HIRAES - Solitary
Bandinfo: HIRAES
Genre: Melodic Death Metal
Label: Napalm Records
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Lineup | Trackliste
Gitarre: Oliver Kirchner
E-Gitarre: Lukas Kerk
Bass: Christian Wösten
Schlagzeug: Mathias Blässe
02 Under Fire
03 Grain Of Sand
04 1000 Lights
05 Eyes Over Black
06 Outshine
07 Solitary
08 Strangers
09 Running Out Of Time
Nachdem mich ein gewisses Album seit einem Monat nicht mehr in Ruhe lässt, muss ich einmal ein kleines Wörtchen mit Euch darüber reden!
Der König ist tot - es lebe der König! Oder in diesem Fall: DAWN OF DISEASE sind tot - es lebe HIRAES! Vor anderthalb Jahren schrieb ich meine erste Rezension für Stormbringer. Damals noch als Gastautor. Weil mein Lieblings-Kollege Lord Seriousface mich damals gefragt hatte, ob ich nicht Lust hätte, mal was für SB zu verfassen, in diesem speziellen Fall ein Review zur bereits erschienenen neuen DOD-Scheibe, um ein geiles Album vor dem unbesprochenen Tod im Promo-Nirvana zu retten. DAWN OF DESEASE erhielten damals stattliche 4,5 von 5 Punkten für "Procession Of Ghosts". Das Ende vom Lied ist, ich bin sechzehn Monate später immer noch bei Stormbringer, DAWN OF DISEASE hingegen existieren leider nicht mehr.
Wobei das so nicht ganz richtig ist. Denn schließlich handelt es sich bei der Instrumentalfraktion der 2020 neu gegründeten Formation HIRAES um den kompletten, lediglich um den ehemaligen Säger Tomasz (der seine Stimmbänder mittlerweile (nur noch) bei NYKTOPHOBIA malträtiert) dezimierten DOD Kader. Der vakante Posten wurde mit Frontröhre Britta Görtz neu bestückt, die nebenbei noch bei CRITICAL MESS tätig ist und die sich ab 2005 ihre ersten Sporen bei der (leider nicht mehr existenten) Hannoveraner Todesblei-Combo CRIPPER verdiente.
Und nun? Haben wir mit HIRAES jetzt DAWN OF DISEASE 2.0? Die klare Antwort lautet: Jein! Natürlich kann man, wenn man Jahre/Jahrzehnte lang gemeinsam einen bestimmten Stil entwickelt hat und dadurch natürlich auch selbst von diesem geprägt wurde, gewisse Signaturen nicht einfach über Bord werfen, speziell wenn man sich nach wie vor im selben Genre bewegt. Und so umweht eine zarte Brise des DAWN OF DISEASE Geistes selbstverständlich das HIRAES-Debüt. Doch die Ex-DOD-Members haben ja nicht umsonst eben nicht mal nur den Sänger gewechselt. Das Ablegen des alten Bandnamens und das Firmieren unter dem neuen "Label" HIRAES markiert ganz klar auch einen Neuanfang.
Im Folgenden gilt es also, die Frage zu beantworten ob die vier gestanden Musiker plus die Neuzugängerin am Mikro tatsächlich frisch, frank, fröhlich und frei durchstarten, oder ob sich HIRAES leider nur als ein schwachbrüstiges laues Lüftchen erweisen.
So genug Spannung aufgebaut. Laues Lüftchen? Mitnichten! Bereits der mit seinen dreieinhalb Minuten kurz-knackige Opener "Shadows Break" lässt den Rezensenten in Begeisterungsstürme ausbrechen! Was für ein Einstieg! Großartige Melodien, die AMORPHIS zur Ehre gereichen, und eine Frontfrau, die, sobald sie mit ihrem mörderischen Organ zum ersten Mal aus den Boxen ballert, jeden Gedanken an ihren Vorgänger (sorry Tomasz!) vergessen lässt! Und dabei war "Shadows Break" ja nur zum Aufwärmen!
Das wahre Melodeath-Inferno bricht sich im Anschluss mit "Under Fire" Bahn! Die Nummer ist das erste Album-Highlight und an Intensität und treibendem Groove kaum zu überbieten. Die Hookline geht direkt ins Ohr, die ersten Nackenschmerzen bei den Headbangern sind vorprogrammiert. Und über allem thront Brittas Gesang, mächtig, bissig und doch erhaben.
