SHAMAEL - Melancholie der Engel

Artikel-Bild
VÖ: 15.04.2021
Bandinfo: SHAMAEL
Genre: Funeral Doom Metal
Label: Satanath Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Für circa ein Jahrzehnt tobte sich der Italiener Raffaele Galasso einsam und allein in seinem Experimental-Black-Metal-Projekt GARDENJIA aus, bevor er SHAMAEL gründet. Auch hier übernimmt er alle Instrumente, den Gesang sowie die weiteren Produktionsschritte auf dem Weg zum ersten Album „Melancholie der Engel“, das am 14. April 2021 das traurige Antlitz des sterbenden Planeten um ein Werk atmosphärischen Funeral Dooms bereichert.

Irgendwo in der klirrend kalten Einöde eines verwaisten Italiens seufzt ein längst vergessener Windgott seinen letzten Atemzug durch eine triste Felsenschlucht und überlässt der Unbeseeltheit das alte Schlachtfeld, auf dem einst die versiegende Hoffnung der übermächtigen Einsamkeit unterlag. Dieses Bild zeichnen meine gelösten Gehirnwindungen, wenn ich mich der mächtigen Ursprünglichkeit von SHAMAELs tiefem, schweren Funeral Doom hingebe.

Raffaele Galasso nähert sich hier dem kalten, natürlichen Ende des Genres und schafft eine überaus gelungene Atmosphäre, die in Teilen an das überragende Album „V – Oceans“ von SLOW erinnert: tiefe Riffs und Gutturalgrollen, das eher einer Naturgewalt als einer menschlichen Stimme gleicht. Aber SHAMAEL fügt diesem Konzept eine gewisse Vielseitigkeit hinzu, die sich im Keyboardspiel, den weiteren Instrumenten wie zum Beispiel einer Geige und Variationen des Vocal-Einsatzes äußert. Dieses Mehr an Abwechslung lockert die 40 Minuten Spielzeit auf, was als Bereicherung gewertet werden kann oder aber als Ablenkung von der Immersion der großen schonungslosen Leere.

Der Titel „Melancholie der Engel“ ist vielleicht eher an dem gleichnamigen deutschen Exploitationfilm voller Chaos, Gewalt, Krankheit und Tod orientiert als an kirchlicher Thematik, denn spirituelle oder sakrale Motive sind trotz des Beerdigungs-Genres auf dem Album nur in geringem Ausmaß zu finden. Allerdings erinnert auch der Projektname SHAMAEL sehr an die biblische Welt der himmlischen Wesen respektive an Samael (dt.: „das Gift Gottes“), den satanischen Engel der Versuchung, der Erzengel Michael gegenübersteht, indem er die Menschheit anklagt.

Fazit: Mit „Melancholie der Engel“ steigt Raffaele Galasso weit oben in die Liga des Funeral Doom ein. In Sachen Schwere, Natürlichkeit und Größe scheint er sich an der Speerspitze des Genres zu orientieren und beweist dabei viel Talent und Gefühl. Da diese Region des Doom jedoch stark davon lebt, die Zuhörenden über einen längeren Zeitraum in eine spezifische Empfindung von Leere und schlichter Existenz ohne Wünsche, Ziele und Bedürfnisse hineinzuziehen, sind die Vielseitigkeit und Kürze des Albums leichte Schwächen, die jedoch nur allzu üblich für ein Plattendebüt sind und in kommenden LPs wahrscheinlich ihre Auflösung finden werden. Dem sehe ich mit großer Vorfreude entgegen.

 

Um Missverständnissen in der Notenvergabe vorzugreifen, sei hier erwähnt, dass es sich bei einer 3,0 um eine gute, bei einer 3,5 um eine sehr gute und bei 4,0 um eine außergewöhnlich starke Platte in der Meinung dieses Review-Autoren handelt.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Jazz Styx (08.04.2021)

ANZEIGE
ANZEIGE