FAHNENFLUCHT - Weiter Weiter

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VÖ: 28.05.2021
Bandinfo: FAHNENFLUCHT
Genre: Punk Rock
Label: Aggressive Punk Produktionen
Hören & Kaufen: Webshop
Lineup  |  Trackliste

Nach dem letzten Album und Tour haben die Deutsch-Punk-Rocker FAHNENFLUCHT eine sechsmonatige Pause eingelegt, auch um nach eigener Aussage etwas Abstand zu gewinnen. Das hört man dem neuen und sechsten Album „Weiter Weiter“ jedoch nicht an: Eigentlich ist alles wie immer, soll heißen, die Musik ist gern schneller Punk-Rock mit leichten Hardcore-Einflüssen. Um zumindest eine Referenz zu nennen (an die „Weiter Weiter“ aber nicht herankommt): Recht häufig klingt die Band vom Niederrhein wie die schnellen Songs von DRITTE WAHL. Dieser Vergleich ist ein guter, da er aufzeigt, woran es FAHNENFLUCHT mangelt: So muss man im Punk-Rock zwar kein Sangesgott sein und über weiß was für eine Technik und Range verfügen, aber Sänger Thomas klingt mit seinem gequetschten Organ doch arg limitiert und spätestens beim dritten Song wünscht man sich etwas Abwechslung in der Stimmlage. Nur ein wenig. Auch musikalisch ist die Rostocker Konkurrenz weit voraus, die immer wieder sehr gekonnt auch Elemente aus den verschiedensten Genres wie Pop, Weltmusik, Chanty, Metal oder sogar Country einbindet. FAHNENFLUCHT wagen hingegen nur ganz leichte Abweichungen von ausgetretenen Punk-Rock-Pfaden. Experimente gibt’s so gut wie gar nicht. Einzige Ausnahme: Beim getragenen „Misanthrop“ ist ein klassischer Raggae-Rythmus zu hören.

Das ist für sich genommen erstmal nicht schlimm. Man kann Punk-Rock ja auch kompromisslos geradeaus zocken und das auch ohne viel Abwechslung beim Gesang mitreißend gestalten. Dafür müssen aber die Melodien den Hörer packen. Und das ist auf „Weiter Weiter“ nicht der Fall. Die Lieder rauschen zum größten Teil an einem vorbei. Einzig „Satt“, „BRND“ (vor allem wegen des plakativen Anti-Nazi-Textes), „Welt“ und vielleicht noch „Träume in Beton“ haben Anflüge eines Hooks, sodass diese Songs nicht sofort wieder vergessen sind.

Jetzt mag sich das hier eventuell wie ein Verriss lesen. Das soll es aber keineswegs sein. Es gibt auch viel Positives: So ist die Produktion top, die Instrumentfraktion prescht gut nach vorn. Und die Texte sind – wie immer bei FAHNENFLUCHT – schön reflektiert und gesellschaftskritisch. So handelt der Song „Welt“ beispielsweise von den Auswirkungen des Spätkapitalismus: „Klimawandel, Umweltverschmutzung und Raubbau lassen sich immer schwerer aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängen“, wird Gitarrist Kai im Promotext zitiert. „Notwendige politische Veränderungen werden zugunsten kurzfristiger Erfolge an die nächste Generation weitergegeben und Einzelpersonen akkumulieren unfassbare Geldbeträge, während uns bald alles um die Ohren fliegt.“ Sänger Thomas fährt fort: „In dem Stück ‚Vater Unser‘ haben wir uns mit den Ursachen toxischer Männlichkeit auseinandergesetzt, die in Form von Normen und Erwartungen von einer Generation zur nächsten weitergereicht werden. Das Bild des starken Mannes, der sich nichts sagen lässt, ist historisch gewachsen und wird bis heute gesellschaftlich reproduziert. Die Folge: Eine irrationale Sehnsucht nach Stärke, die zur Unterdrückung der eigenen Emotionen führt, um nach außen Macht und Dominanz zu suggerieren.“ Daneben kommen auch Themen wie Fremdenhass, Leistungszwang, Terrorismus und die Querfront-Bewegung vor.

Alles schön und gut diese Inhalte. Und doch muss man im Vergleich zu DRITTE WAHL feststellen, dass die Texte der Rostocker eingängiger, nachhallender, klarer in der Aussage und auch unterhaltender sind als die von FAHNENFLUCHT, die zu oft auch kryptisch bleiben, was wohl poetisch unbestimmt sein soll. Ja, der Vergleich mag vielleicht unfair sein, da die Rostocker nunmal zu den Besten des Genres gehören, aber durch den Kontrast ist halt klar, wo „Weiter Weiter“ einzuordnen ist: Im Mittelfeld, nicht höher, aber auch nicht niedriger.



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Tobias (24.05.2021)

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