DARK FORTRESS - Spectres From The Old World

Artikel-Bild
VÖ: 28.02.2020
Bandinfo: DARK FORTRESS
Genre: Black Metal
Label: Century Media Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Bis zu ihrem 2010er Opus "Ylem" lief die Maschinerie der deutschen Black Metaller DARK FORTRESS wie am Schnürchen und die Releases erschienen im steten Abstand von maximal zwei Jährchen. Bedingt durch die zahlreichen Aktivitäten der Musiker außerhalb ihrer Festung ließ die Vollendung von "Venereal Dawn" bereits vier Jahre auf sich warten. Für die aktuelle Platte "Spectres Fsorom The Old World" nahmen sich die Bayern sogar stolze sechs Jahre Zeit. Aber manchmal braucht ein kreativer Geist einfach etwas Abstand und fremde Impulse, um wieder zu Höchstleistungen aufzulaufen. Eigenschaften wie Zielgerichtetheit und Fokussierung mag mit Recht ein hoher Stellenwert beigemessen werden, doch entstehen die besten Ideen nicht selten durch Zufall und in einem Rahmen, der rein gar nichts mit der eigentlichen Aufgabe zu tun hat.

Auf diese spontane und ungezwungene Art entstand den Worten von Gitarrist V. Santura nach der erste reguläre Song "Coalescence", der mit dem Intro "Nascence" faktisch eine Einheit bildet. Mit den Riffs, die dem langjährigen Saitenmeister wie von Geisterhand aus dem Ärmel gesprudelt sein sollen und den dazu passenden Blastorgien gehen DARK FORTRESS aus dem Stand aufs Ganze und legen damit den Grundstein für die neue Scheibe. Dieser zweiteilige Opener ist brutal, präzise und dank seiner durchziehenden Leads von sinistrer Erhabenheit geprägt. Dass man zu dieser Nummer nur allzu gerne auf der schwarzen Welle reitet und mit derselben koalesziert [für jene, die hier wieder Schweinkram vermuten: die Vokabel bedeutet so viel wie "zusammenwachsen" oder "verschmelzen"], ist so erfreulich wie charakteristisch für das gesamte Album.

Der knüppelharte Black Metal, der mit dieser ersten Kostprobe, "Pazuzu" oder dem Titelsong präsentiert wird, ist verlockend, anhaftend und eingängig - womit man als Genreconaisseur schon vollends zufriedengestellt wird. Doch genauer betrachtet ist dies nur die eine Seite der Medaille, die wie ein geölter Korridor für den Schritt auf die Kehrseite wirkt. Denn auf "Spectres From The Old World" geben sich die Schwarztee-Brecher, die ihres Zeichens schon komplexe Kompositionen sind, die Hand mit noch verwinkelteren Kreationen, die mehr Zeit zur Ergründung und Entfaltung verlangen. Dass sich diese beiden Arten von Songs im steten Wechsel aneinander vorbeischlängeln, sorgt für Abwechslung und zeugt von geschicktem Arrangement.

Dadurch kommt der Proband in die angenehme Situation, sich durch den permanenten und zumeist kurzzeitigen Kontakt mit den schwerer verdaulichen Songs zu beschäftigen und sie zu begreifen. Mit dem fragilen "The Spider In The Web" oder "Pali Aike", das vom Tempo und Riffing her an die aktuellen SATYRICON-Werke erinnert, macht "Spectres from The Old World" zahlreiche Ausflüge in progressive, postige, avantgardistische oder wie auch immer geartete Gebiete, deren Fundament stets im schwarzen Teer des Black Metal gründet. Durch die gekonnte Vermengung von straighter Raserei auf hohem Niveau und schwerer, verzögert zündender Kost erschaffen DARK FORTRESS damit ein Album, das gleichzeitig eingängig und lange nachhallend ist.

Textlich bewegt man sich auf BM-untypischen Pfaden, befasst sich mit hohen Weihen wie Kosmologie oder der Stringtheorie und hebt dabei auf die Endlichkeit und Bedeutungslosigkeit des Menschen ab. Besonders aufhorchen lassen dabei Textzeilen wie "the second law will never fall" in "Coalescence". Die Interpretation grenzt wahrlich an den Bereich der wilden Spekulationen, aber besingen die alten Haudegen hier mit "the second law" ernsthaft den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (mich deucht, ich dissipier' gleich)?! Dieser irre Hauptsatz über Erhalt und Entstehung des Chaos ist der Chuck Norris unter den Naturgesetzen, er macht am Ende das Licht aus und bleibt als Letztes stehen. Gegen diese Gesetzmäßigkeit, nach der alles was war, ist und sein wird schlussendlich dem Zustand minimaler Energie (= Tod) und maximaler Unordnung (= Chaos) zustrebt, können Banalitäten wie kalter Kaffee oder die Schwerkraft nur noch müde abstinken. Man könnte auch sagen, das alles, was WATAIN und Konsorten jemals herausgespien und angepriesen haben, mit diesem textlichen Ansatz den Sprung aus der Welt der chaosgnostischen Mythen in die Realität schafft und eine wissenschaftliche Grundlage erhält (Nicht ganz. WATAIN sind ja an und für sich recht klassische Teufelsanbeter und haben sich nur des MLO wegen in Richtung Chaos-Gnostik bewegt. Im Endeffekt betet man den Gehörnten recht bibeltreu an.  Ave Satanas - der Apostel Luzifers) . Wenn das kein Black Metal ist, was dann?

All dies macht "Spectres From The Old World" auf mehrere Arten besonders. Dieses Album glänzt durch metallische Brillanz, Vielfalt, pfiffige Arrangements und lyrische Ansätze, die naturwissenschaftliche Tatsachen mit dem misanthropischen Gedankengut des Black Metal verknüpfen. Am Ende steht das Chaos und im Chaos ist alles gleich. Die Gesetzmäßigkeit dahinter lässt sich ebensowenig analystisch beweisen wie die Genialität der neuen Platte, doch in der Praxis wird sich beides bewahrheiten - das eine früher, das andere später. Und auf dem Weg zur finalen Koaleszenz aller Dinge wird dieses frühe Genre-Highlight des Jahres noch massenhaft rotieren - soviel steht fest.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (24.02.2020)

WERBUNG: Innfield Festival
ANZEIGE
ANZEIGE