DIE APOKALYPTISCHEN REITER - The Divine Horsemen

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VÖ: 02.07.2021
Bandinfo: DIE APOKALYPTISCHEN REITER
Genre: Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste

Eine halbe Ewigkeit begleiten mich DIE APOKALYPTISCHEN REITER nun schon auf meinem Lebensweg und wenn man mich nach einer Konstante im Kunstschaffen der Weimarer fragen würde, dann würde ich zweifelsohne den Wahnsinn nennen. Bei anderen Bands würde man es Mut nennen, bei den Reitern ist es der Wahnsinn. Keine imaginären Grenzen, kein Album gleicht wirklich dem vorherigen. Stattdessen wird immer wieder experimentiert, mit unterschiedlichen Stilen, vor allem aber auch Kulturen. Vielen mag das Spektrum mittlerweile zu breit angelegt sein, aber ich verspüre immer wieder eine große Freude, wenn das Quintett eine neue Idee umsetzt - selbst dann, wenn sie mir geschmacklich nicht unbedingt zusagt. "The Divine Horsemen" ist eines dieser vielen Experimente. Eines, das wohl schon länger in den kreativen Köpfen irrlichtete. Eines, dessen Verwirklichung nun durch das Pandemiegeschehen möglich wurde. Eines, das möglicherweise gar nicht so viel Aufmerksamkeit generieren wird, diese aber absolut verdient hätte.

Was also ist "The Divine Horsemen" überhaupt? Ein neues Album, ja, aber eben keines mit gewöhnlichem, professionellem Entstehungsprozess. Kein Songwriting im eigentlichen Sinne, in dem man sich Ideen hin und her schickt oder im Studio erarbeitet, gemeinsam mit dem Produzenten an Songs feilt oder Fragmente in die richtige Reihenfolge bringt. Dementsprechend wird man unter den fünfzehn Stücken auch keines finden, das geläufigen Schemata (wie etwa dem Hinarbeiten auf einen Refrain o.Ä.) folgt, sondern überwiegend improvisiertes Proberaum-Viben als spannende Abwechslung zum herkömmlichen Studioalbum. Warum überwiegend? Weil ich überzeugt davon bin, dass eine Band wie DIE APOKALYPTISCHEN REITER, mit all dem Erfahrungsschatz, den sie in ihrer über 20-jährigen Karriere angesammelt hat, selbst in einer Jamsession den eigenen künstlerischen Entwicklungsprozess nicht hundertprozentig ausblenden kann und daher nicht ganz so strukturlos-wild durch den Keller rumpelt, wie das bei einer unerfahrenen Jugendband der Fall ist.

Trotzdem kehrt "The Divine Horsemen" deutliche Unterschiede zu seinen Vorgängern heraus. Die stilistische Vielfalt ist immer noch immens, aber die verschiedenen Extreme werden, nunja, extrem betont. Das heißt: Die Reiter scheren sich hier nicht um irgendein Gleichgewicht, das dem Gesamtwerk dient. Und dennoch hat man durch die konsequente Aufnahme an zwei aufeinanderfolgenden Tagen erreicht, dass alles mehr oder minder dieselbe Atmosphäre transportiert. Auf "The Divine Horsemen" wird also einerseits kurz und bündig geknüppelt ("Tiki", "Salus", "Amma Guru", "Nachtblume" und "Haka" z.B.), andererseits aber auch in sehr langen Kreationen den Tribal-Klängen und dem Ambient gedient ("Inka", "Duir" und "Uelawa" z.B.), was nicht selten an ein "Vom Ende der Welt..." ("All You Need Is Love", 2000) erinnert.

Ohne mich jetzt zu sehr in der Detailanalyse zu verlieren: "The Divine Horsemen" wird nicht zwingend polarisieren, aber gemischte Reaktionen hervorrufen. Und das verstehe ich auch vollkommen, denn im Grunde war das bereits mit der Ankündigung offensichtlich. Manchen wird - wir sprechen immerhin von einer Spielzeit von 78 Minuten - entschieden zu lang sein und zu sehr nach Jamsession klingen. Manchen wird es trotz diverser Längen einigermaßen gefallen. Manchen, und zu diesen zähle ich mich, wird das eine willkommene Abwechslung, ein authentisches Tondokument sein, an dem nichts poliert wurde und das von der ersten bis zur letzten Sekunde ein fesselndes Erlebnis bietet. So oder so bin ich aber fest davon überzeugt, dass es den Reitern auch für den weiteren Verlauf ihrer Entwicklung und Karriere gutgetan haben könnte, dass man die üblichen künstlerischen Verhaltensmuster loslassen und einfach mal sämtliche Ideen entfesseln konnte.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (29.06.2021)

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