MISANTHUR - Ephemeris

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VÖ: 15.10.2021
Bandinfo: MISANTHUR
Genre: Atmospheric Black Metal
Label: Eigenproduktion
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Lineup  |  Trackliste

Irgendwie fröstelt es einen, wenn man MISANTHURs "Ephemeris" abspielt. Ein kalter Luftzug flitzt einem an den Zehen vorbei und hinein ins Nachthemd. Okay, es ist nicht gerade Hochsommer, aber nachdem ich die Scheibe gestartet hatte, sah ich mich ernsthaft nach der warmen Decke um. Ich möchte mich gar nicht an die ganzen vollmundige versprochenen musikalischen Frosttode diverser Black Metaller dieses Jahr zurückerinnern. Statt Gefrierbrand lösten diese nämlich meistens Tiefschlaf aus. MISANTHUR sind viel zu Mainstream und unauthentisch, lahm und überproduziert für den ultraradikalen, kalkweißgesichtigen, truen Schwertschlucker, erzeugen aber trotzdem eine ausgeprägte Unterkühlung.

"Ephemeris" ist gespickt mit klaren Gesängen, surrenden Elektro-Saiten und traurigen Melodien. Echte Gewalt kommt so gut wie gar nicht auf, entfachte Growls lodern oft auf Sparflamme und der Drumcomputer reißt auch aufdreht keinen Stuck von der Decke.

"Enter The Void" ertönt recht unscheinbar, entwickelt sich jedoch zu einem variationsreichen Achtminüter. Dark Metal Einstieg, nach exakt zwei Minuten erhebt er sich plötzlich zu einem mächtigen Doomer, bei Minute 3:45 ändert er erneut seine Richtung, nimmt die meisten Instrumente raus, fingiert einen Flügel und schmiedet nun im Midtempo Schwarzmetall.

"Dense Mental Trace" hält ungewöhnlich lange an der Komposition vom ersten Song fest - erst nach zwei Minuten von den 2:48 Minuten wechselt er in kaum hörbaren Ambient. Eigentlich überflüssig, dieses Segment von "Enter The Void" zu trennen.

"On the Heights Of Despair" semmelt sich anders als die anderen Nummern kerzengerade und ohne Umwege über die Bühne.

"Essence" setzt Gast-Vocals von Agnieszka Leciak in die von MISANTHUR kreierten Dreamscapes. Der Frage, ob hier über Jahrzehnte bewährte Formeln zum Einsatz kommen oder nicht, kann erst nachgegangen werden, wenn der lasziv ambivalente weibliche Gesang einen mit dem Ausklang aus seiner Umarmung befreit. Was war die Frage nochmal? Dann kann sie ja nicht so wichtig gewesen sein. Highlight!

"Black Clouds & No Silver Linings" verarbeitet seinen Unmut mit tiefer gestimmten Growls in verträumten Sound-Blasen, in welche ultrakurz Metal Riffs hineinstechen.

"Ephemeris" stimmt blecherne Romantik an, die sich an sphärischen Hintergrund und verzweifelte Schreie heftet.

"The Serpent Crawls" weist nicht nur Gothic-Death-Anteile, sondern auch einen seltsamen Beat im Hintergrund auf. Gegen Ende kommt für Freunde wütender Schmettereien wieder Geschwindigkeit ins Spiel.

"Crush The Stone With The Sea" startet mit Möwengesängen, möchte den geneigten Headbanger aber nicht lumpen und liefert ihm noch einmal die nötige Motivation, die Matte auszuschütteln.

MISANTHUR haben sich mit ihrem Werk definitiv bewährt. Die größte Überraschung an "Ephemeris" ist, dass es ohne große Überraschungen so einen prägnanten grauen Klecks erzeugen kann, der positiv im Gedächtnis haften bleibt.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Daniel Hadrovic (15.12.2021)

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