FEATHER MOUNTAIN - To Exit a Maelstrom

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VÖ: 02.09.2022
Bandinfo: FEATHER MOUNTAIN
Genre: Progressive Metal
Label: Eigenproduktion
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

WHAT? FEATHER MOUNTAIN? Nie gehört...Prog aus Dänemark, dachte der bescheidene Rezensent, als die Kunststoffmaus über die geölte Buche huschte, um kurz zu verharren und die linke Taste zu drücken. Es dauerte allerdings nur wenige Sekunden, bis die Ohrwascheln auf Betriebstemperatur waren und abermals die Grazilität nordischer Musikschaffender ein weiteres Mal für Verzückung sorgte.
Der Bandname bezieht sich jedenfalls auf einen Berg der chinesischen Mythologie, der mit der großen Flut in Zusammenhang gebracht werden kann. Und damit ist der Link zu der Band gleichen Namens gefunden. Das Brüder-Paar Andreas und Christian, die für Bass und Schlagzeug verantwortlich sind, assoziieren das langsame Wegdriften ihres Vaters, das Dahinschwinden (EVANESCENCE) – er ist schwer an Alzheimer erkrankt – mit einer unbändigen, unaufhaltbaren Flut. Der Band wurde nicht nur eine Plage zu Teil. 2019 wurde das erste Album „Nidus“ in die Ozeane gelenkt, kurz darauf schwappte Corona über die Menschheit herein. Das zweite Album: „To Exit A Maelstrom“ wird hier besprochen werden. Fast wäre die letztgenannte Langrille ein Konzeptalbum geworden.

Der Gesang vorzüglich, die Riffs und Hooklines diffizil, trotzdem eingängig (ja, die Quadratur des Kreises) und wahrlich gut ausbalanciert, diverse Streicher bzw. Schlüsselbretter wurden eingebracht, mal leicht wie Äther, mal schwer wie Hämmer, das Metall wird hier fachmännisch in Form gebracht. Weiter sei angemerkt, dass die tontechnische Abmischung gut gelungen ist. Der Raum wird hier vorzüglich geöffnet. Das erste Lied „August Mantra“ überzeugte sofort, was zur Folge hatte, dass ich einen Blick in die offizielle Homepage der Band nahm und selbst diese ist tatsächlich mal erfrischend anders  und das meine ich positiv. Warum zum Kuckuck sieht der Gitarrist aus, wie ein zukünftiger Elbenkönig? Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der gute alte J. R. R. Tolkien, der zwar maßgeblich auf keltische Mythologie abzielte, nicht ein wenig in der nordischen gewildert hat? Ist das etwa ein Bote der kommenden HdR-Serie? Fragen über Fragen. Machen wir es einfach: Fünf Punkte für FEATHER MOUNTAIN. Rezension beendet. Next. Gut, dann nicht.

Beneath Your Pale Face“ besticht abermals mit großartigem Gesang. Eine ruhige, angenehm sich fortpflanzende Nummer wird aufbereitet, bis kurz nach Minute zwei der Gesang an Rasanz zulegt und dann ist bereits das Ende erreicht.  

Pariah“: Hier wechseln einander Klargesang bzw. Screaming ab. Die Nummer mäandert verhalten wie ein Rinnsal durch Feld und Wald, bis abermals im letzten Drittel der Strom anschwillt.

Cloud-Headed“: Der erste Kritikpunkt muss eingebracht werden. Die Grazilität des musikalischen Ausdrucks steht bei FEATHER MOUNTAIN außer Frage, jedes Lied könnte ohne Weiteres bei den großen Sendern gespielt werden, andererseits ist  ich will es nicht Eingängigkeit nennen, die Lieder sind nicht eingängig – der progressive Anteil eher begrenzt. Ein wenig mehr hätte hier schon an dieser Schraube gedreht werden können. Nein, diese Formulierung wird dieser Platte ebenfalls nicht gerecht, denn beim Schreiben dieser Worte, wurden hier Wendungen, Stromschnellen und zumindest ein Wasserfall eingearbeitet. Ist es Vorhersehbarkeit. Nein. Es will mir keine Lösung einfallen, außer einem Widerspruch in sich: progressive Beständigkeit, was immer das bedeuten mag.

Sincere“: Großartiges Lied mit wunderbarem Gesang, drei Bandmitglieder legen sich hier ins Zeug, und ja, das Video dazu ist ebenfalls äußerst gelungen, es führt kein Weg vorbei, dieses am Ende dieser Rezension anzufügen. Vor allem darum, weil ich mich nicht mehr daran erinnere, an welche Studio-Ghibli-Produktion mich die Masken der Protagonisten erinnern. Sehr gekonnt und akzentuiert wird den Instrumenten Platz eingeräumt, egal, ob Schlagzeug, Klavier, Cello, perfekte Dosierung. Ohrwurm beschreibt es tatsächlich am besten.

Bliss“: Driftet eher Richtung Fusion ab, etwas funky und unterscheidet sich von den bis jetzt offenbarten Liedern erheblich. Ab etwa Minute 2:10 befinden wir uns wieder für etwa eine Minute in den für FEATHER MOUNTAIN üblichen Gefilden.

Air Hunger“:  Fällt durch komplexe ungerade Rhythmik auf, die vor allem durch den Bass determiniert wird. Eine instrumentale Nummer, die vielleicht ein klein wenig an TOOL erinnert („Schism“). 3:50 Minuten und von meiner Warte aus passt alles.

Maelstrom“ ist eine zu Beginn unspektakuläre Low-Temp-Nummer, die von diffiziler Brüchigkeit determiniert wird, wobei der wunderbare Gesang abermals bestens zur Geltung kommt. Der Duktus ist ein gebrochener, das Lied changiert zwischen sanftem Prog-Rock und derbem Prog-Metal. Geilo, Alter.

Fazit: Großes Lob an diese vier Mannen. Es ist wahrlich ein Hörgenuss, ihren Klängen zu lauschen. Das Album schrammt hart an der Maximal-Bewertung vorbei. Um es zu explizieren: Der Sänger Mikkel hat die interessanteste Stimme, die ich seit vielen Alben gehört habe. Musik und Gesang bilden eine Einheit, ein Ganzes, von mir aus Yin Yang. FEATHER MOUNTAIN bedeutet für mich die Entdeckung des Jahres 2022 und wenn ich mich recht entsinne: „To Exit A Maelstrom“ ist das beste Album, dass ich dieses Jahr rezensierte, wobei das Live-Mini-Album von DVNE nicht berücksichtigt wird. Vor wenigen Tagen hörte ich abermals das letztjährig rezensierte Album der wackeren FIRST FRAGMENT, das sehr komplex daherkommt, mit gefühlt 799 Riffs und 897 Soli. FEATHER MOUNTAIN bildet sozusagen die Antithese dazu. Die Song-Strukturen sind eher schlicht gehalten, es poppt mal ein Takt abseits der üblichen Schemata auf, viel mehr ist da nicht zu holen. Das geflügelte Wort  weniger ist mehr – trifft es auf den Punkt: U2, REM, KOIDSCHPÜ (COLDPLAY) and the one and only His Bobness himself, schufen eine Kunst, die in Zeiten wie diesen wieder Einzug halten könnte: Minimalismus.
Ich würde "To Exit A Maelstrom" mit 4,5 Punkten bewerten wollen. Weil mich der Grundtenor ganz unprofessionell emotional ergriffen hat, die Alzheimer-Erkrankung des Vaters ist gemeint, erhöhe ich auf ein Full House.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Richard Kölldorfer (26.08.2022)

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