OAK - Disintegrate

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VÖ: 10.02.2023
Bandinfo: OAK
Genre: Death/Doom Metal
Label: Season of Mist
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Montagmorgen, 06:00 Uhr früh - der Zeitpunkt, an dem auch der Lord, auf dessen Schultern die Last des Schreibens ruht, nur mühsam aus dem Schlaf findet – und ironischerweise der erste (und möglicherweise einzige) Tag der Saison mit echter Glättegefahr. Was also tun bei der alltäglichen Fahrt zur Stätte des Broterwerbs? Richtig, langsam fahren! So langsam wie die Beats einer zeitgenössischen Death/Doom-Metal-Kapelle wie OAK. Womit wir bei der adäquaten Musikbeschallung jenes versifften Morgens und zugleich beim Thema wären - dem zweiten OAK-Dreher "Disintegrate".

Wir erinnern uns zurück an das Debütalbum "Lone", das seinerzeit den guten Riecher des indischen Extremitätenhändlers Transcending Obscurity für angehende Geheimtipps unter Beweis stellte. Was war die Kiste für ein Brett – ein Ungetüm, das Grollen eines erwachenden Dämons aus der Unterwelt. Ein Album, das den Verfasser beinahe dazu genötigt hätte, direkt im ersten Anlauf ein stattliches High-Five auf den Tisch zu knallen. Wie gesagt, fast...denn einige, winzige Luftmoleküle waren nach oben hinaus noch vorhanden, weswegen dieser Ritterschlag einem zweiten, noch monumentaleren Werk vorbehalten sein sollte und in der Folge die Erwartungshaltung hieran entsprechend hoch war. Und am Ehrgeiz des Duetts mangelt es derweil sicherlich nicht – prügeln uns die kühnen Portugiesen doch glatt einen 45-minütigen Schinken von Longtrack um die Ohren. Wobei...die Nummer klingt auf den ersten Hörer weit erschlagender als sie eigentlich ist, denn wenn man es genau nimmt, ist der Aufbau von "Disintegrate" dem von "Lone" gar nicht mal unähnlich...nur eben nicht offenkundig durch die Grenzen einzelner Tracks untergliedert.

Der erste "Teil" von "Disintegrate" erstreckt sich über etwa zwanzig Minuten und dockt in Sachen Aufbau und Atmosphäre dezent an den "Lone"-Opener "Sculptures" an – ein stufenweiser Aufbau hin ins malmende Inferno, reflektiert-melancholische Stimmung und ein hohes Maß an (für diese Art der Musik) eingängigen Melodien. Wie schon beim Debüt liefert das Duett damit einen vergleichsweise leicht zugänglichen Einstieg in ein Werk, das über die volle Distanz gesehen sukzessive anspruchsvoller wird. Nach besagtem "Teil 1" wird es zunächst ruhig – nur wenige Noten durchdringen den Äther, vereinzelte Klangfontänen entspringen den Becken, bis es plötzlich passiert. Mit einem Knall und einem regelrechten Schreckensmoment wird der Hörer aus dem meditativen Tiefschlaf entrissen, um sich inmitten einer Dystopie aus elefantösem Stampfen, Blastbeats und Dissonanzen wiederzufinden. Zuweilen glaubt man sogar, bei MGŁA würde neuerdings tief gegrowlt. Ab hier werden neue Freiheitsgrade ausgelotet und mit verschiedenen Gesangsstilen wie cleanem Gesang und Shouts gespielt, bis sich die Stimmung am Ende der Reise wieder aufhellt.

Insofern ist die zweite Reise der Portugiesen von ihrer Ersten gar nicht mal so weit entfernt. Auch das beschriebene Bild des Kolosses, der die Last der Erde trägt (so viel zu meinem Joke in der Einleitung...), erscheint wie die ideale Veranschaulichung des Gehörten und umgekehrt. Das Niveau, der Anspruch und die Ambitioniertheit des zweiten OAK-Albums stehen außer Frage, doch die übermächtigen Widerhaken und der Zauber des Erstwerks gehen dem Nachfolger zuweilen ab. Auch der zähe, sich über mehrere Minuten erstreckende Abtakt des Mammutwerks wirkt etwas verkopft. Insofern bedeutet "Disintegrate" leider nicht den infinitesimalen Step, der "Lone" noch zur Höchstnote gefehlt hatte, sondern eher einen Schritt zurück. In Anbetracht der schwindelerregenden Ausgangshöhe ist dies aber kein Beinbruch und für Fans der langsamen Schule nach wie vor einen Hörer wert!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (06.02.2023)

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