Carnifex - Until I Feel Nothing

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VÖ: 28.10.2011
Bandinfo: CARNIFEX
Genre: Deathcore
Label: Victory Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Die verschiedenen „Core“-Spielarten siechen elendig dahin oder sind ohnehin bereits am Sterben. Das ist keine subjektive Ansicht eines unverbesserlichen Ewiggestrigen, sondern ehrliche, unumstößliche und brutale Tatsache. Im Metalcore gab es die letzte originelle Idee vor gefühlten fünf Jahren, im aggressiveren Deathcore-Sektor haben die Bands ihre Grundideen schon nach wenigen Monaten zu kopieren begonnen und Crabcore tanzt man sowieso nur, wenn die Hose zwickt und der Friseur beim arbeiten wieder mal abgerutscht ist, oder? Aber – es gibt sie noch, die positiven Ausrutscher, deren Qualitätspfeil nach oben zeigt und deren Songwritingprozess nicht darin besteht, mal schnell KILLSWITCH ENGAGE, AS BLOOD RUNS BLACK und HATEBREED zusammenzuwürfeln und das dreifach Geklaute als „next big thing“ zu versetzen.

Deshalb von hier ein mehrfaches „hip hip hurra“ und dicke Gratulation an CARNIFEX. Kalifornien ist zwar nicht unbedingt der Kreativpol der Szene, aber was das langzottelige Rüpelkollektiv aus San Diego da via Victory Records ausspeit, muss einfach als Genre-Oberklasse bezeichnet werden. Das beginnt schon beim Highspeed-Inferno „We Spoke Of Lies“, das neben den obligatorischen Breakdowns auch mit einer durchdringenden Melodielinie punktet und beweist, dass Drummer Shawn Cameron ob seiner Fertigkeiten schon wesentlich mehr Credibility erhalten hätte müssen. Das setzt sich fort beim schwarzmetallisch einleitenden Atmosphäre-Brecher „Creation Defaced“, der sich unbewusst hartnäckig in der Großhirnrinde einnistet und mit beispielloser Variabilität prahlt. Das endet mit der immensen Wucht des Schädelspalter-Closers „Curse My Name“, bei dem man sich endgültig von jeglicher Szene-Vorgabe löst und munter drauflos knattert. Da kann man auch verschmerzen, dass im Promowisch ein anscheinend unbezahlter Praktikant „Trash Metal“ statt Thrash Metal geschrieben hat und dass man bei DEICIDE („Dead But Dreaming“) munter Songtitel klaut.

Da es im Großen und Ganzen auch musikalisch wenig bis nichts zu bemängeln gibt, kann man über die schwächere erste Albumhälfte augenzwinkernd hinwegsehen, denn CARNIFEX erschaffen allein mit oben genannten Songs mehr Innovation und Hörgenuss, als so manch schablonenhafter Genre-Genosse auf mehreren Alben. Damit das Teil auch so richtig fett aus den Boxen trieft, hat man AS I LAY DYING und AUSTRIAN DEATH MACHINE Boss Tim Lambesis an die Regler gelassen. Da hat das übergebrauchte Wörtchen „Brutalität“ doch tatsächlich noch seine Berechtigung. Wer gerne mit WHITECHAPEL, THE BLACK DAHLIA MURDER, ABORTED oder alten THROUGH THE EYES OF THE DEAD schlafen würde, kann mit CARNIFEX locker einen Seitensprung wagen.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (11.11.2011)

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