HAMMERFALL - Renegade 2.0

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VÖ: 12.11.2021
Bandinfo: HAMMERFALL
Genre: True Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste

Auch wenn meine persönliche Geschichte mit HAMMERFALL eigentlich erst mit "Crimson Thunder" und "Chapter V: Unbent, Unbowed, Unbroken", den beiden kommerziell wohl erfolgreichsten, gleichzeitig aber auch im eigenen Fanlager sehr unterschiedlich rezipierten Werken, begann, kann ich natürlich nicht verleugnen, dass spätestens im Nachhinein auch "Glory To The Brave" und "Legacy Of Kings" wahrhaft großen Eindruck hinterließen. Obschon es gar nicht so schlecht aufgenommen wurde, schien es immer so, als würde man das dazwischenliegende "Renegade" etwas stiefmütterlich behandeln, was in meinem Fall allerdings nicht am Songmaterial, das bärenstark ist, liegt, sondern am etwas schwachbrüstigen Wagener-Sound, mit dem ich einfach nie warm werden konnte. Als man nun, (fast) pünktlich zum 20-jährigen Anniversary des Albums (man ist ja nur ein Jahr zu spät), ein von Fredrik Nordström komplett neu abgemischtes und gemastertes, zudem mit brandneuem Andi-Marschall-Artwork versehenes Re-Release ankündigte, war ich selbstredend dementsprechend gehyped

Natürlich bin ich nicht tief genug in der Materie oder nah genug an der Band, um seriös einschätzen zu können, ob das nun ein Eingeständnis ist, dass der damalige Produzententausch keine allzu glorreiche Idee war, aber man muss natürlich konstatieren, dass hier nicht zum ersten Mal in das berüchtigte Göteborger Studio Fredman zurückgekehrt wird, sondern man das nach dem größtenteils misslungenen "Infected" auch schon tat, was, nebenbei bemerkt, leider von mäßigem Erfolg und teils arg sterilen Klängen "gekrönt" wurde. Betrachtet man all das aus einer anderen Perspektive und bezieht die stilistische Ausrichtung eines "Renegade" mit ein, kann man die Reise zu Michael Wagener, der zu diesem Zeitpunkt ja immerhin schon mit nicht ganz unwichtigen Bands wie METALLICA, MEGADETH, HELLOWEEN, ACCEPT oder auch SKID ROW zusammengearbeitet hat, durchaus verstehen. Eine solche Gelegenheit bietet sich eben nicht alle Tage und im Endeffekt deutete sich auf diesem Album bereits der große kommerzielle Durchbruch und Erfolg der kommenden Jahre an. 

Kurz und knapp: "Renegade" war für mich schon immer die nahezu perfekte Mischung aus dem hymnischen Heavy Metal der Anfangstage, einer Prise Hard Rock und dem etwas massentauglicheren, powermetallischeren Ansatz eines "Crimson Thunder" - und mit dem Soundupdate eines "Renegade 2.0" ist es auch endlich hochgradig genießbar. Ich bin kein Freund von halbgaren Wiederveröffentlichungen, weswegen ich von "Renegade 2.0" auch besonders angetan bin, da wir hier bei den Unterschieden nicht von Nuancen, sondern Welten sprechen. HAMMERFALL und der typische Nordström-Klang mit Wumms und etwas Hall sind für mich, auch wenn die Ausflüge mit Charlie Bauerfeind teilweise ganz in Ordnung waren und die größtenteils mittelprächtigen Werke seit "(r)Evolution" eine andere Sprache sprechen, einfach unzertrennlich - und das beste Argument dafür ist die Tatsache, dass das zehn Songs starke Hitfeuerwerk auch umgehend in diesem runderneuerten Korsett funktioniert. Klar, wenn sich Unterhaltungen um HAMMERFALL und ihre ikonischen Songs drehen, wird man tendenziell eher die üblichen Verdächtigen genannt bekommen, aber bei Ohrwürmern à la "Templars Of Steel", "The Way Of The Warrior", "A Legend Reborn" oder auch "Keep The Flame Burning" stellen sich Gänsehaut und das Verlangen, all diese auch mal live erleben zu dürfen, ein. Und dazu ist "Renegade" auch noch eines der wenigen Alben in der Diskographie, bei dem mir sogar die Ballade ("Always Will Be") und das Instrumental ("Raise The Hammer") zusagen, was aber auch daran liegen mag, dass die früheren Alben eine Atmosphäre bzw. Stringenz hatten, worin wirklich jeder Song seinen, jede Idee ihren logischen Platz einnahm. Das fehlt den Schweden heute leider größtenteils.

Somit ist "Renegade 2.0" zweifelsohne das beste HAMMERFALL-Album seit "No Sacrifice, No Victory" und wenn man das von einem Re-Release behauptet, spricht das natürlich für sich. HAMMERFALL haben sich in den letzten Jahren an Denkmalpflege versucht und sind damit nicht per se gescheitert, doch richtig erfolgreich war diese Rückkehr zu den Tugenden auch nicht, weil vieles aufgewärmt und etwas leidenschaftslos klang. Live sind Joacim Cans, Oscar Dronjak und Co. immer noch sehenswert, aber ein Studioalbum von der hohen Qualität eines "Renegade 2.0" sehe bzw. höre ich aktuell einfach nicht in Reichweite. Allerdings stimmt hier vom charismatisch hallenden und doch fetten Sound über die Leidenschaft bis hin zum Songmaterial auch einfach nahezu alles.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (05.11.2021)

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