HAMMERS OF MISFORTUNE - The Bastard

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VÖ: 09.07.2021
Bandinfo: HAMMERS OF MISFORTUNE
Genre: Progressive Metal
Label: Cruz Del Sur Music Srl (Soulfood)
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Lineup  |  Trackliste

Das Wichtigste zuerst: „The Bastard“ ist eine Platte, die HAMMERS OF MISFORTUNE 2001 auf den Markt warf. Kaum zu glauben, es ist ein Erstling (vorausgesetzt, „Unholy Cadaver“ wird ausgeklammert). Ein Re-Release steht an.

Aus purer Neugier habe ich in eine kommende Review aus einem nördlichen Nachbarlande rein gesehen und mich einigermaßen geärgert. Es ist mir egal, ob es keine Bonustracks gibt. Ich bin nur hier, um das Seiende zu bewerten. Wenn von Fantasy-Kitsch gesprochen oder die implizite Öko-Botschaft kritisiert wird, würde ich nicht mehr von Kritik, sondern von Abwertung sprechen.
Es handelt sich bei „The Bastard“ um ein Opus Magnum. Eines dieser untergegangenen Werke metallurgischer Alchemie, die heute weder geschätzt noch nachvollzogen werden können, sozusagen das fehlende Lösungsmittel, Alkahest, mittels dessen Heilmittel kreiert werden könnten.

Die vermeintliche Sperrigkeit der Musik ist eine unsichtbare Barriere, nichts weiter, die es zu überwinden gilt, dann, ja dann offenbart dieses mannigfaltige polyphone Universum seine Schönheit.  Es wird nicht mehr kategorisiert: Prog, Black, Heavy, Folk, Power, Klassik es ist alles eins und alles ist nichts. Diese Band schafft es, mit jedem weiteren Lied Hörer*innen zu überraschen und je öfter die Platte gehört wird, desto wertvoller wird sie.

Die Geschichte hinter diesem Konzept-Album ist eine klassische Findelkind-Geschichte, bzw. eigentlich nicht ganz, weil Fantasy-Elemente eingearbeitet wurden. Ein Säugling wurde von seinem Vater (oh weh, ein tyrannischer König) zum Sterben zurückgelassen. Der Sohnemann findet das nicht so groovy und selbst zum gereiften Manne entwachsen, schlägt er seinem Vater die Krone vom gesalbten Haupte und dieses sogleich ratzfatz dazu ab.

Klitzekleiner Exkurs: Die Geschichte von Uther Pendragon (in etwa: oberstes Haupt der Drachenkrieger), dem Vater von König Artus, ist zwar Mythos, ihren Ursprung hat sie jedoch in den kriegerischen Handlungen des 5. Jahrhunderts auf der Britischen Hauptinsel, als die Angeln und Saxen einfielen.
Vlad III., Beiname Drăculea (Sohn des Drachen) war ein hochrangiges Mitglied des Drachenordens von Kaiser Sigismund von Luxenburg und ob seiner Grausamkeit Vorlage für Bram Stokers Roman.
Wir lernen also aus der Geschichte: Ein enthaupteter Drache ist ein guter Drache.


Auszugsweise das erste dieses 14 Lieder umfassenden Werks, das in drei Kapitel unterteilt wurde, als würde es um ein mittelalterliches Heldenepos gehen.
The Dragon Is Summoned“: Es beginnt mit klassischem Heavy Metal, der von einer schneidigen Frauen-Stimme gesungen wird. Nach knapp einer Minute folgt ein Bruch, akustische Gitarre, die weibliche Stimme intoniert silberhell, worauf baldigst wieder elektrische Gitarre und Schlagzeug ins Geschehen eingreifen.
Die Abwechslung der musikalischen Stile, deren Grundkonstante sozusagen Metal ist, wird nicht nur durch die mannigfaltigen Stilwechsel determiniert, sondern die Sänger*innen dieser Band, deren Stimmen wahrlich markant intonieren, wechseln bzw. ergänzen einander in verschiedenen Tonhöhen oder bilden einen trinären Chor. Die Dosierung ist ohne Ausnahme genau die richtige. Ich könnte nicht ein Lied anführen, bei dem der Gesang nicht genau so ausgeformt ist, wie es nach meinem Empfinden klingen müsste.  Die 2:29 Minuten Länge sind leicht zu erklären: Die Lieder sind keine abgeschlossenen Einheiten, sondern es besteht ein fließender Übergang, sozusagen einen musikalischen Strom, der mal breit, mal tief, mal mittels Stromschnellen durch die Landschaft furcht.

Bei „Hunting Tyrant“ wurde gar über ein Metal-Riff eine Flötenmelodie gelegt. HAMMERS OF MISFORTUNE wissen, wie ich meine Deckung sinken lasse.

An Oath Sworn in Hell“ ist von klassischer Erhabenheit, denn es hybridisiert Metal mit klassisch anmutender bzw. mittelalterlicher Musik, wobei der oft duale bzw. sogar trinäre Gesang verteufelt gut ins Konzept passt.

Sacrifice/The End“ rückt mit Death-Metal-Intermezzos auf dem Schlachtfeld vor, flankiert von mehrstimmigem weiblichen bzw. männlichen Gesang in einer Eindringlichkeit, wie ich ihn selten gehört habe.


Fazit: Ein seltsames, gleichermaßen wunderbares Album, das in seiner kompositorischen und textlichen Erhabenheit keine Zweifel aufkommen lässt. Eine Frage, die ich mir selbst stelle: Wie kommen diese  Haudegen aus San Francisco dazu, mittelalterliches Heldenepos europäischer Tradition in dieser Form mit Metal in all seinen Schattierungen zu verquicken?

Was Kritik betrifft, halte ich selten hinter dem Berg, bei „The Bastard“ bleibt diese Waffe stumpf, denn selbst das holzschnittartige Cover bei dem Drachen mit einer Streitaxt zu Leibe gerückt wird, fügt sich nahtlos in dieses Gesamtkonzept. Schade, dass Bands wie HAMMERS OF MISFORTUNE, die seit mehr als zwei Dekaden aktiv sind, immer noch im Untergrund, sozusagen im Morast des Burggrabens, verweilen, sie hätten sich zumindest einen Platz auf dem höchsten Turme verdient oder besser als güldene Engel einer Kapelle, Posaune blasend.   


 



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Richard Kölldorfer (01.07.2021)

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