Llynch - We Are Our Ghosts

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VÖ: 28.11.2008
Bandinfo: Llynch
Genre: Alternative Metal
Label: Bastardized Recordings
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Hin und wieder kann es vorkommen, dass man die Größe einer Band und ihrer Musik nicht in knappen fünf Minuten erfassen kann. Hin und wieder kann es vorkommen, dass eine MySpace-Nummer anzuhören einfach zu wenig ist, um die Relevanz einer Band klar zu erkennen. Und somit kann es hin und wieder vorkommen, dass man beim Genuss eines ganzen Albums einfach nicht mehr weiß, was man sich da nun zu Gemüte führt. LLYNCH aus dem Saarland vermitteln mit ihrem Debüt „We Are Our Ghosts“ genau dieses Gefühl. Ein Gefühl wie eine Hand, die dich gegen die Wand drückt und für mehr als eine Stunde nicht mehr loslässt. Ein Gefühl, dass dich zwingt, nachzudenken. Das ist keine Musik, das ist eine Offenbarung.

Der Opener „Symbol Repetition“ beginnt als astreine Hardcore-Nummer, um nach kurzem mehr in die Gefilde des atmosphärischen Postrocks abzugleiten. Gerade bei den ruhigen Passagen fällt der extrem dominante Bass auf, mit einem ganz eigentümlichen Klangbild. Vergleiche zu Bands wie CONVERGE oder auch ISIS und MOGWAI schweben im Kopf des Hörers. Doch so ganz fassen lässt sich der Sound von LLYNCH nicht. Und es geht weiter. Nachdem mit „Athena“ die nächste relativ harte Nummer mit einigen ruhigeren Parts an uns vorbei gebrettert ist, eröffnet „Floating North“ einen neuen Klangkosmos. Der Song bleibt über die gesamte Länge von knapp vier Minuten atmosphärisch brodelnd und geht direkt in das grandiose „Eyes Towards Oort“ über. Hier beweisen LLYNCH zum ersten Mal ihr großes Gespür für Dynamik und Rhythmik sowie ein Gefühl dafür, wie man auch einen langen, ruhigen Aufbau gekonnt zum Klimax führen kann, ohne vorhersehbar zu wirken. Der Gesang pendelt die ganze Zeit zwischen angepisstem Hardcore-Geschrei und Spoken Word-Passagen. Melodien werden zwar nur selten, dann aber dafür umso überzeugender ausgepackt. Speziell auch die vereinzelten elektronischen Soundspielereien können die Songs immer wieder überraschend gestalten. Das harte Trio „Lost! Lost!“, „If It Ain’t Rotten, It Ain’t Mine“ und „A History Of Gentlemen“ führt uns schließlich zum vorläufigen Höhepunkt der Platte. Der Song „Morla“ fräst sich für knapp sieben Minuten in die Gehörgänge, gestaltet sich fast durchgehend akustisch und zeigt doch eine extreme Dynamik, die immer wieder an den Ausbruch denken lässt. Doch so weit kommt es nicht. Gesanglich werden LLYNCH hier von der Singer/Songwriterin Caro Streck unterstützt, die gerade gegen Ende des Songs die eigentümliche Atmosphäre der Nummer bestimmt. Mantra-artig wird als Abschluss „Things Will Be Alright“ wiederholt und man merkt, dass auch ruhige Nummern gehörig rocken können. Und wenn man glaubt, es geht nicht mehr besser, kommen der Titeltrack und „Llizzards“ daher, und fusionieren alle Tugenden des gesamten Albums in einmal knapp zehn und dann neun Minuten. Hier hört man wieder die Eigenheiten aller großen Bands dieser Musik heraus, TOOL sind dabei ebenso präsent wie NEUROSIS, und doch klingt es anders, klingt es eigenständig.

Nach gut 65 Minuten darf man sich dann zurücklehnen und durchatmen. Was war das gerade eben? Nur harte Musik mit viel Gefühl und Intensität? Es bleibt schwer, dieses Klangerlebnis zu beschreiben. Und es bleibt auch schwer vorauszusagen, wo der weitere Weg dieser Band hinführen wird. Fest steht nur, dass LLYNCH aus Deutschland den Großen dieser Zunft einiges an Schneid abgekauft haben. Perfekter war Postcore lange nicht.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: chris (17.11.2008)

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