REPLICANT - Malignant Reality

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VÖ: 10.09.2021
Bandinfo: REPLICANT
Genre: Death Metal
Label: Transcending Obscurity Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Der Death Metal ist an und für sich ein ausgelatschtes Feld. Kaum ein Genre erfreut sich derart vieler Startups, Traditionspfleger, Nachahmer und Weiterentwickler wie die Zunft der brunftigen Großsäugetiere (abgesehen vielleicht von den waldverliebten Rabensängern aus Norwegen und Nachbarschaft (und den unzähligen Symphonic Metallern mit Damen am Gesang - der Kuschelmetaller)). Einige zelebrieren passioniert und gekonnt die Rezeptur der frühen Tage, andere leisten mit ungekannten Stilausprägungen Pionierarbeit...und nochmal andere (und das sind beileibe nicht wenige) überfluten die Promopostfächer dieser Welt mit belanglosem und zuweilen auch anstrengenden Geklöppel. Hierbei führen besonders die Attribute "technical" und "dissonant" zu regelmäßigen Schüttelfrost- und Reizdarmattacken. Insofern war mein Griff zur zweiten REPLICANT-Scheibe gleichermaßen Coverkauf als auch Ausdruck latenter masochistischer Tendenzen.

Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend verfluchen - denn die Replikanten machen im technisch-dissonanten Sektor einen vergleichsweise guten Job und das einzig Richtige: nicht nur auf Technik und Dissonanzen setzen. Selbstredend übt sich auch das Trio aus New Brunswick in der typisch disharmonischen Klanglehre, für die zahlreiche ähnlich gelagerte Bands bekannt sind: unübersichtliche Songstrukturen, vertrackte Riffs, verknotete Tieftönersaiten und Riffs, bei denen man nicht unterscheiden kann, ob sie aus bewusst dissonanten Akkorden bestehen oder aus einem alkoholisch bedingten Fehlgriff respektive einem verbogenen Gitarrenhals hervorgehen. Was den Hörer in vielen Fällen überlastet und häufig auch langweilt, wird im Fall der New-Jersey-Techniker auf ein vertretbares Maß reduziert, wobei die hierdurch freiwerdenden Sequenzen der Songarchitektur durch bekömmlichere Kost ersetzt werden.

So finden sich in den Songs der Truppe auch Elemente aus klassischem Elchtod, Groove Metal und in weitestem Sinne auch Deathcore. Damit gibt es auf "Malignant Reality" (im Gegensatz zu manch anderem Opus des Subgenres) tatsächlich mal was zu entdecken. Der groovige und für Genreverhältnisse schon beinahe harmonische Opener "Caverns Of Insipid Reflection" zum Beispiel zeigt, dass man mit sorgsam dosierten Misstönen in der Partitur durchaus mehr Wirkung erzielen kann als die Krampfkontraktion nicht vorhandener Schließmuskeln im Innenohr. Auch die zahlreichen Breakdowns in "Relinquish The Self" oder "Dressed In Violence" sorgen für einen beachtlichen Moshfaktor und machen das vertonte Chaos über einen Großteil des Wettbewerbs hinaus genießbar. Zudem bietet das Organ von Michael Gonçalves - halb grunzend, halb hechelnd und jeglichen Frohsinns entbehrend - einen akustischen Aufhänger, den so bestenfalls Martin van Drunen überbieten kann.

Insoweit (und auch in Anbetracht der sauberen und ausgewogenen Produktion) sind REPLICANT mit "Malignant Reality" vielen ihrer Marktbegleiter einen Schritt voraus. Durch die weniger einseitige und auf Nerventortur getrimmte Komposition ist das Trio in der Lage, neben kakophonen Junkies und ausgemachten Gehörgangsmasochisten auch den Durchschnitts-Extrem-Metaller zu erreichen. Das macht sie sympathisch und interessant - aber anstrengend bleibt ihre Kost dennoch...zumindest ein kleines Bisschen.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (08.09.2021)

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