FORGOTTEN TOMB - Nihilistic Estrangement

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VÖ: 08.05.2020
Bandinfo: FORGOTTEN TOMB
Genre: Black Metal
Label: Agonia Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

FORGOTTEN TOMB folgen mit ihrer Diskographie einem recht eigenwilligen Ansatz, denn wie die Band erklärt, gliedert sich ihr bisheriger, stattlicher Backkatalog in Trilogien. Demzufolge wäre es mit ihrem zehnten Dreher namens "Nihilistic Estrangement" abermals an der Zeit für einen musikalischen Tapetenwechsel. Bekennenderweise soll frischer Wind in die Stube und dennoch verspricht das neue Eisen, zu 100% der musikalischen Identität des italienischen Gespanns gerecht zu werden. "Völlig neu und trotzdem vertraut" - diese Eigenschaft grenzt an ein Paradoxon und tritt zugleich als verbreiteter Werbespruch zum Vorschein - direkt gefolgt von "dem persönlichsten, härtesten und sowieso allerbesten Album der Karriere". Und was steckt dahinter?

Auf alle Fälle folgt mit Album Nummer zehn eine erneute musikalische Zäsur - denn wie man es dreht und wendet: "Nihilistic Estrangement" hat mit seinem Vorgänger "We Owe You Nothing" (2017) wenig gemein. Und trotzdem erreicht das "Black-Metal-mit-Schuss-Rezept" [manchmal auch "Schuss-mit-Black-Metal-Rezept"] der Italiener auch in seiner gegenwärtigen Inkarnation eine eigenwillige Charakteristik, die man unweigerlich mit der Band in Verbindung bringt. Zudem macht einem der bärenstarke Opener "Active Shooter" den Umstieg in die neuen Gefilde mehr als einfach. Die Nummer wartet mit herrlich kauzigem Black Metal der alten Schule auf und verbindet ihn mit einer unverschämten Catchiness sowie der lässigen Rock'n'Roll-Attitüde früher CHROME DIVISION und ähnlich gelagerter Konsorten. Die überschrittenen acht Minuten gehen damit äußerst locker von der Hand.

Abwechslungsreich und scheuklappenfrei geht es mit den nachfolgenden Songs weiter. Der Zweiteiler aus "Iris' House Pt. I & II" taucht zunächst in den Doomkeller ab und schlägt mit dem groovigen zweiten Teil eine dezente Brücke zum Vorgänger - wenn auch eher in Groove Rock- als Groove Metal-Ausprägung. Während das verwinkelte Duett den Hörer fordert, geht es mit "District³" eingängig und geradlinig zu Werke. Der Titelsong "Nihilistic Estrangement" entpuppt sich darauf als wahrhaft gefühlsechter Emotions-Höhepunkt. Hier gehen die sehnsüchtig-melancholischen Passagen massiv unter die Haut und entschädigen vollends für die arg verträumten Parts, in denen ein harmonisches Zusammenspiel von Gesang und Instrumentierung nah am Wunschgedanken siedelt. Das ruppige "RBMK" lässt zum Ende noch einmal zünftig den Black Metal aufleben und manövriert den Hörer in eine dystopische Szenerie aus schwarzen Wolken, strömendem Regen und vielleicht sogar zwei Wasserfällen...als handle es sich um die Vertonung des Albumcovers. Der zeitlose und mit analoger Technik kreierte Sound rundet die Sache ab und unterstreicht den wiedererstarkten BM-Charakter der Kompositionen. Wenn schon lyrischer Eskapismus und Entfremdung von der Welt betrieben und beschrieben werden, dann bitte auch auf einem angemessenen klanglichen Fundament!

Neues Spiel, neues Glück! Ob aus "Nihilistic Estrangement" tatsächlich eine weitere Trilogie keimen wird, werden die Alben Nummer elf und zwölf zeigen. Fest steht aber schon heute, dass FORGOTTEN TOMB wieder kräftig am Steuerrad ihres musikalischen Kahns gedreht haben und mit ihrem aktuellen Kurs eine sehr patente Figur machen. Das jüngste Kapitel der italienischen Dunkelsaga ist abwechslungsreich, reich an detailverliebten Feinheiten und trotzdem in sich konsistent. Und weil im Prinzip keiner der Songs darauf ausgelegt ist, die Gesamtheit des Albums adäquat wiederzugeben, bleibt auch der jungen Generation von Hörern keine Alternative zum altmodischen "Von-Anfang-bis-Ende-Hören" - zumindest keine sinnvolle.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (03.05.2020)

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