Flusensieb #14 – 10 mal Metal

Veröffentlicht am 07.11.2017

Wurde ein Album der letzten Zeit im Stormbringer nicht besprochen? Dann ist es ja vielleicht im Flusensieb gelandet. 10 Platten haben sich darin verfangen und werden in aller Kürze angerissen. Diesmal geht die musikalische Wanderung mit dem heiligen Grind durch den Herbstregen-Sturm, durch Post-Hardcore-Wien, die superlativste Maximalisierung und die nordamerikanische Mythologie. Dabei gibt es Tech-Deathcore und hinduistische Gottheiten zu sehen. Auch an Groove, Djent und Atmosphäre fehlt es nicht. Viel Spaß!

 

BEREFT OF LIGHT – Hoinar

„Hoinar“ ist rumänisch, bedeutet Wanderer und fühlt sich auch so an. Nicht wie eine Sonntagnachmittag-Wanderung im vollvermenschlichten Stadtpark, sondern wie eine lange Reise durch die freie Natur. Mal ist die Härte des Black Metals wie ein Unwetter voll zu spüren, mal wandert man romantisch, sanft, akustisch durch unendlich schöne, unberührte Landstriche. Das Cover spiegelt die Düsterkeit, aber auch die Natürlichkeit von BEREFT OF LIGHT. Cascadian Black Metal wird der Genrefetischist diese Naturanbetungsklänge von Daniel Neagoe, dem einzigen Bandmitglied, wohl nennen. Ich möchte dazu den stürmischen Herbstregen auf meiner Haut spüren. (jazz)

 

JESUS CRÖST – Die Tonmeisterei Sessions

JESUS CRÖST im Proberaum, verflucht werde dein Grindcore, dein Powerviolence komme. Mein Hörsturz geschehe, wie im Club so auf dem Festival. Das niederländische Duo ballert in 51 Minuten 71 Songs durch – voraussichtlich zum letzten Mal. Das ist wohl mehr oder weniger die ganze Diskografie der feinfühligen Musik-Virtuosen. Scherz! Viel mehr als ein derbes Grunz-Quiek-Klopp-Fressbrettgemetzel mit einzelnen amüsanten Einspielern sind „Die Tonmeisterei Sessions“ dabei nicht unbedingt, aber dem, der wirklich mehr erwartet, seien andere Genres nahegelegt – im Hooligan-Style! Im Namen des Pogos, des Bieres und des unheiligen Fuck-Yous. Amen. (jazz)

 

ALL FACES DOWN – Forevermore

Ein Jahr nach Release verfängt sich „Forevermore“ von ALL FACES DOWN im Flusensieb. Warum eigentlich? Der gut hörbare Post-Hardcore aus Wien geht nämlich runter wie Öl, präsentiert ein Füllhorn an Ohrwürmern und paart ansprechende Core-Härte in Form von gut gesetzten Breakdowns und satten Shouts mit poppig-träumerischen Melodien, die zum Mitsingen einladen. Fetter Sound und kluges Songwriting verbinden bekannte Genremuster zu einem unheimlich starken Ganzen, das sowohl stilistisch kohärent als auch abwechslungsreich und ohne echte Ausfälle daherkommt. Wer seinen Core melodisch bevorzugt, der ist hier an der richtigen Adresse! (A.M.)

 

NYN – Entropy: Of Chaos and Salt

Der Gerechtwerdung des sekundären Plattlings „Entropy: Of Chaos and Salt“ halber, strebt das verlorene Vokabular NYN betreffend einer Äquivalenz zu ihrem orgiastisch verfrickelten Tech-Death-Progger-Feuchttraum-Wahnsinn entgegen. Die Maxed-out-over-the-top-Whateverness der Baltimore entspringenden Klangkonfusion zerreißt als loco Nonstop-Überforderungs-Grenzgang jede Hörgewohnheits-Monotonie – auch im vielseitig Stimmlichen, worin – wenn überhaupt – die elementarsten Geisterscheidungen Platz finden dürften. Insbesondere saitenhalber eine Album gewordene Übertreibung magnifique der superlativsten Maximalisierung vong eimfach alles her! (jazz)

 

DZÖ-NGA – The Sachem's Tales

„The Sachem's Tales“ ist ein Album wie ein Film ohne Bild. Auf der Basis von atmosphärischem Black Metal wandelt der Zuhörer durch eine mythologische Welt amerikanischer Naturvölker. Dabei erhalten Elemente aus der klassischen Musik, dem Symphonic Metal, dem Folk, dem Cascadian Black Metal und vielen weiteren Stilen Einzug in ein Werk, das sowohl Aufmerksamkeit als auch gedankenloses Versinken empfiehlt und verdient. Also Augen schließen und ein gewaltiges Kopfkinoerlebnis genießen, Augen öffnen und „The Sachem's Tales“ von DZÖ-NGA noch einmal von vorne hören! (jazz)

