Solefald - Norrøn Livskunst

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VÖ: 15.11.2010
Bandinfo: SOLEFALD
Genre: Black Metal
Label: Indie Recordings
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Lineup  |  Trackliste

Die Stühle, zwischen die sich SOLEFALD mittlerweile setzen, müssen eigentlich erst erfunden werden. Black Metal, Avantgarde, Crossover, Fusion, Artrock, Lounge – Lars „Lazare“ Nedland und Cornelius Jakhelln wandeln seit ihrem Debut „The Linear Scaffold“ im Jahre 1997 mit verheerender Konsequenz auf ihren eigenen Wegen durch den musikalischen Norden. Zwar finden die beiden in ihren diversen Bands schon wahrlich genug musikalische Abwechslung (BORKNAGAR, AGE OF SILENCE, STURMGEIST, CARPATHIAN FOREST und noch einige mehr), aber die geistige Kernfusion der beiden Grossmeister findet einzig und allein bei SOLEFALD statt. Das sehr eigenwillige „Norrøn Livskunst“ ist somit nichts weiter als die logische Fortsetzung und konsequente Weiterentwicklung von „The Circular Drain“ und den beiden vorangegangenen „Icelandic Odyssey“-Epen.

„Song Til Stormen“ und „Til Heimen Yver Havet“ (mit versteckter Deutschland-Romantik!) umrahmen mit ihrem epischen Flair eine Platte, die wieder mal alle Geister scheidet, und doch zuletzt einfach nur logisch klingt. Bei „Tittentattenteksti“ (nein, ihr habt euch nicht verlesen...) und „Vitets Vidd I Verdi“ nervt zwar das alles zerschmetternde Organ von Fräulein Agnete Kjølsrud (DJERV-Sängerin, hat auch schon DIMMU BORGIR’s neuestes Output mit ihrem exzessiven Organ verschönert) – ja, man sieht sie richtig herumhüpfen, die grüne Hexe mit der langen Nase, die kreischend und fuchtelnd durch die nordische Botanik fegt. Nicht jedermanns Sache, aber wenn’s denn sein muss. Auf der anderen Seite gibt’s als Entschädigung fast nur elefantöse Songs von gar grossem Kaliber: das bereits erwähnte, teilweise sehr rock’n’rollige „Vivets Vidd I Verdi“ mit leichtem Addams Family-Touch, die beiden Blackmetal-Parforceritte „Raudedauden“ und „Norrøn Livskunst“ oder das nicht weniger ominöse Kreuzüber-Opus „Stridsljod“, das mit seinen überraschenden Gesangslinien so richtig reinhaut.

Die beiden eindeutigen Höhepunkte sind aber der knapp zehnminütige Jazzmetal-Exzess „Eukalyptustreet“ und das obergeniale Viking-Lehrstück „Waves Over Valhalla“. Hier ziehen Lazare und Cornelius alle vorhandenen Register, fusionieren Schwarzmetall (wieder mal!) mit entspanntem Saxofon und relaxten Chillout-Gesängen, zeigen dem verblüfften Hörer die Zunge und die Grenzen der harten Musik gleichermassen. In die 50 Minuten von „Norrøn Livskunst“ packen die zwei Grenzgänger so ziemlich alle ihre Vorlieben, irgendwie klingt’s am Ende aber trotzdem nicht nach Resteverwertung.

Im Gegenteil: SOLEFALD zeigen, wie salonfähig Metal mittlerweile eigentlich ist – und wie abstrakt und erschreckend er auf der anderen Seite sein kann. Es gibt hier keinen roten Faden, an allen Ecken lauern Überraschungen, und sobald man sich im Blackmetal-Valhalla wähnt, zweigt die Chose plötzlich wieder unvermittelt in den Artrock ab. So mögen wir das, und deshalb werden SOLEFALD auch in Zukunft immer wieder interessant sein, uns zum Staunen einladen und am Schluss einfach nur offene Münder hinterlassen.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (04.11.2010)

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