LORD VIGO - We Shall Overcome

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VÖ: 01.07.2022
Bandinfo: LORD VIGO
Genre: Doom Metal
Label: High Roller Records
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Lineup  |  Trackliste

LORD VIGO hatten mit ihrem Vorgänger-Album wirklich Pech. Obwohl "Danse De Noir" sowohl bei Stormbringer und weiten Teilen der Musikpresse als auch bei der Hörerschaft viel Lob und gute Kritiken einheimsen konnten, lag der Release der Scheibe denkbar ungünstig. "Danse De Noir" startete mitten in den Beginn der Corona-Pandemie hinein, und alle zu diesem Zeitpunkt schon geplanten Live-Aktivitäten fielen dem Virus zum Opfer. Diese bescheidene Situation hielt immerhin für gut zwei Jahre an.

Doch Vinz Clortho und seine Mitstreiter ließen sich nicht unterkriegen. Vielmehr präsentieren uns LORD VIGO nun das Ergebnis ihrer Pandemiebewältigung. "We Shall Overcome" heißt das mittlerweile fünfte Studioalbum der Landstuhler Sci-Fi-Fans. Die aktuelle Scheibe setzt den Weg von "Danse De Noir" konsequent und in typischer LORD VIGO-Manier fort. Soll heißen, Veränderung, Entwicklung, Unvorhersehbarkeit gehören, neben der musikalischen und lyrischen Ausrichtung sowie der visuellen Komponente, nach wie vor zum Gesamtkonzept der Band.

"We Shall Overcome" ist erneut in einem fiktiven Universum in ferner Zukunft angesiedelt. Spielte der Vorgänger sich in der Welt von "Blade Runner" ab, so hat man sich für das neue Album eine ebenfalls sehr bekannte Sci-Fi-Welt für das lyrische Konzept ausgesucht. Vinz Clortho beschreibt das Ganze so: 

"Das aktuelle Album ist mehr oder weniger das Prequel zu "Danse De Noir". Wir vermählen sozusagen das Universum von RUSHs "2112" mit unserer eigenen Welt. Das Grundkonzept von "We Shall Overcome" ist eine direkte Fortsetzung von "2112"  aber die Geschichte selbst findet 25 Jahre später statt. In unserer Version ist es der 'älteren Rasse' gelungen, eine Diktatur der Computer zu beseitigen. Allerdings ist es ihnen nicht gelungen, ein stabiles ökologisches und politisches System zu errichten. Das passiert auch in der realen Welt nur allzu oft..." 

Und er verweist auf aktuelle Ereignisse, wie etwa den Abzug der Amerikaner aus Afghanistan, der deutlich macht, dass die so genannten 'Befreier' meistens keinen wirklichen Plan haben, was nach der 'Befreiung' eigentlich mit dem Land und den Menschen passieren soll. Damit bieten die Texte von "We Shall Overcome" genügend tiefgründigen Stoff zum Sinnieren, Philosophieren und eine gute Möglichkeit, einmal selbst in sich zu gehen und über die aktuelle weltpolitische Situation nachzudenken, um diverse Zustände und Geschehnisse kritisch zu hinterfragen.

Musikalisch haben LORD VIGO sich noch weiter vom Epic Doom der frühen Tage entfernt als das bereits beim Vorgänger der Fall gewesen ist. Epische Momente gibt es nach wie vor, in dem ein oder anderen Song sogar so ausgeprägt wie noch nie. Aber ansonsten haben die Stücke auf "We Shall Overcome" ein klassisch-traditionelles, zwischen der NWOBHM und den göttlichen WARLORD verwurzeltes Grundgerüst, das mit einer Fülle von unterschiedlichen Einflüssen und Stil-Elementen bereichert und (dadurch erst) komplettiert wird. Noch einmal Vinz Clortho:

"Es gab für uns alle ein Leben außerhalb des klassischen Heavy Metals...Einflüsse aus 80er New Wave oder Prog-Rock werden mit klassischem Stahl verschmolzen. ULTRAVOX trifft auf MANOWAR trifft auf THE CURE."

