HELDMASCHINE - Im Fadenkreuz

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VÖ: 26.09.2019
Bandinfo: HELDMASCHINE
Genre: Industrial
Label: MP Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Bands heute so: Es muss sofort angekündigt werden, wenn die Arbeiten an einem neuen Album begonnen haben. Die Fans und Follower werden mit minutiöser Dokumentation der Vorkommnisse im Studio (inklusive diverser nicht ausbleibender Verzögerungen) immer auf dem neuesten Stand gehalten, mit großem Tamtam wird Albumtitel und Tracklist enthüllt, wenn die Aufnahmen abgeschlossen sind und nicht mehr viel zu tun ist, wird die Tour angekündigt, es folgen drölfzig Trailer und Teaser mit Songschnipseln, weiteren Hintergrundinfos, eine Single (wahlweise zwei) mit Lyricvideo, eine Singleauskopplung (wahlweise zwei) mit Musikvideo, eine Woche vorher gibt es Hörproben des gesamten Albums, zwei Tage vor Release kann man das komplette Album streamen und irgendwann zwischendurch wurden diverse Spezialeditionen angekündigt zu denen es pünktlich am Releasetag noch ein Unboxing-Video zu geben hat.

HELDMASCHINE so: Übrigens, wir haben ein neues Album fertig, ihr könnt's ab jetzt kaufen. Einfach so.

Verständlich, dass da so manchem spontan erst einmal die Gesichtszüge entglitten, denn, wie kann man es nur wagen, ein Album ohne das ganze obig beschriebene Klimbim zu veröffentlichen? Wisst ihr was: man kann. Und es ist eigentlich ganz angenehm.

Das Album „Im Fadenkreuz“ ist dann ganz im Gegenteil alles andere als angenehm. Schon der Opener „Leck Mich Fett“, der mit tanzbarem Elektro-Groove aufwartet, knallt textlich ziemlich heftig ins Gebälk und wettert gegen die gerade so in Mode befindlichen Hetzkampagnen im Internet  - die Vermischung deutscher Strophen mit englischem Refrain ist dabei mutig, aber im Kontext des Songs eine schlüssige Entscheidung. „Luxus“ rückt dann noch einen Schritt weiter in die elektronische Ecke, wirkt auf den ersten Blick etwas eintönig aber erreicht durch den fast Mantra-artigen Vortrag des Textes beeindruckende Tiefe. Das nachdenklich-poppige „Zwei Sekunden“ kann das Level nicht ganz halten, doch spätestens „Spring!“ grundelt wieder kräftig im Keller und serviert eine starke Hookline, die in Verbindung mit prägnanten Samples recht gut einfährt.

Richtig zur Sache geht es dann im Mittelteil, denn manche brauchen es einfach „Härter“! Dafür haben HELDMASCHINE den passenden Song, der mit reichlich brachialem Riffing und nicht minder schonungslosen Lyrics einen treffenden Umriss der an sich selbst zerbrechenden Leistungsgesellschaft zeichnet. Die nächste Breitseite grantelnden Industrial-Riffings folgt auf dem Fuße mit „Ich, Ich, Ich“, dass das Leben der oft Ego-bezogenen Generation Social Media ziemlich gut auf den Punkt bringt. Dabei ist doch jeder von uns nur ein „Gottverdammter Mensch“, der seine Fehler und Schwächen hat - die Eindringlichkeit und die emotionale Bandbreite die Fronter René in den Text dieses dynamischen, besonders schön akzentuierten Titels zu legen weiß, beeindruckt nachhaltig.

Was danach kommt, „Klingt wie Rammstein“ - verdammt, der Titel heißt sogar so! Das ist entweder so dämlich, dass es weh tut, oder aber so genial (vor allem in Bezug auf den Nebenerwerb von HELDMASCHINE als RAMMSTEIN-Tribute-Band VÖLKERBALL), dass man davor nur den Hut ziehen kann. Nachdem HELDMASCHINE aber schon im Vorgänger „Himmelskörper“ demonstrativ „Wir rollen das R“ sangen, kann man getrost zweiteres annehmen. Übrigens, der Song klingt auch wirklich wie RAMMSTEIN und auch der Text könnte von der Genregröße stammen – ist aber alles 100% HELDMASCHINE. Und tut, wenn man mal über den Inhalt nachdenkt, wirklich weh...

Das breitwandige „Leben“ kann im Anschluss das Level nicht so ganz halten, dafür beweisen HELDMASCHINE in „Wie ein Orkan“ einmal mehr ihr Händchen für griffige Refrains, die sich nachhaltig im Gedächtnis festfressen können und von deren es auf dem Album so einige zu entdecken gibt. Der Rausschmeißer „Maschinenliebe“ versteht sich als größtenteils instrumental dargebotener Elektro-Track, in dem Gitarren nur eine untergeordnete Rolle spielen – die reflexartig einsetzende Schnappatmung der Metal-Puristen ist bis hierher zu hören.

HELDMASCHINE haben ihren Stil gefunden und loten die Tiefen ihres eigenen Sounds einmal mehr aus, mit einer kräftigen Dosis Elektro, harschen Riffs und knallharten Texten. Und das alles auf sehr mutige Weise, nicht nur ungeschönt und direkt, sondern auch ohne großes Medientrara. „Im Fadenkreuz“ spricht für sich selbst.

 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Anthalerero (08.10.2019)

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