 

PROTOSEQUENCE – Biophagous

Was die Kanadier PROTOSEQUENCE auf ihrer zweiten EP ausprobieren, ist nicht sehr weit verbreitet. Sie wollen die volle Brutalität des Deathcores mit dem Anspruch es Technical Death Metal kreuzen, dabei zwar progressives Potenzial – auch in Form melodiös-sanfter Momente – nutzen, aber nicht in die Hektik der Mathcore-Klischee-Kiste fallen. Das ist ihnen mit „Biophagous“ solide bis gut gelungen. Nun ist interessant, ob das Gleichgewicht aus Brutalität, Progressivität und Technik allerdings auch seine Abnehmer findet, da die einzelnen Elemente auch konkurrieren, manchmal einander fast stören. Der Brutalitäts-Regler dürfte noch einen Tick lauter! (jazz)

 

SAMADHISITARAM – KaliYuga Babalon

Russland, Moskau, Untergrund. Religion, Krishna, Hindusimus, Indien, Kali. RohHartUngehobelt – anders. MetalcoreMetalMetalMusik. SAMDHISITARAM. Core: Math-Groove-Death. Diskursjenseitiger Überbewusstseinszustand. GebrüllGekeifeGeschreiGejammerGenozid. Progressiv. Nonkonform. WildGefasst. Werden, Vergehen – Yuga. Durchkonzeptioniert. DjentDjentDjent, metallisch. „KaliYuga Babalon“. Moral, Ethik und spiritueller Zerfall laut Buch 12 des Srimad Bhagavatam. GeburtTodRennaissance. GrenzüberschreitendBedrohlich – dämonisch! Erlebwahnsinnnis! (jazz)

 

DENIHILIST – Sacrification

„Tiefer!“, muss es geheißen haben: „Tiefer! Härter und noch tiefer!“, bei der Stilexploration von DENIHILIST. So entstand ein Sound, der Tief in den Eingeweiden der Brutalität wühlt, aber auch einen lässigen Groove mit sich bringt. „Sacrification“ ist eine EP aus Ohio, die ihren Deathcore quasi über die Haut überträgt und tief in die Knochen schickt. Echt mal, ich habe den Bass komplett rausgedreht und bin trotzdem nicht sicher, ob der dämonisch-barbarisch-schwungvolle Krach nicht die Substanz des Stormbringer-Gebäudes auflöst. Respekt vor dieser Übertreibung! (jazz)

 

OPHAN – The Wheel of Fortune

Aus Bulgarien kamen OPHAN zum Wacken Open Air 2017 und bildeten dort einen beeindruckenden Höhepunkt für einen viel zu kleinen Kennerkreis. Da hatten sie bereits ihre Platte „The Wheel of Fortune“ dabei, die auf keinen Fall wortlos verhallen darf. Progressiv bis experimentell zeigt sie die vielseitigen Fähigkeiten der Musiker mit einer verneigungswürdigen Qualität. Obwohl einige Strecken von MESHUGGAH'schem Djent bestimmt werden, lassen sich OPHAN keinesfalls darauf beschränken. Auch eine weitere Verortung in gemeinsamen Feldern mit TESSERACT, GOJIRA oder MACHINE HEAD werden diesem Debütalbum kaum gerecht. Hier lohnt das Reinhören wirklich! (jazz)

 

SORROW PLAGUES – Homecoming

Mit einem Soloprojekt begann diese Ausgabe des Flusensiebs und mit einem solchen endet es auch. SORROW PLAGUES – das ist einzig und allein der einsame Brite David Lovejoy – bringen nach „Sorrow Plagues“ mit „Homecoming“ die zweite Platte in voller Länge. Das sind über 50 Minuten Atmospheric Black Metal mit starken Post-Rock-Einflüssen oder Post-Rock mit starken Atmospheric-Black-Metal-Einflüssen. Die grundlegende Düsterkeit kontrastiert die hellen Melodien, doch diese Ambivalenz lässt das Album leider auch die Nichts-Halbes-und-nichts-Ganzes-Arschkarte ziehen, weil weder die Dunkelheit, noch die Verspieltheit in ihren Bann ziehen können. (jazz)

 

Mehr Flusensieb!


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