IGORRR - Spirituality And Distortion

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VÖ: 27.03.2020
Bandinfo: IGORRR
Genre: Avantgarde Metal
Label: Metal Blade Records
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Lineup  |  Trackliste

Wie vollkommen postmodern die Welt geworden ist, kann man ganz gut daran sehen, wie unterschiedliche Genres zusammengemischt und -verwurstet werden. Vor gar nicht so langer Zeit war es noch eine Sensation, wenn Heavy Metal und Hip Hop gemixt wurden, und Bands wie AEROSMITH, BODY COUNT, RAGE AGAINST THE MACHINE und andere wurden als Visionäre und Vorreiter gepriesen.

Heutzutage würde so etwas keine Sau mehr hinter dem Ofen hervorlocken (oder sind es Katzen, die sich hinter dem Ofen verstecken? Bin kein Tierfachmann). Da muss es schon mehr sein: Techno und Metal? Gähn, alles schon mal dagewesen. Techno und Volksmusik und Metal? Wird schon besser, aber noch immer kein Bringer. Techno und Volksmusik und Barockmusik und Metal? OK, jetzt kommen wir der Sache schon näher.

Diesen wüsten Mix präsentiert nämlich der, wenn man seine Musik hernimmt, sicherlich leicht sonderbare Herr IGORRR aus Frankreich. Dass sich der gute Herr nach seiner Wüstenrennmaus benannt hat, die er als Kind gehabt hat, passt da ganz gut ins Bild. Genauso wie der Titel seines neuesten Machwerks: „Spirituality and Distortion“ (Nachfolger des hier eloquent gepriesenen „Savage Sinusoid“), von beidem ist nämlich auf der Scheibe einiges vorhanden.

Gehen wir zunächst zur spirituellen Seite: da wären fernöstliche Meditationsgitarren („Downgrade Desert“), himmlisch jauchzende Vocals (von der mittlerweile recht fix angestellten Laure Le Prunenec, am besten zu hören bei „Nervous Waltz“ oder „Hollow Tree“) oder Klangschalen-Gewitter und Buddhisten-Chöre („Himalaya Massive Ritual“). Die Verzerrung kommt meistens in Gestalt von tiefergestimmten Groove daher („Nervous Waltz“, „Parpaing“, „Camel Dancefloor“, „Overweight Poesy“). Wo im Spektrum zwischen Spiritualität und Verzerrung etwa eine Ziehharmonika („Musette Maximum“), ein Barock-Klavier („Downgrade Desert“, „Nervous Waltz“, „Hollow Tree“) oder knackige PRIMUS-Bassläufe („Very Noise“, „Camel Dancefloor“, „Musette Maximum“) zu verorten sind, möge der geneigte Leser selber entscheiden.

Und damit noch nicht genug: Drum&Bass von der fiesen APHEX TWIN-Sorte („Very Noise“, „Camel Dancefloor“) gibt es natürlich auch noch, genauso wie einen Gastauftritt vom legendärsten Stiernacken nach Henry Rollins: George „Corpsegrinder“ Fisher von CANNIBAL CORPSE leiht bei „Parpaing“ seine zarten Stimmbändchen zu dem ebenso zarten Track (der wohlgemerkt auf der Metal-Schiene noch etwas dünn wirkt, erst als die Electro-Sounds nach vorne drücken gewinnt die Nummer an Profil, so wie übrigens auch das Video dazu). Um den ganzen Rest aufzuzählen, der noch auf „Spirituality And Distortion“ passiert, würde ein Review alleine nicht reichen, aber wer bei der Beschreibung bisher noch nicht angewidert die nächste Internetseite angeklickt hat, wird sicher seine Freude daran haben, weitere Details herauszufinden.

Also alles gut im Hause IGORRR? Naja, was bei der ganzen musikalischen Welt- und Zeitreise etwas auf der Strecke bleibt, ist der rote Faden, der das Ganze zusammenhält. Kommt man nämlich aus dem ersten Staunen bzw. Aha-Erlebnis heraus, bleiben nur Einzeleindrücke hängen, kein Album-Gefühl als Ganzes - „Spirituality And Distortion“ klingt fast nach einer Compilation unterschiedlicher Künstler, nicht nach dem Werk eines Einzelnen. Das haben andere verrückte Franzosen wie die großartigen PRYAPISME dann schon mal besser gemacht.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Luka (22.03.2020)

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