KATATONIA - City Burials

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VÖ: 24.04.2020
Bandinfo: KATATONIA
Genre: Dark Rock
Label: Peaceville Records
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Lineup  |  Trackliste

Spätestens seit meinem "Metalmuseum"-Beitrag zu "The Great Cold Distance" muss ich vermutlich niemandem mehr detailliert schildern, was mir KATATONIA und ihr Spätwerk auf persönlicher Ebene bedeuten. Seit langer Zeit begleiten mich die Schweden auf dem Lebensweg und hatten dabei in den unterschiedlichsten Situationen - also so unterschiedlich, wie Situationen nunmal sein können - stets die passende Antwort. Die Verkündung der Auszeit war dennoch kein schwer zu verdauender Schock, denn selbst der erhabenste Künstler braucht Zeit für sich, Zeit für eine Pause, Zeit, um die Energiereserven aufzuladen und vielleicht auch Vergangenes jeglicher Art verarbeiten zu können. Geduld ist, was viele Fans in ihrem (g)eifernden Egoismus gerne vergessen, schließlich eine Tugend. Dennoch sollte offensichtlich sein, dass die Freude ob der Ankündigung von "City Burials" affirmativen Furor auslöste, zumal die elektronische Single "Lacquer" keinerlei Zweifel daran aufkommen liess, dass KATATONIA ihrer emotionalen Anziehungskraft treu bleiben würden.

Und doch sitze ich nun hier, am heimischen Rechner, und wühle in regem Austausch mit sämtlichen internen Rezeptoren für Kunst und Kultur nach den geeigneten Worten in meinem Vokabular, mittels derer ich nachvollziehbar formulieren kann, warum mir "City Burials" zu exakt diesem Zeitpunkt zwar durchgängig gut gefällt, mich gleichzeitig aber nicht gänzlich mitreißen, geschweige denn durchgängig überwältigen kann. Begründet sich das dadurch, dass sich außer der wie angekündigt umgesetzten Heavy-Metal-Anleihen im Stile des JUDAS PRIEST Covers der "Night Is The New Day"-Bonusedition, die sich wiederum nicht so präsent wie erwartet anbieten ("Behind The Blood" und "Rein"), wenig oder womöglich sogar zu wenig verändert hat? Liegt es daran, dass man nicht auf vertraute Regler schwörte, sondern Jacob Hansen abmischen und mastern liess? Stichwort: Erwartungshaltung? Oder ist "City Burials" einfach eines dieser Werke, die den Soft Spot des Hörers, also meinen, nicht vollständig treffen? Wahrscheinlich liegt die richtige Erkenntnis irgendwo dazwischen.

Eigentlich kann man KATATONIA nicht einmal vorwerfen, dass sie stagnieren würden, denn mit besagtem "Lacquer", "Vanishers" (das Duett mit dem weiblichen Pendant gelingt hier allerdings deutlich besser als bei "The One You Are Looking For Is Not Here" von "Dead End Kings"), "Lachesis" und "Untrodden" findet man gleich vier sanftere Stücke vor, die entweder komplett auf sphärischer Electronica aufbauen oder zumindest die klassisch-metallischen Instrumente von jener dominieren lassen. Auch "Flicker" schlägt zunächst ähnliche Töne an, entlädt die donnernden Gitarrenläufe dann aber in seinem großen Refrain sowie gen Ende. Habe ich hier womöglich den Grund ausfindig gemacht? Versteht mich nicht falsch: Ich bin vermutlich der letzte Mensch in diesem Sonnensystem, der von KATATONIA mehr Härte einfordern würde, aber "City Burials" scheint manchmal das Gegengewicht zu fehlen, das ein "The Fall Of Hearts" beispielsweise in seiner spannenden Progressivität oder ein "Night Is The New Day" in seiner abwechslungsreichen Natur fand. Im Umkehrschluss soll das nicht suggerieren, dass es gleichförmig oder gar zu seicht sei, doch im direkten Vergleich fehlt mir der gewisse Twist, den der erhöhte Einsatz von Synthesizern nicht alleine gewährleisten kann. Zusammen mit dem Aspekt, dass sich vereinzelt auch diese großen, typischen KATATONIA-Songs, -Refrains und -Momente ("Heart Set To Divide", "The Winter Of Our Passing" und "City Burials") darauf tummeln, führt mich das zu dem persönlichen Glauben, dass hier eine ähnliche Beziehung wie zu "Dead End Kings", das ich trotz seiner Unzugänglichkeiten immer noch sehr gerne höre, entstanden ist.

So könnte es mir nämlich auch mit "City Burials" ergehen, denn das innere Gefühl ähnelt dem damaligen. Fairerweise muss man das allerdings auch relativieren und schlussendlich konstatieren, dass KATATONIA selbst dann, also im vermeintlich schlimmsten Fall, noch ein bemerkenswertes Kollektiv sind, das berührende Songs komponieren und damit eine unvergleichbare Atmosphäre schaffen kann, die trotz aller (Zugangs-)Probleme zu wiederholtem Hören überzeugt und aktuell gar zur erfolgreichen Isolationstherapie taugen sollte. Das harmonische Zusammenspiel aus Jonas Renkses gewohnt fabelhaften Vocals und den affektiven, klug gefügten Instrumentals in den idealsten Fällen generiert einfach immer noch denkwürdige Momente, an die man sich erinnert und erinnern wird. Unter Anderem deshalb bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass meine Gedanken und Schilderungen hauptsächlich eines abbilden: Kritik auf schwindelerregend hohem Niveau. Und wer weiß schon, wie sich "City Burials" noch entwickeln wird... 



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (21.04.2020)

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