HARPYIE - Minnewar

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VÖ: 25.06.2021
Bandinfo: HARPYIE
Genre: Mittelalter Rock
Label: Metalville Records
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Lineup  |  Trackliste

Ja, HARPYIE sind eine der wenigen noch wirklich spannenden Bands aus dem zunehmend in selbstlimitierenden Gefilden herumdümpelnden Mittelalter-Metal-Sektor. Dabei nimmt der Fünfer aus NRW das „Metal“ in der Genrebeschreibung wirklich wörtlich und servierte zuletzt auf dem beim Rezensenten holprig gestarteten „Aurora“ wieder amtlich sägende Klänge, die sich wohltuend vom glattgebügelten Mitsingbrei abhoben. Mit dem was HARPYIE aber zwei Jahre später abliefern sollten, konnte niemand rechnen... irgendwie scheint einigen Bands die Lockdown-bedingte Kreativitäts-Quarantäne nicht) oder im Gegenteil sehr gut!) bekommen zu sein, denn es wurden Ideen geboren, die man nicht für möglich gehalten hätte. Die fünf HARPYIEn jedenfalls eskalieren komplett, indem sie ein Cover-Konzeptalbum auf Basis eines Sängerwettstreits („Minnewar“) auf die Beine stellen, in dem sie mit lockerer Hand Klassiker ihres eigenen Genres neu interpretieren und in ein abgefahrenes Cyberpunk-Universum werfen. Das muss man gehört (und gesehen!) haben.

Mit dem LUNA LUNA-Cover „Wenn ich tot bin“ geht es symphonisch und trotz einer kräftigen Wand an Riffs relativ harmlos los - der flotte Gute-Laune Song bietet einen leicht verdaulichen Einstieg in das Album. Aus dem verspielten „Tanz mit mir“ machen HARPYIE dann in Zusammenarbeit mit MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN ein groovendes Brett, das richtig einfährt. Auch dem „Spielmannsschwur“ von SALTATIO MORTIS wurde ein druckvolles und ziemlich brachial tiefergestimmtes neues Soundgewand gezimmert – und die Eier, die gecoverte Band selbst (!) als Gast mit an Bord zu nehmen muss man auch erstmal haben.  
Auch „Krabat“ von ASP  und „Rapunzel“ von LETZTE INSTANZ steht der moderne Anstrich von HARPYIE ziemlich gut zu Gesicht – speziell zweiteres entfaltet durchaus verstörende Wirkung. Und wann bitteschön hört man schon einmal „Es gibt nur Wasser“ von SANTIANO mit Breakdowns?

Aus dem Schunkelklassiker „Thekenmädchen“ von VERSENGOLD wird ein flotter Powermetal-Smasher, dessen hämmernder Kickdrum-Sound gar ein wenig Industrial-Feeling verbreitet, das sich in den reichlich heftig geratenen Riffs in den Strophen von „Blau wie das Meer“ (MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN) fortsetzt. Das fröhliche Gefiedel in Kombination mit den rüttelnden Klängen ist wirklich... speziell. Schräg, aber irgendwie auch sehr großartig.

Die drei wohl bekanntesten Genre-Hymnen haben sich HARPYIE bis zum Schluss aufgehoben. Das ohnehin schon vergleichsweise harte „Vollmond“ von IN EXTREMO kann da nicht mehr so arg viel zulegen – irgendwie hätte man hier mit heftigeren, harscheren Vocals gerechnet. SUBWAY TO SALLYs „Kleid aus Rosen“ bekommt knallharte Riffs spendiert aber hält sich ansonsten auch recht nahe ans Original – dass „Willst du“ von SCHANDMAUL dann zunächst als Klavierballade ums Eck kommt, vermag inmitten all der doch recht harschen Interpretationen doch noch zu überraschen. Irgendwie bleibt der Titel aber unspektakulär, bis auf den in der Tat episch geratenen Instrumentalpart kurz nach dem Bruch, in dem das Tempo angezogen wird.

HARPYIE gelingt mit ihrem Coveralbum „Minnewar“ ein durch die Bank spannendes Werk, das Klassikern der diversen Mittelalter-orientierten Strömungen der härteren Musik so einige neue Facetten entlockt. Gerade durch die Verbindung mit modernen Metal-Klängen gewinnen die sattsam bekannten Songs und versprechen viel Spaß – gerade bei gut gelaunten Partys haben die durch die Bank kreativen und teils herrlich abgefahrenen Interpretationen das Potenzial, für richtig Stimmung zu sorgen. Über Coveralben kann man natürlich immer geteilter Meinung sein (deshalb erfolgt auch keine Bewertung), aber wenn mit so viel Witz und Verve zu Werke gegangen wird, dann kann es gar nicht erst verkehrt sein. Mittanzen, sofort!



Ohne Bewertung
Autor: Anthalerero (18.06.2021)

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