kann man ohne übertriebene Überzüchtung nicht herausholen, der Bass ist zudem besser und präsenter herausgearbeitet – so massiv wummern sonst nur OVERKILL.

Mit “Titans Of Creation“ zu „Titans Of Thrash“

Diese Feststellung wäre freilich schon zu “Brotherhood Of The Snake” angebracht gewesen, aber spätestens nach „Titans Of Creation“ sehe ich in TESTAMENT einen heißen Anwärter auf den Titel „Titans Of Thrash“. Dieses bockstarke Genremanifest spielt selbst mein heißgeliebtes „Dystopia“ bis kurz vor die Wand und „Hardwired...To Self-Destruct“ bis weit dahinter…zurück auf den Kinderspielplatz im Hinterhof. Zwar dürften Chuck Billy und Co. auch mit diesem Werk nicht die großen Arenen der Welt füllen, doch bleibt es für den Szenekenner absolute Königsklasse. Und wenn das hier nicht die Thrash-Platte des Jahres wird, dann müssen KREATOR ihr famoses „Gods Of Violence“ noch einmal dezent überbieten.

4,5 / 5,0 - Lord Seriousface


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Lord Seriousface
Seite 3: Christian Wiederwald
Seite 4: Anthalerero
Seite 5: Martin Weckwerth
Seite 6: Lisi Ruetz
Seite 7: Pascal Staub
Seite 8: Fazit


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