Zu Besuch bei "Dr. Made"

Veröffentlicht am 23.10.2013

Datum: 18. Oktober 2013, Ort: Volkstheater München. Das klingt nun nicht nach etwas das man mit Heavy Metal in Verbindung bringen würde, nicht einmal mit Rock. Damit hat es auch in der Tat nichts zu tun - oder vielleicht doch? Denn als "Dr. Made" kennt man den Rockstar der forensischen Wissenschaft, Dr. Mark Benecke. Dieser referiert bei seinen stets gut besuchten Auftritten in allgemein verständlichen Worten über seinen Fachbereich der forensischen Entomologie, würzt seine Vorträge dabei mit mitternachtsschwarzem Humor, und beschallt sein Publikum in den Pausen unter anderem mit Musikvideos von RAMMSTEIN oder MARILYN MANSON. Darüber hinaus ist Benecke auch Darkwave und EBM sehr zugetan, war Sänger einer Punk-Band namens "DIE BLONDEN BURSCHEN" und tritt regelmäßig als Redner auf dem WGT und dem Amphi-Festival auf.

Spricht man von Mark Benecke als der international gefragten Koryphäe auf dem Gebiet der Kriminalistik, Kriminalbiologie und forensischen Entomologie, stellt man sich automatisch einen langweiligen, Hornbrille tragenden Nerd vor. Umso überraschter ist man dann, es mit einem schwarz Gekleideten (häufige Sichtung: Lederhose und Rammstein-Hemd), Kettenbehangenen, schwer tätowierten und gepiercten, in jeder Hinsicht schrägem Vogel zu tun zu haben, der absolut kein Problem mit seiner gelebten Selbstdarstellung hat. So wird er bei seinen Vorträgen von Teilen des Publikums regelmäßig für einen (Bühnen-)Techniker gehalten, und wurde wegen seines unkonventionellen Aussehens (zu dem auch häufig ein auffälliges Nasenpiercing gehört) schon einmal auf der Straße von deutschen Polizisten vorsorglich verhaftet.

Zu den Kriminalbiologischen Vorträgen von Mark Benecke kommen Angehörige aller möglichen Gesellschaftsschichten und Subkulturen - von 08/15 Normalos und langweiligen Anzugträgern bis hin zu gestandenen Metalheads und schrägen Goths. Dabei darf das Publikum das jeweilige Thema des Vortrags per Mehrheitsentscheid selbst bestimmten - der Auswahlbereich erstreckt sich dabei von "Hitlers Schädel und Zähne" über "Insekten auf Leichen" und "Serienkiller" bis hin zu "spontane Selbstentzündung" oder "autoerotische Unfälle". Die Wahl des Publikums fiel an diesem Abend allerdings auf das zunächst relativ harmlos klingende Thema "Biotonne".

Mit diesem Themenbereich, der von einem der Fälle die er untersucht hatte handelte, machte "Dr. Made" im Verlaufe des Abends seinem Spitznamen alle Ehre. So erfuhr man unter anderem warum es keine gute Idee ist eine Leiche in eine Sammeltonne für Bioabfall zu stecken, und warum die daraus resultierenden unterschiedlichen Verwesungsstadien des Körpers so verwirrend wie interessant sind. Auch wird anhand von Berichten von Versuchen mit Schweinekadavern erläutert wie lange es dauert bzw dauern kann bis eine Leiche entweder skelettiert oder mumifiziert ist, und gleichzeitig erfährt man nebenbei noch einiges über die Psychoe von Tätern in diversen Mordfällen. Alle seine gleichzeitig erschreckenden wie humorvollen Ausführungen unterstreicht Benecke mit vielen Fotos seiner Arbeit - Bilder die in empfindlicheren Gemütern schon einmal den Wunsch erwecken können spontan seine letzte Mahlzeit noch einmal eingehend betrachten zu wollen.

