Das Metalmuseum: NIGHTWISH - Wishmaster

Veröffentlicht am 26.01.2019

Nach dem bereits hochgelobten „Oceanborn“ sollte „Wishmaster“, das dritte Album ihrer Karriere, auch für NIGHTWISH, so wie für viele Bands zuvor und danach, das „Make it, or break it“-Album werden. Nach dem eher religiös geprägten zweiten Album wandten sich die Finnen auf „Wishmaster“ einem breiteren, in neueren Zeiten verwurzelten Themenkreis zu und schraubten den Bombast-Faktor in die Höhe, hin zu der Stilistik mit der man NIGHTWISH heutzutage assoziiert. Zwar sollte es noch bis zum folgenden Album „Century Child“ dauern, bis Bandkopf Tuomas Holopainen die Kompositionen erstmals mit einem vollständigen, echten Orchester umsetzen konnte, doch die epischen, perfekt mit den galoppierenden Gitarren harmonierenden Arrangements aus der Konserve zeigten auf „Wishmaster“ erstmals nachhaltig das wahre Potenzial, das in NIGHTWISH steckte, auf. So konnten sich die Finnen, nach Gold für „Oceanborn“, mit ihrem dritten Werk auch erstmals mit Platin schmücken und überdies brachte ihnen das Album auch die erste Headliner-Position auf einer Europa-Tour. Grund genug also, „Wishmaster“ als eines der wichtigsten und prägendsten Alben der Bandgeschichte anzusehen.

Musikalisch regieren die flotten, ohrwurmlastigen Powermetal-Stücke, deren Melodien sich schnell festbeißen und die speziell auf diesem Album einige unsterbliche Klassiker des Genres modellierten. Den prägnanten Refrain des Titeltracks „Wishmaster“ kann wohl jeder einigermaßen szeneaktive Metalhead im Schlaf zitieren – selbst wenn NIGHTWISH vielleicht gar nicht zur präferierten Stilrichtung zählen und selbst wenn es nur die teils großartigen Misheard Lyrics sind, die zuhauf im Internet kursieren. Auch der Opener „She Is My Sin“, dessen Hookline man nur schwerlich wieder aus dem Schädel geschüttelt bekommt, dürfte weit über die Genregrenzen hinaus bekannt sein. Nicht zuletzt tummeln sich auf „Wishmaster“ sowohl treibende, mit vergleichsweise aggressiven Gitarren ausstaffierte Songs wie „Crownless“, als auch getragene und eingängige Titel wie „Come Cover Me“ oder „Deep Silent Complete“, die vor allem von der opernhaften Stimme der Sängerin Tarja Turunen leben, die NIGHTWISH speziell in den ersten Alben ihren Stempel aufdrückte und maßgeblich am genreprägenden Status der Finnen beteiligt war. Wiewohl auch die fruchtbare musikalische Liaison der beiden gleichermaßen divenhaften Charaktere von Tarja und Tuomas auf den folgenden Alben auseinanderzubrechen beginnen sollte, so markiert wahrscheinlich  „Wishmaster“ den Höhepunkt der Zusammenarbeit aus begnadetem Songwriting und beeindruckender Stimme.

Nebst eingängigen Titeln bedienen NIGHTWISH aber auch die künstlerische Schiene, was sich im laut Tuomas sehr persönlichen „Dead Boy's Poem“ widerspiegelt, in welchem, abwechselnd mit Tarjas Gesang, eine Kinderstimme ein englischsprachiges Gedicht rezitiert. Auch die Liebe für in Episoden strukturierte Longtracks zeigt sich auf diesem Album schon, sowie Tuomas' Vorliebe für Disney, die er als Hommagen (zB an „The Beauty And The Beast“) im Abschlusstitel „FantasMic“ einband. Auf späteren Versionen, beziehungsweise Neuauflagen des Albums ist überdies auch noch der Bonustrack „Sleepwalker“ enthalten, mit dem NIGHTWISH im Erscheinungsjahr des Albums an der finnischen Vorausscheidung zum Eurovision Song Contest teilnahmen.

Tuomas' zuvor angesprochene Liebe zu Disney führt uns weiter zu den durchaus interessanten Details der Lyrics, denn thematisch zeigen sich NIGHTWISH auf ihrem dritten Album vielfältig und bringen einige interessante Aspekte ein, die zum Beispiel auch die Nerd-Fraktion aus dem Bereich Fantasy ansprechen können. So beschäftigt sich beispielsweise der sattsam bekannte Titeltrack „Wishmaster“ mit dem Magier Raistlin Majere aus der Dragonlance-Buchreihe von Margaret Weis und Tracy Hickman und beleuchtet dabei das komplizierte Verhältnis von Raistlin zu seinem elbischen Schüler Dalamar, welches von Machtgier und Eifersucht zerfressen ist. Mit „Wanderlust“ ist sogar noch ein zweiter Titel an Bord, der, laut Auskunft von Tuomas selbst, im Dunstkreis des charismatischen Magiers aus den Dragonlance-Romanen verwurzelt ist. Doch auch aktuelle Themen scheuen sich NIGHTWISH nicht aufzugreifen. „The Kinslayer“ verarbeitet auf düstere Weise die verstörenden Ereignisse des Columbine High School Massakers von 1999 und arbeitet dabei sogar mit Originalzitaten von Tätern und Überlebenden, was dem Song einen besonders finsteren Anstrich gibt. Mit „Crownless“, gewidmet allen Egoisten dieser Welt, ist schließlich auch noch eine Portion Sozialkritik mit an Bord, was aus dem Album eine besonders gelungene Mischung verschiedenster Themenkreise und musikalischen Spielarten macht, die auch mehr als 18 Jahre nach seiner Veröffentlichung nichts von  ihrer Faszination verloren hat.

Ob „Wishmaster“ nun das 'beste' Album von NIGHTWISH ist, darüber lässt sich natürlich streiten. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, doch unterm Strich ist das dritte Album der Finnen ein nicht wegzudenkender Teil der Diskografie von NIGHTWISH, der in vielerlei Hinsicht die Weichen für die Zukunft gestellt hat.

 

 

Nightwish – Wishmaster
VÖ: 18.07.2000
Label: Drakkar Records

Tracklist:
1. She Is My Sin
2. The Kinslayer
3. Come Cover Me
4. Wanderlust
5. Two For Tragedy
6. Wishmaster
7. Bare Grace Misery
8. Crownless
9. Deep Silent Complete
10. Dead Boy’s Poem
11. FantasMic

Lineup:
Vocals: Tarja Turunen
Keyboard: Tuomas Holopainen
Guitar: Emppu Vuorinen
Bass: Sami Vänskä
Drums: Jukka Nevalainen


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