Das kann man (vielleicht bis auf MANOWAR, deren Erwähnung eher mit einem Augenzwinkern nachzuvollziehen ist) durchauswörtlich nehmen. Dark Wave- und Gothic Rock-Elemente waren bereits auf "Danse De Noir" in einer Reihe von Stücken vorhanden, und diese Stilelemente finden sich erneut auf dem neuen Rundling. THE CURE, THE SISTERS OF MERCY und wieder eine Portion FIELDS OF THE NEPHILIM. Und man fühlt sich in diesem Zusammenhang auch immer wieder an die musikalische Ausrichtung von UNTO OTHERS (formerly known as IDLE HANDS) erinnert. Dazu gesellen sich, wie von Vinz bereits erwähnt, unüberhörbare Reminiszenzen an den 80er New Wave-Sound à la ULTRAVOX oder auch NEW ORDER und Progressive Rock (RUSH) und Metal (FATES WARNING) Parts. Dazu Samples (unter anderem aus der Berichterstattung zur Nuklear-Katastrophe in Tschernobyl 1986) und spacige Synthies. Doch all die genannten Namen sollen nur dem besseren Verständnis dienen, aus welcher stilistischen Vielfalt LORD VIGO am Ende des Tages ihren ureigenen, unverkennbaren Sound und ihren einzigartigen Klangkosmos kreieren. 

Die Songs sind trotz ihrer nach wie vor vorhandenen Opulenz und Inhaltsfülle eine ganze Ecke eingängiger geworden, ohne dabei in kommerzielle Untiefen abzudriften. Es ist nicht mehr ganz so viel Konzentration von Nöten, um dem roten Faden zu folgen, wie bei "Danse De Noir". Nichtsdestotrotz muss man sich auch anno 2022 vollkommen auf LOR VIGO einlassen, damit die Musik sich für die eigenen Ohren in ihrer ganzen Genialität entfalten kann. 

Die elf Stücke auf "We Shall Overcome" bilden noch mehr als bei allen anderen bisherigen Veröffentlichungen eine Einheit und fügen sich harmonisch zu einem perfekten großen Ganzen zusammen. Trotzdem komme ich nicht umhin, den Titeltrack ein wenig über die anderen Nummern hinaus zu heben. Der längste Song des Albums in nicht nur ein echter Hit und der Übersong der Scheibe. Er ist vielmehr ein nicht wirklich in Worte fassbares, musikalisches Klangerlebnis der Extraklasse. Fortunas Füllhorn gleich sprudelt dem Hörer hier ein unglaublicher Schwall an musikalischer Finesse, unzähligen Facetten und Elementen und jeder Menge Breitwand-Epik entgegen, dass es schier unmöglich ist, all das, was das Stück für die Gehörgänge (aber auch die Gehirnwindungen) bereithält, bereits im ersten oder zweiten Durchlauf zu erfassen.

Bei der Produktion von "We Shall Overcame" haben LORD VIGO einmal mehr die Zügel fest in der Hand behalten und die meisten Prozesse und Tätigkeiten selbst erledigt. Lediglich Patrick W. Engel, der auch schon "Danse De Noir" das abschließende Finish verpasst hat, wurde erneut mit der Endveredelung des Albums betraut. Und er hat seine Aufgabe einmal mehr mit Bravour erfüllt.

Fazit:

Die Landstuhler präsentieren uns mit "We Shall Overcome" den Nachfolger und (lyrisch) zugleich das Prequel zu "Danse De Noir", dessen Titel mehr als zutreffend für den Inhalt der neuen Scheibe steht ("Wir werden siegen/überleben/bestehen"). Denn erneut beweist das Trio um Vinz Clortho, dass der Name LORD VIGO für musikalische State-of-the-Art-Qualität steht, die in ihrem lyrischen und stilistischen Konzept ihres Gleichen sucht. Vom Epic Doom der Anfangstage hat man sich erneut ein Stück weiter entfernt, Epic Sci-Fi Metal beschreibt das heutige Klanguniversum von LORD VIGO wohl etwas besser. Wer Anspruch und Hochwertigkeit sowie Tiefe in der Musik seiner Wahl sucht, ist bei "We Shall Overcome" bestens aufgehoben. Und durch die die gesteigerte Eingängigkeit der Stücke, dürften LORD VIGO sich zu ihrer bestehenden Fanbase sicher einige neue Hörerschichten erschließen können. Very good job, meine Herren!



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Ernst Lustig (13.07.2022)

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