WIEGEDOOD - There's Always Blood At The End Of The Road

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VÖ: 14.01.2022
Bandinfo: WIEGEDOOD
Genre: Black Metal
Label: Century Media Records
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Lineup  |  Trackliste

Wenn dir auf einem WIEGEDOOD Longplayer bereits der erste Song gnadenlos und ohne jeden Kompromiss die halbe  Kauleiste aus dem Gesicht prügelt, dann...

...ja dann haben die Belgier definitiv an ihrem bisherigen Sound geschraubt! Waren die ersten drei Alben "De doden hebben het goed ! - III" (2015, 2017, 2018) in den Gefilden des zwar rauen, harschen, aber dennoch atmosphärischen Black Metal zu verorten und mit einem engen stilistischen Korsett versehen (jedes Album bestand aus vier mehr oder weniger überlangen Songs und einem inklusiven Titeltrack), so erscheint die Band nunmehr jenseits der selbst angelegten Fesseln der beendeten Trilogie geradezu von der neu gewonnenen Freiheit entfesselt zu sein. Dies und  durch mittlerweile zwei pandemische Jahre (ohne Liveauftritte, dafür aber mit zu viel Zeit) aufgestauter Frust und angesammelte Aggression lassen WIEGEDOOD der Hörerschaft ein wütendes, ultrabrutales Album präsentieren, das gefüllt ist von konzentrierter Raserei, musikalischem Gift und einer nicht enden wollenden Myriade an fiesen und tödlichen Riffs. 

Nicht nur der nach einem belgischen Gewehr betitelte Opener "FN SCAR 16" bewegt sich geschwindigkeitstechnisch jenseits der 200er Marke, nein gleich das gesamte Eingangs-Triple hyperblastet aus den Boxen, als gäbe es kein Morgen. Erst "Until It Is Not" bringt ein wenig Normalität in Form bekannter Trademarks zurück, so beinhaltet der Song mehr Harmonien als das gesamte Starter-Trio und kann somit für WIEGEDOOD Verhältnisse direkt als eingängig bezeichnet werden.

"Now Will Always Be" ist schlagzeugdominiert und abseits der typischen flirrenden Gitarrenteppiche beherrscht von sehr differenziertem Saitenspiel. Darüber legt sich eine Art ritueller Gesang, den man so eher aus der WARDRUNAHEILUNG Ecke her kennt. Danach folgt mit "Wade" eine akustisch-experimentelle Interlude, die das Schlussdrittel von "There's Always Blood At The End Of The Road" einleitet.

Und hier wird es dann auch direkt wieder ultra-aggressiv. Wütende Hyperblasts paaren sich in "Nuages" mit Dissonanzen und progressiver Boshaftigkeit. "Theft And Begging" schließt sich nahtlos an. Man könnte meinen, beide Songs bilden eine nur durch ein Break getrennte Einheit.

Der Albumcloser "Carousel" schließlich ist ein wilder, aber wieder etwas versöhnlicher Bastard aus "Until It Is Not" und "Now Will Always Be", in dem WIEGEDOOD zudem auf die Erzeugung von Atmosphäre durch die Monotonie der Wiederholung des Hauptmotives setzen.

Wie auch immer, nach dem abrupten Ende des Rausschmeißers lässt die aktuelle Dreiviertelstunde musikalischer Brutalität der Belgier den Großteil der Hörerschaft erst einmal mit offenem Mund aber sprachlos zurück. "There's Always Blood At The End Of The Road" mit seinem deutlichen Stilbruch im Vergleich zur Vorgänger-Trilogie ist anders und vor allem in den ersten Durchläufen äußerst unbequem zu hören. Aber das ist von der Band auch so gewollt und spiegelt sich auch auf der lyrischen Ebene wider. Die Texte bilden keine albumumfassende Einheit mehr, sondern stehen losgelöst von einander für sich. Inhaltlich entfernen sich WIEGEDOOD vom textlichen Konzept der "De doden hebben het goed" Trilogie. Auf "There's Always Blood At The End Of The Road" geht es um "... die ekelhaftesten Seiten der menschlichen Natur und der Gesellschaft und über den Kampf, den wir in uns selbst führen, indem wir versuchen, die Tatsache zu überwinden, dass wir alle aus demselben Schmutz gemacht sind ... Insgesamt geht es nicht darum, sich hinzulegen, sondern wieder aufzustehen. Den Schmerz anzunehmen und ihn zu überwinden, anstatt sich von ihm bestimmen zu lassen..." 

Fazit:

"There's Always Blood At The End Of The Road" unterscheidet sich doch sehr von seinen Vorgängern und ist definitiv kein Album zum nebenbei hören. Und das nicht nur mal dann die neun Tracks wie schwermetallischer, fünf Kilometer langer Güterzug auf Superhighspeed mit 300 Sachen an einem vorbei rauscht. Die Garstigkeit der neuen Scheibe und das Gift, das nur so aus der Musik herauszischt, braucht Zeit und Muße, um sich entfalten und vom Hörer Besitz ergreifen zu können. Der vierte Longplayer von WIEGEDOOD ist nicht schön, sondern sehr unbequem geworden, aber in seiner perversen Hässlichkeit auch saugut!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Ernst Lustig (17.01.2022)

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