TARJA - In The Raw

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VÖ: 30.08.2019
Bandinfo: TARJA
Genre: Symphonic Metal
Label: earMusic
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Lineup  |  Trackliste

Wenn ein neues TARJA-Album in unserem Promo-Corner aufschlägt, dann geht die Hälfte der Redaktion vorsorglich in Deckung. Zu oft schon spaltete das Opernvibrato auf den Solopfaden der ehemaligen NIGHTWISH-Sängerin die schreiberische Zunft, dass ein vernünftiger Diskurs oft unmöglich war. Vor allem, da Frau Turunen mit ihrer oft zweifelhaften Live-Leistung die Kritiker ihrer Gesangskarriere nur allzu bereitwillig befeuerte. Nun steht also ein weiterer Release aus dem Hause TARJA an und man fragt sich gleich zu Beginn – wird es wohl eine leidensvolle Grenzerfahrung werden, oder werden wir am Ende doch positiv überrascht?

„In The Raw“ gibt sich mit einer Tarja in bedrohlich-düsterer Pose auf dem Cover schon einmal ordentlich Mühe, die Fanschar wieder zurück ins Boot zu holen. Und tatsächlich erweckt der Opener „Dead Promises“, der auch gleichzeitig als erster Vorgeschmack auf das Album in den Äther gejagt wurde, Hoffnungen auf einen richtig starken Output der Diva. Die Kollaboration mit Björn „Speed“ Strid (u.a. SOILWORK, THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA) startet musikalisch überraschend kernig und mag zu gefallen, während die Vokalperformance von Frau Turunen in einer angenehmen Tonlage bleibt und überraschend gut mit der eher aggressiven Stimme ihres Duettpartners, der sowohl den rauen Cleangesang als auch das garstige Geknurre auspackt, harmoniert.

Die Vorschusslorbeeren des Openers verschenkt TARJA mit dem folgenden „Goodbye Stranger“ (mit Christina Scabbia von LACUNA COIL) aber gleich wieder, indem die beiden Sängerinnen im Verlaufe des Titels gnadenlos gegeneinander arbeiten. Das wieder etwas ruppigere „Tears In Rain“ kann dann nicht mehr ganz zur eingänglichen Stärke des Albums aufschließen und auch „Railroads“ plätschert getragen, aber unterm Strich höhepunktsarm vor sich hin. Der generell ruhige Mittelteil aus dem balladesken „You And I“ und „The Golden Chamber“, das überhaupt mit ausschließlich Orchesterarrangements im Soundtrack-Bereich angesiedelt ist, sowie dem zwar abwechslungsreichen, aber letztendlich doch etwas zähen „Spirits Of The Sea“ bremst das Album nach einem verheißungsvollen Auftakt nachhaltig aus.

„Silent Masquerade“ liefert mit Gastgesang von Tommy Karevik (KAMELOT, SEVENTH WONDER) wieder einen starken Titel, der durch das stimmlich sehr gut zusammenpassende, harmonische Duett getragen wird - trotzdem gehen Spannung und Dramatik des fast ein wenig proggigen Titels durch die Einbettung in überlange Instrumental-Intros und -Outros leider ziemlich verloren. „Serene“ rifft im Anschluss eher ziellos und ohne erkennbare Struktur dahin, ehe „Shadow Play“ mit überbordend epischen Klängen wieder aufhorchen lässt. Leider kann auch dieser Song nicht so ganz halten, was die bombastischen Arrangements versprechen – zwar gibt es eine ordentlich ruppige Passage zu bestaunen, die aber von einer wieder einmal überlangen Piano-Akustik-Bridge postwendend aufgehoben wird.

Der Weg von TARJA weist mit dem vorliegenden Album wieder deutlich nach Oben, doch auf halber Strecke strauchelt die Diva dann doch wieder ein wenig. Zwar gibt es gesanglich bis auf das etwas unglückliche Duett mit Christina Scabbia keinen Ausfall, aber vor allem was das Füllmaterial an Arrangements angeht, schießt „In The Raw“ leider an einigen Stellen übers Ziel hinaus. Zu aufgeblähte Strukturen und ziellose Instrumentalpassagen rauben dem Album etwas die Dynamik und die Spannung, sodass einige der ansonsten vom Songwriting her tadellos aufgebauten Songs sich selbst ein wenig ausbremsen. Im Vergleich zu so manchen akustischen Zweifelhaftigkeiten früherer Alben ist „In The Raw“ aber doch (nicht zuletzt dank gut gewählter Gastsänger) ein überraschend starkes Scheibchen geworden, das den Hörer zwar nicht über die ganze Distanz packen kann, aber wieder Licht am Ende des Tunnels erkennen lässt.

 



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Anthalerero (23.08.2019)

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