FORMEL 1 - Auf dem Weg nach oben (1982-1987)

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VÖ: 06.12.2021
Bandinfo: FORMEL 1
Genre: Heavy Metal
Label: German Democratic Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

"Der Edelrocker, Lemmy, ja so ruft man ihn
Kommt aus dem Prenzelberg, der Seele von Berlin
Trägt nur schwarzes Leder, mit Nieten reich bestückt
Die, die ihn nicht kennen, sagen, der ist ja verrückt...

Sieht er auch stahlhart aus, hat er kein Herz aus Metall
Und auch im Kopf ist er glasklar
Er liebt das Leben, ja doch, auf seine Art
Auf keinen Fall so stinknormal..."


Diese erste Strophe und der Chorus stammen aus dem Stück "Der Edelrocker", der Nummer der Ostmetal-Legende FORMEL 1, die ich in der ehemaligen DDR im zarten Alter von zwölf Jahren 1986 zum ersten Mal gehört und damals direkt verinnerlicht habe. Wenig später bekam ich von meinen Eltern die LP "Live Im Stahlwerk" geschenkt, und nach dem ersten Durchlauf wusste ich - Heavy Metal würde jetzt nun an für alle Zeit mein Leben bestimmen. Nun, was soll ich heute, dreieinhalb Dekaden später sagen? Genau SO ist es gekommen!

Das Ostberliner Quintett war und ist unbestritten die berühmteste Metal Band der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, und Wolle, Paule & Co. werden bis heute von ihren Fans verehrt und gefeiert. FORMEL 1 war (neben BABYLON und den Hardrockern BERLUC und PRINZIP) die einzige Metal Combo, die zu DDR-Zeiten ein Full Length Album aufnehmen konnte. Im Fall von FORMEL 1 hieß die Scheibe, wie oben bereits erwähnt, "Live im Stahlwerk" und enthielt den Konzert-Mittschnitt der denkwürdigen Auftritte im Kulturhaus der Stahl und Walzwerker 'Wilhelm Florin' in Berlin-Hennigsdorf am 2. und 3. März 1986. Neben acht Eigenkompositionen waren auch zwei Cover von Metal Schwergewichten jenseits des Eisernen Vorhangs vertreten, nämlich "Breaking The Law" von JUDAS PRIEST und "Hallowed Be Thy Name" von IRON MAIDEN. Diese Scheibe war für mich einerseits die Initialzündung in Sachen Liebe zum Metal, und die Cover weckten andererseits meine Neugier auf die harten Bands aus dem Westen.

FORMEL 1 konnten neben ihrer Live-LP auch noch zwei Singles und etliche Rundfunk-Aufnahmen produzieren, was ihre Präsenz im Jugendradio der DDR, dem Sender DT64, natürlich erhöhte und so den Bekanntheitsgrad der Berliner immens vergrößerte. Hinzu kamen Auftritte im DDR-Fernsehen, vornehmlich in der Jugendmusiksendung RUND.

Der Weg auf der Karriere-Leiter führte die Band von 1981 an tatsächlich immer weiter nach oben. Eine zweite LP war bereits in Planung, doch dann war 1987 Schluss. FORMEL 1 gaben am 14. Dezember 1987 ihr Abschiedskonzert in Berlin, weil "...die Offiziellen der Kreativität von FORMEL 1 nur Passivität entgegenhielten. Heavy Metal ist nur ein geduldetes Übel. ... Weil die Leute, die zu Heavy Metal-Konzerten gehen, nicht so richtig in das frohe Jugendleben der DDR passen, ist die Musik von den Leuten, die was zu melden haben, zum Scheitern verurteilt…" (aus einer Fanbrief-Antwort von Norbert Schmidt). Paule Fincke und Norbert Schmidt hatten die Schnauze voll vom System und Ausreiseanträge zum Verlassen der DDR gestellt, die 1988 und 1989 bewilligt wurden.

1999 versuchte es die Originalbesetzung mit einer Re-Union, die allerdings (leider) auf ein zu geringes Echo stieß, sodass 2000 das Kapitel FORMEL 1 endgültig beendet wurde.

