NETHERBIRD - Into The Vast Uncharted

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VÖ: 27.09.2019
Bandinfo: NETHERBIRD
Genre: Melodic Black Metal
Label: Eisenwald
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Ein Blick in die gemeinsame Vergangenheit der Schweden NETHERBIRD und der Stormbringer-Crüe offenbart mitnichten eine intensive Liebesgeschichte, noch nicht einmal eine damit assoziierte Tragödie mit reichlich Herzschmerz. Sogar von Ohrenschmerz und Narkolepsie war die Rede, doch mauserten sich die Underground-Melancholiker Album um Album höher in der Gunst ihrer Sparringspartner - eine Entwicklung, die auch außerhalb unserer Redaktion zu beobachten ist. Gute Karten also für den fünften Langspieler "Into The Vast Uncharted"?

Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass die Herren um Sänger Nephente schon einmal den Weg auf den Schreibtisch des Verfassers gefunden haben - was in Anbetracht der reichlich vorhandenen Konkurrenz schon einen ersten Erfolg darstellt. Dazu handelt es sich bekanntermaßen um eine Band, die Zeit ihrer Existenz stets mit szenebekannter Prominenz gearbeitet hatte. So zählen mitunter Dominator (NORDJEVEL, ex-DARK FUNERAL, hier aufgetreten als "Fjellström") und Adrian Erlandsson (AT THE GATES) zur Liste der verflossenen Musiker NETHERBIRDs. Der Drumsessel, der neben den Genannten noch drei weitere Drummer beherbergte und sich offenbar als Schleudersitz entpuppte, befindet sich zudem heute in der Obhut des langjährigen AMON AMARTH-Drummers Fredrik Andersson. Hinter den Kulissen verwirklichten sich zudem Produzent Hiili Hiilesmaa (AMORPHIS, ENSIFERUM, HIM, u. v. m.) und der geschätzte Dan Swanö (u. a. ASPHYX, KATATONIA) im Mixing und Mastering. Auch in Bezug auf die optische Gestaltung ihres neuen Werks überließen NETHERBIRD nichts dem Zufall und bauten auf die Unterstützung des schwedischen Malers August Malmström, dessen Gemälde "Älvalek" (1866) durch das Coverartwork zitiert wird.

Die Hintergründe und Seilschaften hinter NETHERBIRD und "Into The Vast Uncharted" sind so mannigfaltig wie interessant - doch was kann die Musik? Auf den ersten Blick bieten die Schweden ziemlich genau das, was man sich unter dem melodischen Ableger des schwedischen Black Metal so vorstellt. Melancholische Melodien werden flankiert von treibender Doublebass, Leads geben sich die Hand mit Tremolo- und Melodeath-Riffs, die Intensität wechselt zwischen Blast-Ausbrüchen und anmutig schwebenden Midtempo-Plateaus. Der krächzige Gesang strahlt genretypische Kauzigkeit und zugleich die Ruhe und Beharrlichkeit eines geübten Märchenonkels aus. So ist im Grunde mit dem Opener "Saturnine Ancestry" bereits klar, wo die Reise hingeht. Die bekannten Ingredienzen der NETHERBIRDschen Dichtkunst bilden in Summe einen melodiös-schwermütigen, dichten Nebel. Die Schweden verstehen ihr Handwerk, keine Frage. Doch erweist sich der besagte Nebel darüber hinaus als homogen und unnahbar. "Harvest The Stars" und "Mercury Skies" folgen dem Schema ihres Vorgängers und bieten alles in allem wenig Überraschungen oder Abwechslung. So fällt es selbst nach mehreren Durchgängen schwer, aus den grundsätzlich gut gemachten Songs Alleinstellungsmerkmale auszumachen.

Was mir dazu fehlt, sind die Extreme, das Bewegen außerhalb der homogenen Masse, die starken Emotionen, die diese Art der Musik erst ausmacht. Der immerhin stimmungsdominierende Black Metal wirkt zahm und entbehrt der infektiösen Aggression, die auf den Hörer überspringt und sich schlussendlich als positiver Energiefluss kanalisiert. Das andere Extrem, die Melancholie, ist über die volle Länge vorhanden, bleibt aber weitgehend hinter ihrem Potenzial zurück und rührt nicht in dem Maße zu Tränen, wie es die Musik aus Melodic Black Kiste vom Grundsatz her kann. In der zweiten Albumhälfte zeichnen sich immerhin nach und nach konkrete Formen sowie Ecken und Kanten ab. "Lunar Pendulum" und das auf der Akustikgitarre eingeleitete "Eventide Evangel" lassen endlich die Emotionsspirale nach oben schnellen. Das Riffing in "The Obsidian White" und "Nexus Of Unlight" durchbricht den Nebel mit Power Chords und Vibrato-Einschüben ("Vibrato" ohne "r"!), es entstehen Dynamik und Charakter. Zumal wird auch der melodische Überbau zusehends besser und findet in "Nexus Of Unlight" seinen Höhepunkt.

NETHERBIRD sind ohne Zweifel eine patente Band und "Into The Vast Uncharted" ein gutes Album - gut, aber leider nicht perfekt und zuweilen etwas beliebig. Die zweite Albumhälfte lässt jedoch erkennen, dass eine weitere positive Entwicklung möglich und nicht unwahrscheinlich ist. Insoweit kann ich die bisherige Review-Entwicklung NETHERBIRDs in unseren Annalen guten Gewissens fortführen und noch einen drauflegen.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (25.09.2019)

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