Ach ja, um dieses leidige Thema schnell hinter uns zu bringen, JA, es gibt Parallelen zwischen HIRAES und ARCH ENEMY. Beide Bands haben eine Sängerin, die im gutturalen Bereich zu Hause ist. Und sowohl bei ARCH ENEMY (mehr) als auch bei HIRAES (weniger) finden sich im Sound immer wieder Elchtod-Anleihen. Und das wars auch schon. Während (auch wenn einige das nicht hören/lesen wollen) bei den Schweden, die für mich nie über ihren Zweitreihen-Bandstatus hinaus kommen werden, halt die Blauschopf-Optik Trumpf ist, liegt der Fokus bei HIRAES ganz klar auf der Musik. Erstklassiges Songwriting und eine Shouterin die mit ihrer Stimme, aber ebenso ihrer ganzen Person für mich 100 % Metal und Authentizität verkörpert und auch widerspiegelt. Doch damit genug zu diesem Thema, und zurück zu "Solitary".
Auch "Grain Of Sand" (mit einer dezenten IN FLAMES zu "The Jester Race" Zeiten Reminiszenz) und "1000 Lights" (mit einem Hauch INSOMNIUM) sind erstklassige Tracks, die die Hörerschaft mitnehmen und von der ersten bis zur letzten Sekunde fesseln. Danach braucht es lediglich ein paar Takte, und schon nach wenigen Sekunden kristallisiert sich heraus, dass wir es bei "Eyes Over Black" mit dem zweiten Album-Highlight zu tun haben. Eingängig, mit Melodien zum Niederknien und einem immensen Abwechslungsreichtum kredenzen und HIRAES hier einen Melodic Death Metal Leckerbissen der Extraklasse. Ähnliche Attribute treffen auch auf "Outshine" zu, das zuerst tempomäßig mit durchgetretenem Gaspedal startet, im Folgenden aber immer wieder stampfende und sogar schleppende Parts enthält. Als Sahnehäubchen fährt Britta hier eine unglaubliche Bandbreite in Bezug auf ihre Shouts auf.
Es folgt der Titeltrack. "Solitary" ist Aggression in Reinkultur, speziell die Shouts von Britta sind nicht von dieser Welt, darum dürften eine Reihe männlicher Kollegen sie heimlich weinend beneiden. Dazu fette Grooves, peitschende Blastbeats und erstklassige flirrende Melodien. Ja hier haben wir es eindeutig mit Album-Highlight Nummer drei zu tun!
"Strangers" beginnt verhalten und mit einem kurzen Clean/Whispering Vocals Einstieg. Doch schon nach kurzer Zeit präsentiert Britta dem Auditorium wieder ihr animalisches Organ, von dem der Track zu weiten Teilen getragen wird. Schlußendlich ist die Nummer ein guter aber trotzdem dem schwächste Song auf dem Album, wenn man hier überhaupt von schwach sprechen kann.
Das längste Stück ist gleichzeitig der Album-Closer. "Running Out Of Time" beginnt fast Black Metal lastig mit einer Götter-Melodie. Dann kündigt das Knurren von Wölfin Britta an, dass hier gleich der ganze Laden in die Luft fliegen wird. Und so kommt es nach gut viereinhalb Minuten des Schlusstracks tatsächlich zum Showdown, ehe HIRAES das Album in einer Art Hidden Track mit sanften Pianoklängen ausklingen lassen, die wieder einmal nicht von dieser Welt sind.
Fazit:
WOW! Ich war schon sehr traurig, als ich letztes Jahr die Nachricht von der DAWN OF DISEASE Auflösung erhielt. Und auch, wenn HRIAES (zum Glück!) nicht DOD 2.0 sind, der Geist dieser großartigen Band ist beim HIRAES Neustart immer noch präsent, und das ist gut so. Aber noch besser ist, das HIRAES auf ihrem erstklassigen Debüt, zwar mit einigen altbekannten (und bewährten) Signaturen im Gepäck, aber dennoch ihren eigenen Weg gehen. Dieser Weg heißt im Fall des talentierten und gestandenen Quintetts Melodic Death Metal der Extraklasse. Mit einigen skandinavischen Einflüssen, aber mit noch mehr eigenständigem Sound. Somit dürfen sich alle Interessierten bei "Solitary" auf ein wirklich großartiges Debüt freuen! Bitte unbedingt weiter so!
Ps.: Die grandiosen Pyros aus dem "Under Fire" Video möchte ich bitte unbedingt nächstes Jahr bei der HIRAES Show auf dem Summer Breeze Open Air LIVE sehen!!!