In der Folgezeit gab es noch zwei erwähnenswerte Veröffentlichungen, zum einen 2008 eine erstklassige 5 LP Vinyl-Edition des musikalischen Schaffens von FORMEL 1 auf dem Label Immortal Vinyl Records und 2009 eine CD mit dem Titel "Die größten Hits" (unter dem DDR Label AMIGA vertrieben, dessen kompletter Bestand allerdings von Sony Music gekauft wurde), die im Wesentlichen die Tracks des Live-Albums von 1986 enthielt. Beide Veröffentlichungen sind seit Ewigkeiten ausverkauft und mittlerweile begehrte Raritäten.

Doch zum Glück gibt es ja noch Hendrik Rosenbergs Label German Democratic Records, mit dem sich der in Thüringen aufgewachsene Wahl-Nürnberger dem Erhalt, dem Andenken und der Wiederveröffentlichung der metallischen Klänge aus der "Zone" sowie dem Release von aktuellen Ostmetal Bands verschrieben hat. Und so nahm er das in 2021 datierte 40-jährige Jubiläum der Bandgründung von FORMEL 1 zum Anlass, eine umfassende und komplette Werkschau des musikalischen Schaffens der Ostberliner Metal-Urgesteine zu erstellen und diese erstmals auf CD zu veröffentlichen. Es wurden keine Kosten und Mühen gescheut, und mit Hilfe der Band-Mitglieder und der Genehmigung von Sony und des Deutschen Rundfunkarchivs konnte das ambitionierte Vorhaben tatsächlich in die Tat umgesetzt werden.

Für die Audio-Restauration des Materials und das Mastering der beiden Silberscheiben konnte man keinen geringeren als Produzenten- und Regler-Legende Patrick W. Engel gewinnen, der aus den alten Aufnahmen wirklich das letzte Quäntchen Qualität heraus geholt hat.

Zu hören gibt es auf der ersten Disk sämtliche FORMEL 1 Studio-Aufnahmen, sowie das Demo von "Kreuzritter" (erstmalige Veröffentlichung) und die Live-Version von "Vorurteil" (ebenfalls eine Premiere). Lediglich das seit langem verschollene Stück "Tramperleid" und die beiden Songs "Heavy Metal" und "Wahnsinnsträume" (beide auf der Live-LP enthalten und bereits auf CD erschienen) fehlen auf der vorliegenden Kompilation. Die beiden letztgenannten Tracks existieren leider nicht als Studioversionen, und "Tramperleid" konnte trotz aller Bemühungen nicht aufgetrieben werden. Aber auch so ist "Auf dem Weg nach Oben (1982 - 1987)" ein musikalischer Leckerbissen, auch und gerade wegen der zweiten CD, die den Konzertmitschnitt des Auftritts in der NVA-Kaserne Lehnitz 1985 zum ersten Mal in voller Länge enthält (mit einem begnadeten Cover von IRON MAIDENs "Rime Of The Ancient Mariner"!), und dazu noch drei weitere Livezugaben aus dem Jahr 1984.

Fazit:

"Auf dem Weg nach Oben (1982 - 1987)" ist ein wirklich großartiges Jubiläumsgeschenk geworden, sowohl für die ehemaligen Bandmitglieder von FORMEL 1 als auch für deren Fans. Dank Hendrik Rosenberg und German Democratic Recordings konnte eine weitere wichtige Ostmetal-Erinnerung erhalten, neu veröffentlicht und für die Zukunft konserviert werden. Alle, die die Geschichte des Metal in der ehemaligen DDR interessiert, sollten hier unbedingt mal ein Ohr riskieren! Henrik Rosenberg hat in diesem Jahr zum 15-jährigen Bestehens seines Labels auch noch den Sampler "15 Jahre G.D.R. - Ost-Metal von damals bis heute" veröffentlicht, der einen exzellenten Überblick über die bei G.D.R. vertretenen alten und neuen Ostmetal Bands bietet und der gratis im Label Shop (lediglich Versandkosten fallen an) zu haben ist.



Ohne Bewertung
Autor: Ernst Lustig (31.12.2021)

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