IGNITE - Ignite

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VÖ: 25.03.2022
Bandinfo: IGNITE
Genre: Hardcore
Label: Century Media Records
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Lineup  |  Trackliste

Es ist oft ein Kreuz mit diesen Self-Titled-Alben. Das für mich heute schon (oder immer noch) legendäre "Helloween" beispielsweise erhielt seinen Titel völlig zurecht. Die Norweger ABBATH mussten "Abbath" "Abbath" taufen, weil Abbath sonst wahrscheinlich Rabatz gemacht hätte. Bei SATYRICONs "Satyricon" schieden sich stellenweise die Geister, aber was soll man davon halten, dass IGNITE ihr neues Album offensiv "Ignite" tauften? Den einmaligen Joker zu ziehen, ein Opus mit dem Namen der Band zu betiteln und ihm damit die ultimative Repräsentation der eigenen Bandhistorie anzuvertrauen? Und das ausgerechnet, nachdem mit Zoli Téglás die Stimme schlechthin von Bord gegangen ist? Ist es die selbstbewusste Vorwegnahme einer fulminanten Wiedergeburt, der Versuch einer Neudefinition oder vielleicht doch nur ein verzweifelter Marketing-Schachzug im Schatten fortgeschrittenen Realitätsverlusts?

Ein Stück weit back to the roots, doch im Schatten der eigenen Vergangenheit

Soviel vorweg: nach knapp dreißig Jahren ein Album ohne Zoli Téglás "Ignite" zu taufen, erscheint mir in erster Linie realitätsfern und in gewisser Weise sogar anmaßend. Hat doch besagter Frontmann den Stil dieser besonderen Band maßgeblich mitgeprägt und sich dabei als derart Signatur-definierend erwiesen, dass sogar die kompositionssteifen PENNYWISE durch sein kurzes Gastspiel vorübergehend zu einer Art IGWISE oder wahlweise PENNYWITE wurden. Insofern ist es schwer nachzuvollziehen, dass IGNITE diese unumstößliche Tatsache nahezu ignorieren und damit auch einen Teil ihres eigenen Ausnahmestatus zu verleugnen scheinen.

Aber lassen wir ab von Spekulation und Stammtisch-Evaluierung und kommen zu den musikalischen Fakten: musikalisch orientieren sich IGNITE wieder stärker am (Melodic) Hardcore früher Tage und gehen damit ein Stück weit back to the roots. Und dies führt unterm Strich dazu, dass IGNITE urplötzlich nach allem Möglichen klingen, aber nicht mehr originär nach IGNITE. Nicht nur, dass mir nach dem ersten Spin noch einmal schlagartig bewusst wurde, wie sehr Zoli Téglás doch das Klangbild seiner ehemaligen Band prägte und dominierte. Nein, dadurch, dass die OC-Formation jetzt auch andere Töne anschlägt, könnte man glatt meinen, der Rest der Band hätte nach dem Split eine neue Kapelle aus dem Boden gestampft.

Eine Band, die mit Tracks wie "Anti-Complicity Anthem" noch entfernt an IGNITE erinnert, aber fernab dieser beinahe diffusen Reminiszenzen viel mehr in Richtung RISE AGAINST, BAD RELIGION, ANTI-FLAG und Co. geht. Und leider auch eine Band, die zwar gute Songs schreibt ("The Butcher In Me" und "After The Flood" avancieren schnell zu den Hits der Platte und sicherlich auch zu zukünftigen Livehits), aber die durch Großkaliber der Marke "A Place Called Home", "Veteran", "Bleeding" und "This Is A War" selbst gesteckte Messlatte zu keinem Zeitpunkt mehr erreicht.

Und zu guter Letzt der unvermeidliche Vergleich des neuen Sängers Eli Santana (u.a. bekannt als Gitarrist von INCITE und HUNTRESS) mit seinem übermächtigen Vorgänger Zoli Téglás. Was soll man sagen? Es sollte doch von vornherein klar gewesen sein, dass die Nachfolge besagter Ikone ein Ding der Unmöglichkeit werden würde - als würde man versuchen, die leerstehenden Miefstiefel von Dirk Nowitzki einem Gartenzwerg zu vererben. Bitte versteht mich nicht falsch, ich will den guten Eli Santana nicht kleiner machen als er ist. Er ist ein guter Sänger und macht auch bei IGNITE einen anständigen Job. Er trällert mal auf der Wellenlänge von RISE AGAINSTs Tim McIlrath und mal auf den Spuren von - wer hätte es geahnt - Zoli Téglás. Aber so ungern ich es sage, die (zugegebenermaßen schwer zu erreichende) Klasse des Vorangegangenen tangiert er zu keiner Zeit.

Ist "Ignite" gleich IGNITE oder doch was völlig anderes?

Back to the roots hin oder her - was IGNITE unter dem Banner "Ignite" präsentieren, hat nicht mehr viel mit dem bekannten Backkatalog oder zumindest den letzten beiden Dekaden dieser Ausnahmeband zu tun. Gemessen an ihrer eigenen Historie überheben sich die Kalifornier an ihrem eigenen Gewicht - dieser Eindruck bleibt bestehen und wirft ein getrübtes Licht auf den neuesten Streich der Kultband. Wenn man diesen unausbleiblichen, ja schicksalhaften Gedanken jedoch einen Moment beiseite schiebt und sich dem Dargebotenen öffnet, wird man mit einem guten Punkrock / Melodic Hardcore Album belohnt. Einem Album, das man sich oft und laut durch die Lauscher pogen lassen und das man unter Garantie auch unter brennender Sonne und Bierfontänen abfeiern kann. Einem Album, das gelungen, tauglich und kurzweilig, aber eben nicht mehr so wirklich IGNITE ist.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (21.03.2022)

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