Neben Details über die Arbeit eines Kriminalbiologen die hauptsächlich aus langwierigen Untersuchungen und Versuchsreihen besteht, warum die im Fernsehen so gerne dargestellten Pathologen eigentlich so gar nichts mit der Kriminalistik zu tun haben, und dass Kriminalbeamte überdies tatsächlich einen auffallenden Hang zu Lederjacken haben. Außerdem eignet man sich noch Wissen an über die possierlichen, krabbelnden Lieblinge des Vortragenden: Dass Schmeißfliegen ihren Namen vom Geschmeiß haben, dem Eierpaket das sie an frische Kadaver kleben, dass Maden senkrechte, glatte Wände hochklettern können, sich nie direkt auf ihrem Fresshabitat verpuppen - und dass man mit in Lebensmittelfarbe getunkten Maden abstrakte Gemälde fabrizieren kann indem man sie einfach übers Papier krabbeln lässt.

Zum Abschluss des Abends darf das Publikum (sofern mutig genug) auch noch Kontakt zu den mitgebrachten Insektenlieblingen von Mark Benecke aufnehmen, den bis zu 8cm großen Fauchschaben. Die friedlichen Tierchen lassen sich gerne von allen Interessierten hochnehmen und fotografieren, und machen ihrem Namen alle Ehre wenn sie mal wieder von einer doch zu ängstlichen Person abgeschüttelt werden und unsanft auf dem Boden landen.

Auch der Grusel-Doktor, der durch seine Arbeit zum überzeugten Vegetarier wurde, sich für den Tierschutz engagiert und von sich behauptet zwar problemlos biologische Abläufe aber keine Menschen zu verstehen, erweist sich als ebenso handzahm wie seine Haustierchen. Entspannt plaudert er mit seinen Fans und anwesenden Kollegen ohne dabei Unterschiede zu machen, signiert geduldig seine Bücher die ihm im Minutentakt unter die Nase gehalten werden, und erfüllt (fast) jeden noch so schrägen Fotowunsch. Zwar verheiratet, setzt er aber auch grinsend wie ein Rockstar allzu gerne auf einem ihm dargebotenen Dekollete einer Besucherin aus der Gothic-Szene seine unverwechselbare Signatur.

Falls das Interesse nun geweckt ist, sei jedem, egal ob Mitglied der schwarzen Szene (deren bekennender Anhänger auch Benecke selbst ist), oder jetweder anderem schrägem oder nicht schrägem Vogel empfohlen sich zumindest einmal einen dieser Vorträge anzuhören, denn es lohnt sich allemal den zwischen Grusel und Humor schwankenden Ausführungen des Paradiesvogels der Wissenschaft zu lauschen. Vor allem Schreibern und Hörern von einschlägig finsterer Lyrics dürften die Erzählungen von Mark Benecke viele neue Anregungen sowie angenehme oder weniger angenehme Gänsehauterlebnisse bescheren...

Nicht zuletzt beweist Benecke auch eindrucksvoll dass Wissenschaft nicht immer bierernst sein muss, um ernst genommen zu werden. Das Volle Ausmaß des hintersinnigen schwarzen Humors des Mannes mit dem Spitznamen "Dr. Made" kann aber nur ermessen wer ihn schon einmal live gesehen und mit ihm gesprochen hat. Da ist es schon einmal völlig normal dass die Leinwand gerade ein Foto eines wuseligen Madenhaufens zeigt, während das Publikum aufgrund der pointierten Ausführungen des Vortragenden in hemmungsloses Gelächter ausbricht.

Nachzulesen gibt es einige der Vortragsthemen, sowie weitere interessante Bereiche die in den Vorträgen kaum erwähnt werden unter anderem in Beneckes aktuellem Buch "Aus der Dunkelkammer des Bösen" (Verlag: Lübbe). In diesem beschäftigt er sich gemeinsam mit seiner Frau, der Psychologin Lydia Benecke, auf seriöse Weise unter anderem mit sadistischen Serienkillern und diversen sexuell motivierten Verbrechen wie den österreichischen Fällen Fritzl und Kampusch.

Wo und wann weitere Vorträge des Rockstars der Kriminalbiologie stattfinden erfahrt ihr auf der offiziellen Seite von Mark Benecke: www.benecke.com


WERBUNG: Hard
ANZEIGE
ANZEIGE