MY DYING BRIDE - The Ghost Of Orion

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VÖ: 06.03.2020
Bandinfo: MY DYING BRIDE
Genre: Doom Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste

Düstere Wolken hängen über dem Release von "The Ghost Of Orion", dem Nuclear Blast-Debüt von MY DYING BRIDE, die die fünf quälend langen Jahre zwischen dem privaten Schicksal von Aaron Stainthorpe und seiner schwer erkrankten Tochter, deren Zustand sich seither glücklicherweise stark besserte, sowie dem erneut eher stillosen Ausstieg Calvin Robertshaws symbolisieren. Nach einer fünfjährigen, stürmischen Seefahrt legen die Briten im Frühjahr 2020 letztlich an "Your Broken Shore", einem finsteren Ort, der auseinanderzubrechen droht, an, um auf dem zerbröckelnden Fundament sämtliche Geschehnisse wie auch klassische MDB-Themen rund um die Liebe, Hass, Trauer und Religion zu verarbeiten. Und ob bewusst oder unbewusst - ihnen ist trotz charakteristischer Stilmittel und erneut opulenter Spielzeit (56 Minuten) das gelungen, was man im Kontext dazu niemals erwartet hätte: ein vergleichsweise "einsteigerfreundliches" Album, das man im Falle des Zweifels jedem Neuling empfehlen kann, der sich mit dem bisherigen Œuvre des Quintetts schwertat oder -tut.

Dadurch bricht natürlich unverzüglich eine weitere Frage auf: Was genau bedeutet das für eingefleischte Verehrer von MY DYING BRIDE? Da ich mir (noch) nicht anmaßen möchte, mich zu jenen dazuaddieren zu wollen, versuche ich mich an einer möglichst akkuraten Veranschaulichung aus der Perspektive eines Hörers, der die Death-Doom-Legende bisher eher in unregelmäßigen Abständen genossen hat. Die vermeintliche Crux daran, wofür MY DYING BRIDE stilistisch und atmosphärisch stehen, also das, was ihnen ihre Anhänger sicherte und sichert, ist für manch einen Außenstehenden nunmal, dass man sich in einer geeigneten Stimmungslage befinden muss, um sich überhaupt die Chance auf den richtigen Zugang bewahren zu können. Denn selbst dann, wenn man sich im adäquaten Ambiente wähnt, können viele der zermürbenden Kompositionen auf nahezu furchteinflößende Weise einen unüberwindbaren Wall bzw. undurchdringbaren Dickicht errichten, die, und hier schließt sich der Kreis meiner Einsteigerfreundlichkeits-These, neues, interessiertes Publikum rasch entmutigen können.

"The Ghost Of Orion" bricht aber nicht auf die übliche Weise, nämlich der, dass man das Material komplett verwässert und dadurch eingängiger macht, mit dieser Tradition, sondern vollbringt dieses Kunststück beispielsweise durch eine wärmere, wuchtigere und zugänglichere (bzw. nicht mehr ganz so widerspenstige) Soundabmischung. Auch die Lyrics lesen und hören sich zum Teil greifbarer, was man besonders auffällig in "Tired Of Tears", das auf schonungslos-offene Art mit der Geschichte um Stainthorpes Tochter verbandelt, spüren kann. Einige Reaktionen darauf sprachen von Banalität/Abgedroschenheit und Kitsch, doch wäre mir ein solches Urteil, gemessen an den tragischen Vorkommnissen, die darin thematisiert werden, eine Spur zu hochmütig und frigide, als dass man sie unbedingt veräußern müsste. Abgesehen davon wird man höchstens in "Outlive The Gods" mit einem einprägsamen Refrain konfrontiert oder in "The Solace" von Gastsängerin Lindy Fay-Hella (WARDRUNA) betört, steht dafür aber an anderer Stelle beispielsweise den zwei Longtracks "The Long Black Land" und "The Old Earth" gegenüber, deren schwerfällige Mühlen mit tieftraurigem Death-Doom mahlen.

So gelingt es MY DYING BRIDE am Ende des knapp einstündigen Selbstheilungsprozesses auf tosender See und unbeständigem Land, an "Your Woven Shore", dem rettenden Ufer, auf das sicherere Gewässer folgen werden, anzukommen und den Kosmos, der da "The Ghost Of Orion" heißt, mit einer hoffnungsvolleren Gemütslage abzuschließen. Für mich gesprochen muss ich konstatieren, dass ich seit diesem Album endlich den stärkeren Drang, mich mit der Band zu befassen, verspüre und bin gespannt, wie sich das sehr gute, durch und durch spannende "The Ghost Of Orion" zukünftig mit den und gegen die bisherigen Veröffentlichungen der Diskografie schlagen wird. Was mir dabei besonders zusagt, sind die feinfühlige Folk-Note sowie die abwechslungsreiche Kreuzung von nachvollziehbareren Strukturen und niederdrückender Schwermut. Das zu lesen mag für alteingesessene Liebhaber zunächst ein mittelschwerer Schock sein, doch von einer Easy-Listening-Erfahrung, die man nach den ersten Singles möglicherweise noch vermutete, ist "The Ghost Of Orion" als Gesamtwerk doch ein großes Stück entfernt. Bedenkt man nun noch, dass Quereinsteiger hiermit die womöglich aussichtsreichste Chance, sich Zutritt zu den Sphären von MY DYING BRIDE zu verschaffen, vorfinden, sollten am Ende nahezu alle Parteien zufrieden mit dem Ergebnis sein. 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (03.03.2020)

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