Filmrezension: UNTIL THE LIGHT TAKES US (2008)

Text: eisendorn
Veröffentlicht am 28.08.2010

Die Filmdatenbank IMDB führt als Schlagworte für „Until the Light Takes Us“ „Musik“, „Brandstiftung“, „Mord“, „Kunst“ und „Black Metal“ an. Ein schöner Grundriss des Themas dieser Dokumentation, der Ereignisse rund um die zweite Welle des Black Metal in den frühen Neunzigern. Die Amerikaner Aaaron Eites und Audrey Ewell mühen sich, abseits von Panikmache den Überbleibseln der Szene eine Plattform zu bieten und die Akteure für sich selbst sprechen zu lassen. Die da sind: der ungebrochen mitteilungsbedürftige Fenriz (DARKTHRONE), den man bemerkenswerterweise zwischen zwei Vollräuschen erwischt hat, und natürlich der selbsterklärte Retter aller Volkskultur und Rassenindividualität, Varg Vikernes (BURZUM). Der Film scheitert letztlich am abgegriffenen Material und seiner eigenen Weigerung zu kommentieren.

Vikernes, gekämmt und rosenbackig, füllt gut die Hälfte der Laufzeit mit seinem radikalen Kulturpessimismus, vorgetragen aus einer Gefängniszelle in Trøndheim – mittlerweile ist er frei. Untermalt von rasch geschnittenen Bildern abfackelnder Kirchen langweilt Vikernes mit hinlänglich Bekanntem. Weil er clever ist versteigt er sich natürlich nie zu radikalen Hasstiraden. Man muss schon genau hinhören, um den Urgrund seiner Philosophie auszuleuchten: „[…] die Leute sagen [den Jugendlichen], dass das Christentum gut ist, die USA und die NATO gut sind, dass unsere Demokratie gut ist. Aber […] instinktiv wissen wir, es ist falsch.“ Warum aber ist die Rückbesinnung auf traditionelle Glaubensformen besser? Das Christentum ist „jüdisch“, deswegen.

Soweit nichts Neues. Zwischendurch wird Fenriz mit der Handkamera durch Oslo verfolgt, wo er sich zwischen plakativ eingespielten Burgerbuden (imperialistisch) und tiefgeschossigen Kassettenbörsen (altnorwegisch) über die Kommerzialisierung der Anti-Kommerzbewegung schlechthin ausjammert. Den hohlen Klang seiner Sinnsprüche versuchen die Filmemacher einmal mit dem Mitschnitt eines Telefoninterviews zu gewichten. Das wirkt nicht nur wegen Fenriz‘ teils völlig sinnfreier Antworten unfreiwillig komisch („Ich streichle den Hund mit dem Haar, weißt du? Die Hunde sind die Fans.“).

Neben Fenriz, der öfters den trauerschweren Kopf mit den Händen stützen muss, belegen ein paar Nebendarsteller den Niedergang der Bewegung recht anschaulich. Frost (SATYRICON) hat wenig zu sagen, dafür viel böse zu glotzen, bevor er als Teil einer Vernissageeröffnung im Pandamakeup mit einem Küchenmesser auf eine Couch einstechen muss, eine Szene, die einem die Tränen in die Augen treibt. Der ausgestellte Künstler Bjarne Melgaard vergleicht das Cover von „Transilvanian Hunger“ mit Munchs „Der Schrei“ und sollte sich jetzt wohl besser ins Ausland absetzen. Abbath (IMMORTAL), dem ein paar schweißtreibende Gigs rein körperlich nicht schaden würden, findet die Kirchenverbrennungen der Vikernesschen Aktionsgruppe „cool“. Zuletzt entblödet sich Hellhammer, dem Häfenbruder Faust (EMPEROR) zu dessen Mord an dem homosexuellen Magne Andreassen zu gratulieren: „Als mir erzählt wurde, dass Faust diese verdammte Schwuchtel in Lillehammer wirklich umgebracht hat, war ich überrascht. Ich dachte nicht, dass er die Eier dazu hat. Aber ich rechne ihm das hoch an.

Zum Ende des Streifens packt Vikernes noch seine Variante des Euronymous-Mordes aus, er hatte ja während seiner langjährigen Haft genug Zeit, sie in Form zu hämmern. Die amerikanischen Filmemacher haben angeblich jahrelang in Norwegen gelebt, um das Vertrauen ihrer Protagonisten zu erlangen. Wieviel davon war nötig, um Vikernes dazu zu bewegen, die Texte vorzutragen, die jeder seit Jahren auf seiner Website nachlesen kann? Immerhin schimmert ein Minimum an Selbstreflexion durch den Morast emotionsloser Apologetenrhetorik: „Ich war damals ziemlich paranoid!“

Wenn diesem Film eines gelingt, dann ist es den bemitleidenswerten Zustand der Gründerväter des Black Metal mit harten Strichen festzuschreiben. Von Frosts peinlich-bemühter Authentizitätsheischerei über Vikernes‘ sture Rechtsverkennung bis zu Fenriz, der sich zu seinem eigenen Entsetzen mit dem Establishment arrangiert hat – ein Trauerspiel. Radikal-reformerische Bewegungen ziehen immer einen Schwarm von Mitläufern an, die zur Verwässerung der Ideologie, und in diesem Fall auch der Musik, beitragen. Mit diesem Umstand umzugehen, sich der Widrigkeiten des Kommerzes zum Trotz über Trends hinwegzusetzen, mit der Zeit mitzuleben, darin liegt die wahre Kunst. Nach eineinhalb Stunden Film bleibt nur die bittere Erkenntnis, dass eine energetische Konterkultur letztlich an ihrer eigenen Ideologie gescheitert ist – konservative Reform, traditionsbewusste Revolution, das sind Widersprüche in sich. Dieser Film zeigt, dass es an der Zeit ist, die Legenden hinter sich zu lassen und den Blick auf die aufregenden aktuellen Entwicklungen der Kunstform Black Metal zu richten.

„Until the Light Takes Us“ ist seit August in ausgewählten Kinos in Deutschland zu sehen. In Österreich startet der Film am 17. September.


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