PARAM-NESIA - Aspect of Creation

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VÖ: 18.06.2021
Bandinfo: PARAM-NESIA
Genre: Technical Death Metal
Label: Eigenproduktion
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Lineup  |  Trackliste

Paramnesie ist der Gattungsbegriff psychopathologischer Erinnerungsstörungen (Flashback, Déjà-vu, False-Memory-Syndrom, etc.). Wird dieser nette kleine Kurz-Langspieler beim ersten Liede unberührt aufgeschlagen, „Aspect of Creation“ ist der zweite Longplayer, wird einem geschwind gewahr, warum PARAM-NESE heißen, wie sie heißen. Diese Kanadier hauen einem Todes-Metal um die Ohren, dass einem angst und bange wird, der Fehdehandschuh des Iron-Man ist ein flauschiges Massagegerät dagegen. Rhythmisch sehr anspruchsvoll und gleichwohl treffen unaufhörlich Schallwellen auf Trommelfelle, als ob der gesamte Petersdom mittels Presslufthammern in nur einem Tage abgetragen werden müsste.

Zum Gesang sei gesagt: Vor gar nicht allzu langer Zeit in einem bekannten Land, war eine österreichische Todes-Metal-Band sehr bekannt. Karl Fluch schrieb im Standard über eine PUNGENT-STENCH-Veröffentlichung, dass es sich hierbei um eine ambitionierte Band aus unserem Hoamatlandl handle, der Kurier meinte (Der Redakteur ist mir nicht mehr erinnerlich. Ich entschlage mich der Aussage.), PUNGENT STENCH klingen wie völlig durchgeknallte Kühe.
Was PARAM-NESE betrifft, das Timbre des Sängers schmiegt sich wunderbar an den musikalischen Untergrund. Das geht runter wie Öl, Scheiterhaufen hin oder her, so muss Todes-Metal bolzen. 

Pestilence Of Man“ Zuerst zur musikalischen Ausformung: knüppeldicker Death Metal; Schlagzeug, im wahrsten Sinne des Wortes; Gitarren so hart und fett, als würde die Hölle neu geteert werden; Gesang, unbarmherzig wie die spanische Inquisition. Im Gegensatz dazu steht der Text, in dem es mit keinem Wörtchen um eine lebensbedrohende Krankheit geht, sondern um eine gescheiterte Liebe, eigentlich nicht mal das. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, worauf die Band eigentlich hinauswill, aber der Song haut mächtig rein. 



Forsaken“; Anderes Lied, gleiche Leier. Der Rezipient wird in einer atmosphärischen Dichte durch die neun Pforten der Hölle gewatscht, als würde die Umgebung aus Schwefeldioxid bestehen. Ab Minute 3:15 erfolgt der Schwenk auf ein langes, melodiöses, rhythmisch interessantes Outro.
Textlich sind wir endlich bei todesmetallischer Normalität angekommen: Der Protagonist setzt sich mit Jesus gleich, weil ihn seine Dulcinea verließ und er sich lebendig begraben fühlt. Alles easy, Bro, ein Endpunkt ist ein Neuanfang oder wie wir Eisenbahner zu sagen pflegen: Es fährt immer ein nächster Zug.

Lethocerus“; Der Untergang der Erde steht also bevor, dessen Auslöser niemand geringerer als der Mensch sein wird. Drolliges Detail am Rande: Lethocerus ist der wissenschaftliche Überbegriff für Wanzen, die ja bekannter weise auf dem nordeuropäischen Kontinent wieder auf dem Vormarsch sind oder sind es Menschen? Hier sehe ich erstmals ein Problemchen. Diese Scheibe umfasst nicht mehr als fünf Lieder, die zwar allesamt gut sind, aber für meinen Geschmack müsste hier ordentlich zeitlich eins draufgemacht werden. Elaborierte Intros, Outros und natürlich Bridges, Brücken sind immer gut. Völkerverbindend und so, selbst wenn der gute alte Nick Cave sie immer niederbrennen will ("The Bridge Song"). Spielverderber.

Home“: OK, Kommando zurück, hier haben wir erstmals ein fast halb minütiges Intro, das sehr gut ausgefallen ist. Melodisch wie rhythmisch sehr gelungen. Die Menschlein haben ihre unsäglichen Leben ausgehaucht. Nun sind kleine Insekten am Werke, Skarabäen, die mit ihren kleinen Mäulern, das Fleisch von den faulenden Knochen nagen. Der Rest ist more of the same. Es wird auf manisch auf Tierfelle geknüppelt und viel verblichen.

Journey to Nothing“: Ja, stimmt schon. Wenn gestorben bzw. Blut in Strömen über die Erde verteilt wird, die letzten Tage der Menschheit eingeläutet (Totenglocken: Hells Bells) wurden, muss dies nicht unbedingt als Reise ins Nichts bezeichnet werden. Transformation, etwa du bist von Staub und wirst zu Staube werden, klingt irgendwie Angenehmer. Think Positive. 
Hätte mir gewünscht, alle Lieder dieser 5-Song-LP würden mindestens diese Länge aufweisen. Mit 7:09 Minuten ist „Journey To Nothing“ sozusagen das vollständigste Song, mit sehr schönen rhythmischen Passagen, die immer wieder durch melodischen Überbau untermauert werden, darum haben wir es hier mit dem besten Song zu tun.

Fazit: „Aspect of Creation“ ist genau dieser Death Metal, den sich Chuck Schuldiner 2021 gewünscht hätte. Drei bis vier Lieder mehr, etwas elaborierterer Duktus und alles ward gut. Das muss ins Mitteilungsheft von PARAM-NESE geschrieben werden, damit das nächste Album die 5-Sterne-Wertung problemlos sprengt.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Richard Kölldorfer (14.06.2021)

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