HUMAVOID - Lidless

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VÖ: 21.08.2020
Bandinfo: HUMAVOID
Genre: Progressive Metal
Label: Noble Demon
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

"Promowichteln" ist eine grausame Sache. Worum es dabei geht ist schnell erklärt: In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen werden einige der zu rezensierenden Alben, für die sich noch kein Abnehmer freiwillig gemeldet hat, an experimentierungswillige Redakteure ausgelost. Obwohl auf grobe musikalische Vorlieben Rücksicht genommen wird, ist völlig unberechenbar, welchen Hörgenüssen man sich damit ausliefert. Häufig horizonterweiternd, manchmal quälend, fast immer spannend. Eleganter könnte man die Überleitung zu HUMAVOID kaum gestalten. "Lidless" ist mein Promowichtel-Überraschungsalbum des Monats (herzlichen Dank auch, Lisi!) und es ist horizonterweiternd, quälend und spannend. Drei Dinge auf einmal. Ein echtes Ü-Ei.

HUMAVOID sind eine progressive Metalband aus Finnland, genauer gesagt aus der Gegend um den See Bodominjärvi, wo auch Alexi Laihos CHILDREN OF BODOM ihren Namensursprung fanden. Die Band besteht aus Sängerin und Keyboarderin Suvimarja Halmetoja, Gitarrist und Shouter Niko Kalliojärvi, dem Bassisten Mikki Rousi und dem Zeugler Heikki Malmberg. Die Legende sagt, dass sich die Vier am Musikkonservatorium in Helsinki kennenlernten, und genau so klingt das auch. Wenn man der Musik von HUMAVOID lauscht, hört man Musiker, denen ordinäre 32-taktige Jazzstandards und auch nur rudimentär eingängige Harmonien viel zu schnöde sind. Wer meint, DREAM THEATER wäre Musik für Mathematik-Professoren, hat diese Finnen noch nicht gehört. Hörgenuss für Raketenwissenschafter. Ja, MESHUGGAH sind geil und ich glaube dem HUMAVOID-Kollektiv aufs Wort, dass sie deren Songs auswendig 1:1 nachspielen können, wenn man sie um drei Uhr morgens weckt. Bei Erdbeben. Und betrunken. Mir persönlich ist das allerdings ganz entschieden zu kopflastig. Zu wenig Song, zu viel erzwungene Polyrhythmik. Vom Wiedererkennungswert ganz zu schweigen. Dieser schleicht sich erst sehr spät ins Album ein, nämlich mit "Undercurrent". Und auch dort nur in homöopathischen Dosen (ich bin sicher, HUMAVOID hassen diesen Song). Sonst reagiert das durchaus gewollte Chaos, das ein Festhalten an nachvollziehbaren Strukturen komplett verhindert.

Ich bin ja jemand, der sich gerne auf komplizierte Alben einlässt und genau jene besonders ins Herz geschlossen hat, die sich erst nach dem 15. Hördurchgang plötzlich in all ihrer Pracht offenbart haben. Doch dieses Potenzial erkenne ich auf "Lidless" nicht. Daran ändert auch das bandexterne Markenzeichen, der Jazzpianist Niko Kalliojärvi, welcher dem Album den endgültigen Drall in Richtung "Prädikat besonders wertvoll" beschert, nichts. Und obwohl ich (wie unschwer erkennbar) mit HUMAVOID auch nach mehrmaligem Hören nicht warm werde, so bleibt doch die objektive Feststellung, dass wir es hier zweifellos mit hochtalentierten, außergewöhnlichen Musikern zu tun haben. Und mit diesem Zugang werden sie gewiss auch ihr Publikum finden. Spätestens dann, wenn sie gelernt haben, Songs zu schreiben.

 



Bewertung: 2.0 / 5.0
Autor: adl (24.08.2020)

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