Flusensieb #7 - 10 Platten in 5 Minuten

Veröffentlicht am 05.06.2017

Das Flusensieb ist die Auffangstation für musikalischen Output, der der Stormbringer-Redaktion durch die Finger geglitten ist. Ein letztes Auffangnetz vor dem Aufprall der Nichtbeachtung. Darin hängen auch diesmal wieder zehn Platten. Es gibt Feuerwerk im Kofferraum, Architekturnachwuchs, ein unausgewogenes Core-Gericht, einen verfluchten Spross, himmlisches Guttural-Gerülpse, Walhalla-Allerlei, insektoide Ausfreakungen, Melo-Death-Nicht-Skandinavier, klassischen Hass und Whiskey-Mucke. Viel Spaß!

 

VIRULENT DEPRAVITY – Fruit Of The Poisoned Tree

Yesss! Ganz genau so darf, soll, muss progressiver Technical Death Metal klingen: mathematisch total überladen und trotzdem richtig mitreißend. Wenn der Film „Good Will Hunting“ (1997) Death Metal wäre, hieße er VIRULANT DEPRAVITY. „Fruit Of The Poisoned Tree“ zählt mehr als doppelt so viele Gastmusiker als Bandmitglieder und klingt vielleicht auch deswegen wie eine Großküche, in der nichts als Popcorn gemacht wird – mit offenen Deckeln. Und dazu diese erstklassigen Deathvocals! VIRULENT DEPRAVITY – fehlzündendes Feuerwerk im Kofferraum, aber wen stört's? Der Ferrari gehört gar nicht dir! (jazz)

 

MATE'S FATE – A Home for All

Wie? Was ist denn das? Metalcore aus Lyon, sowas gibt es auch noch? Oh ja, und wie es das gibt, was uns MATE'S FATE hier mit ihrem via Crowdfunding finanzierten Debüt „A Home for All“ dringlichst beweisen wollen. Der Name ist hier Programm, denn hier sollte wohl jeder eingefleischte Metalcore-Liebhaber „heimelige“, wenn nicht gar „zu Tränen rührende“ Gefühle bekommen, sofern er die letzten Jahre nicht mit Scheuklappen vor den Ohren herumgelaufen ist. „Geplant wie von alteingesessenen Architekten“ trifft es hier, im Wissen, dass das eine echt billige Anspielung war, wohl ganz gut. Aber sie ist nun mal auch passend. (DC)

 

GHOST IRIS – Blind World

Um meinen Core-Kocher anzuwerfen, verwende ich einen High-Tech-Laser, stelle aber trotzdem einen stinknormalen Kochtopf oben drauf. Hinein kommen Metalcore, Technical Death Metal, Progressive Metal, Djent, Pop Punk und Mathcore – echt hochwertige Zutaten! Dennoch schmeckt „Blind World“, ein von den dänischen GHOST IRIS konzipiertes Gericht, unrund. Die Zutaten scheinen einander nicht wirklich ergänzen zu wollen. Die Eingängigkeit wird von der technischen Finesse verhindert, das progressive Gefrickel vom Klargedusel verwaschen. Auch wenn die Mahlzeit spannend vielseitig ist, verlangt es dem Speisenden wahrscheinlich kaum nach einem Nachschlag. (jazz)

 

THE RAVEN AGE – Darkness Will Rise

Wieder einmal ein IRON-MAIDEN-Spross, der den Verdacht nahe legt, dass auf ihnen ein Fluch liegt und sie, trotz der talentierten Väter, bestenfalls mittelmäßige Musik machen. George Harris und seine Bandkollegen von THE RAVEN AGE präsentieren auf „Darkness Will Rise“ abgeschmackten Metal, den man stilistisch besser mit AS LIONS als mit IRON MAIDEN vergleicht. Während bei AS LIONS der Gesang zwar besser ist als die 08/15-Vocals bei THE RAVEN AGE, punkten letztere mit besserer Musik. Die ersten vier Sekunden von „Eye Among The Blind“ klingen gut und auch sonst gibt es ein paar Tracks, die passabel anfangen, aber dann doch stark nachlassen. (BS)

 

