DIMMU BORGIR - das 'Eonian' Gangbang-Review

DIMMU BORGIR, die Ikonen in Sachen Black- und Symphonic-Metal, holen mit „Eonian“ zum ersten Schlag seit nunmehr acht Jahren aus (die Live DVD von 2017 einmal ausgenommen). Bevor ich nun aber anfange, mich als Kenner, Fan und Fachkritiker der Band zu profilieren, gestehe ich geradeheraus: „Eonian“ ist das bislang erste und einzige Album der norwegischen Orchestersatanisten, das ich mir zur Gänze zu Gemüte geführt habe. Da die Stormbringer-Die-Hard-DIMMU BORGIR-Fraktion aber ebenfalls in diesem Gangbang vertreten ist, dürften sich hier genügend Meinungen von Kollegen finden, die Progression, Wandel und Vergleiche zu den zahlreichen Vorgängeralben einfließen lassen. Ich stelle mir hingegen die Frage: Ist „Eonian“ ein gutes Album für einen Metalhead, dem DIMMU BORGIR ungefähr so sehr ein Begriff ist, wie dem Normalsterblichen seine Steuerklasse?

„Eonian“ überrascht bei den eher überschaubaren zehn Songs dann doch mit einer Laufzeit von knapp 54 Minuten. Kein einziger Track unterschreitet hier die vier Minuten, DIMMU BORGIR orientieren sich sogar eher in Richtung der ambitionierten sechs-Minuten-Marke. Und bereits vorab: Besonders zum letzten Drittel hin hätte etwas mehr Kürze tatsächlich auch Würze gebracht.

Mit „The Unveiling“ (‚die Enthüllung‘) startet „Eonian“ genauso düster wie abwechslungsreich. Apokalyptisch-orchestrale und auch elektronische Soundkulissen fügen sich nahtlos in das rhythmische Geschreddere von Drums und Gitarre ein. Was sofort auffällt: Die Produktion von „Eonian“ hat absolut nichts mit den Geknarze und Gekrächze fünftklassiger Black Metal-LPs zu tun, wie sie aktuell wie Pilze aus dem Boden schießen; der Sound wird dem großen Namen DIMMU BORGIRs uneingeschränkt gerecht. Insgesamt geht es in „The Unveiling“ mal etwas langsamer und mal etwas schneller zu, wobei aber insbesondere die langsamen Passagen der Wirkung der hypnotischen Stimme Stian Tomt ‚Shagrath‘ Thoresens zugute kommen. Hier wird glaubhaft der nahende, übernatürliche Abgrund eines ganzen Zeitalters vermittelt. Einzig irritierend für mich: Die Chorgesänge wirken stellenweise etwas unpassend und brechen mit der eigentlich so dichten Atmosphäre dieses Openers.

Wer drei Minuten lang recherchiert, wird feststellen, dass viele Fans der Band bei der Singleauskopplung von „Interdimensional Summit“ verwundert, wenn nicht sogar verärgert reagierten. Für mich, der zu diesem Zeitpunkt bewusst keinen Überblick über das Gesamtwerk DIMMU BORGIRs hat, ist das allerdings überhaupt nicht nachvollziehbar. Mir erscheint es viel mehr sympathisch, dass die Herren der Finsternis höchstpersönlich hier die oft nur allzu gezwungene Fassade ultimativer Boshaftigkeit bröckeln lassen, und eine unerwartete (aber auch eben unerwartet gute) Gute-Laune-Dark-Metal-Hymne präsentieren. Was hier paradox klingt, müsste aber selbst jedem, der als Kind in den Corpsepaint-Kessel gefallen ist und seitdem den Alltag mit Bleigewichten in den Mundwinkeln bestreitet, ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

DIMMU BORGIR zeigen auf „Eonian“ jedoch nicht nur, dass sie mit Klischees brechen können: Mit „Council Of Wolves And Snakes“ landen die Norweger (zumindest bei mir) einen Volltreffer. Der Song verbreitet über seine fünfeinhalb Minuten eine unvorstellbar dichte, gespenstische Atmosphäre, die allein schon fesselnd genug wäre. Das Zusammenspiel der einzelnen Instrumente mit dem Charme einer schwarzen Messe und dem verführerisch-bedrohlichen Kratzen einer nicht mehr ganz menschlichen Stimme verleihen „Council Of Wolves And Snakes“ einen abgöttisch unheimlichen Charme, der die mythischen Strukturen des Okkulten nur insoweit enthüllt, dass sie dem Hörer eine wohlig-faszinierte Schauer über den Rücken jagen, wie es damals „Der Exorzist“ geschafft hat, den man als Zwölfjähriger mitten in der Nacht heimlich im Fernsehen schaute. Nostalgisch, faszinierend, meisterhaft.

Aber wie heißt es so schön: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Oder in DIMMU BORGIRs Fall: Wo Schatten ist, ist auch Licht; und das fällt in vollkommener Finsternis leider am schnellsten auf. „Eonian“ schafft es nicht, über seine volle Laufzeit ein kohärentes Gesamtbild zu erzeugen oder die Spannung und Atmosphäre aufrechtzuerhalten. Besonders im letzten Drittel wird das Album zusehend vorhersehbar und verliert sich in der Aneinanderreihung verhältnismäßig austauschbarer Riffs und Orchesterpassagen, die bei weitem nicht das einlösen, was die erste Hälfte der Platte verspricht. Eine Ausnahme bildet hier „Rite Of Passage“, das in Sachen Dramaturgie und Gänsehaut wirklich eines Finales würdig ist. Abseits davon birgt „Eonian“ immer wieder gute Elemente, die aber häufig künstlich in die Länge gezogen werden und so massiv an Wirkung verlieren. Ein Beispiel: „Lightbringer“ eröffnet mit einem aggressiven und fast schon an BEHEMOTH anmutenden Riff, welches Erwartungen schürt, die der Song einfach nicht halten kann. Im Gegenteil wirkt es im direkten Vergleich zu dem schwammigen Mittelteil des Tracks fast schon deplatziert und verschwendet.

Abschließend stehe ich „Eonian“ zwiegespalten gegenüber. Für das Konzeptalbum, das es gern sein möchte, ist es einfach zu eintönig und verfolgt keinen konsequent erkennbaren roten Faden. Für eine kurzweilige Hörerfahrung eignen sich hingegen nur einzelne Songs, die aus der Masse herausstechen; im Ganzen ist das Album einfach zu lang und zu sperrig. Eine Frage des Geschmacks sind zudem die Orchesterelemente, die (für mich ganz persönlich) den Hörfluss an vielen Stellen stören und ein wenig zu sehr mit der eigentlich sehr guten Grundstimmung der Platte brechen. Trotzdem werde ich in regelmäßigen Abständen zu „Eonian“ zurückkehren, da es mit einer einzigartigen, düster-faszinierenden Atmosphäre und einer runden sowie kreativen Produktion aufwarten kann. Für Fans wird das Album so oder so ein Muss, jedem in meiner Lage kann ich hingegen grundsätzlich empfehlen, sich ein eigenes Bild von „Eonian“ zu machen.

3,5 / 5 Punkte - Lucas Prieske

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Lucas Prieske
Seite 3: Anthalerero
Seite 4: Pascal Staub
Seite 5: Captain Critical
Seite 6: Sonata
Seite 7: Christian Wilsberg
Seite 8: Fazit


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