TREPID ELUCIDATION – Upcoming Reality

Kommt ein musikalisch sehr talentierter Portugiese in eine Bar. Sagt er so zu drei anderen musikalisch sehr talentierten Portugiesen: „Lasst mal 'ne Band gründen!“ – aber halt auf Portugiesisch. Schwupps, TREPID ELUCIDATION waren da. Fünf Jahre später zeigt das Debutalbum „Upcoming Reality“ wie talentiert die Jungs wirklich sind: sehr. Technical Death Metal der zugleich verspielten, aber dabei dem Ohr nicht zu anstrengend werdenden Art. Ob der deathige Gesang nun den musikalischen Höhenflügen die Bodenhaftung verleiht oder ob das monotone Guttural-Gerülpse die himmlischen Klänge stört, ist dann wohl eine Frage der Perspektive – und Vorliebe. (jazz)

 

BENEATH MY SINS – Valkyries Of Modern Times

Nachdem in den letzten Jahren die Anzahl der Krieger, die in Walhalla landen, drastisch zurückgegangen ist, hatte die dort ansässige Valkyrengeneration wohl relativ viel Freizeit, begann an ihren musikalischen Fähigkeiten zu arbeiten und hat als BENEATH MY SINS vor kurzem das Album "Valkyries Of Modern Times" veröffentlicht. Und was soll man sagen: Die Arbeit von einigen hundert Jahren scheint sich bezahlt gemacht zu haben! Das Ergebnis bietet von Soprangesang über Orchester bis zu einer gewissen Härte (zwar in homöopathischeren Dosen, aber vorhanden) alles, was den Symphonic-Metal-Liebhaber glücklich machen sollte. Kann man sich gönnen! (DC)

 

SECTLINEFOR – Anorexic Insect

Solange Weirdshit Metal kein offizielles Genre ist, müssen sich die britischen SECTLINEFOR mit der groben Vereinfachung Metal oder der kaum stimmigen Pauschalisierung Industrial Metal zufriedengeben. Drei Insekten krabbeln in dein Ohr und verlustieren sich mit deinem Trommelfell. Ihren Metal reichern sie mit verschiedensten Samples aus EDM, Klassik und dem Rest der Welt an, aber primär sind es die vokalistischen Ausfreakungen, die dein Gehirn an die Grenzen seiner Verarbeitungsbereitschaft bringen. „Anorexic Insect“ – Weirdshit Metal! (jazz)

 

RITUAL OF ODDS – Ritual Of IX

Wer denkt, dass echter Melo-Death nur aus Skandinavien kommt, der hat die Rechnung ohne die guten alten Griechen gemacht, die mit ihren augenscheinlichen „Melodic Death Metal Masters“ RITUAL OF ODDS und ihrem „Ritual Of IX“ aufwarten. Was einen hier erwartet? Das griechische Pendant zu Odin und Co. ist es jedenfalls nicht! (Nein, wirklich nicht, hätte es aber auch nicht erwartet). Stellt euch eher einen Mix aus Melodic Death Metal mit Thrash-Einflüssen und eingestreuten Anspielungen auf Populärkultur und allgemein die Moderne vor. Bei einem Song versucht man sich auch an Klargesang, aber na ja, hätte man nicht gebraucht. Ist sonst aber in Ordnung. (DC)

 

HELIOSS – Antumbra

Stell dir vor, deine musikalischen Fähigkeiten reichen aus, nicht nur den Bass, die Gitarre und die Drums zu spielen, sondern um ganze Symphonien zu komponieren. So muss es dem Multitalent und Kopf von HELIOSS, Nicolas Muller, gehen. Aber anstatt mit seinen neoklassisch-symphonischen Werken große Konzerthäuser zu beglücken, ertränkt er sie für kleines Publikum in der hasserfüllten Dunkelheit des Death und Black Metals. Als würde ein gutgekleideter Straßenmusiker statt seines Cellos einen Flammenwerfer auspacken und seine Melodien in den Schreien der Fußgängerzone spielen. Keine leichte Kost und doch so schöne Musik: „Antumbra“. (jazz)

 

THE TOSSERS – Smash The Windows

Nach all dem Krach zum Schluss noch etwas Irish Folk Rock. THE TOSSERS aus Chicago bringen alles mit, was man sich von dem Genre erhofft: Whiskey in der Stimme, Bier in den Klängen, Tanzlaune in den Beinen, wenn die Songs schneller werden, und diese besondere nostalgische Schwermut, wenn sie langsamer werden. Damit brechen sie nicht aus dem gewohnten, leicht angepunkten Irish Folk Rock aus, aber das wollen sie auch nicht – das sollen sie auch nicht! Also, „Smash The Windows“ auf die Ohren, hoch die Gläser und gemeinsam singend rufen: „Erin Go Bragh!“ – Irland für immer! (jazz)

 

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