HARPYIE - Aurora

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VÖ: 28.06.2019
Bandinfo: HARPYIE
Genre: Mittelalter Rock
Label: Metalville Records
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Lineup  |  Trackliste

Da hat man ein Album zwei Monate herumliegen, es erreicht einen absolut nicht, dümpelt irgendwo im Hintergrund herum und man kann sich einfach nicht dazu aufraffen, endlich seinen Sermon zu dem Rundling abzugeben. Man schiebt es also zur Seite und lässt es ruhen, um sich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal daran zu versuchen – und, zack, auf einmal entwickelt sich das Album so gänzlich anders, als bei den ersten Hördurchläufen. HARPYIE schaffen das Kunststück, nach einem kleinen Durchhänger in den letzten beiden Jahren, den Rezensenten nach einem holprigen Start mit „Aurora“ doch wieder zu packen.

Konnten die NRW-Mittelalter-Metaller für ihr ruppiges 2015er-Werk „Freakshow“ viel Lob einfahren, so knüpfen sie nun an den damalig eingeschlagenen Weg an, servieren die Verbindung aus durchaus modernem Gehacke und simpel-ohrwurmigen Folk-Melodien jedoch deutlich erwachsener und abgeklärter. Durch den durch personelle Umbesetzung bedingten Wegfall der genretypischen dominanten, doch tonal limitierten Sackpfeifen, rücken HARPYIE auf ihrem neuen Album deutlich mehr in Richtung der Genre-Vorreiter SUBWAY TO SALLY, was vermuten lässt, dass den Westfalen auch auf „Aurora“ wieder Michael Simon Schmitt an den Reglern unter die Arme gegriffen hat.

Zwar erweckt das Album durch viele langsame, getragene Gesangslinien oberflächlich den Eindruck, dass der Härtegrad zurückgefahren wurde, doch instrumental werden dennoch ordentlichst Saiten geschrubbt und Felle gegerbt - „Seemann Ahoi“ und „Inferno“ sind dabei gute Beispiele der Irreführung bei allzu oberflächlicher Betrachtung. Daneben rücken die klaren Violinen-Klänge deutlich in den Vordergrund („Ikarus“ mit wunderbarer Hookline) und werden durch dramatische Arrangements, wie man sie eben von früheren Werken von SUBWAY TO SALLY kennt, angemessen in Szene gesetzt. Das funktioniert schon beim epischen Opener „Morgenstern“ blendend, der mit guter Grundhärte, saftigen Gitarren und ein paar Growls die Latte hoch legt. Ein Auftakt, der zumindest von den direkt folgenden Songs nicht so ganz gehalten werden kann; Zwar ist das Arrangement von „Sternenfeuer“ sehr schön, doch „Nichts Mehr“ hätte gerne noch etwas ruppiger ausfallen können und gerade die Singleauskopplung „Kompassrosen welken nicht“ kommt im Kontext des Albums sehr langatmig einher. Ähnlich wie das balladeske „Atlantis“, das aber hinten raus Fahrt aufnimmt - genau wie das Album generell, das die stärksten Titel im hinteren Drittel versammelt.

Hier lässt vor allem das aggressive „Vendetta“ aufhorchen, das vielleicht soft beginnt, aber dann dem Titel entsprechend zu einem kernigen, mitreißenden Song wird, der mit absoluter Gänsehaut-Bridge punktet. Wenn der Gesang hier noch einen Zacken aggressiver ausgefallen wäre, hätte sich vermutlich auch niemand daran gestoßen. Das breitwandige und abwechslungsreiche „Blut und Spiele“ spielt mit teils kellertiefen Gitarren ebenso mit den modernen Einsprengseln, die HARPYIE bereits auf „Freakshow“ vom durchschnittlichen Folk-Gedudel abhoben. Der Rausschmeißer „Winternachtstraum“ zieht das Tempo noch einmal scharf an und kehrt die Diversität von HARPYIE, irgendwo zwischen melodischen Ohrwurm-Refrains, fast schon symphonic-ähnlichen Arrangements und kernigen Metal-Gitarren, die gerne mal in moderneren Strömungen fischen, noch einmal auf den Punkt gebracht hervor.

„Aurora“ ist ein höchst erwachsenes, enorm stark arrangiertes Album geworden, das vielleicht anfangs den einen oder anderen Durchlauf braucht, bis dass es sich festsetzen kann, dann aber mit hochwertiger und abwechslungsreicher musikalischer Kost punkten kann, die sich abseits der leicht verdaulichen Schema-F-Ohrwurmkost so mancher Genregrößen bewegt. Den Westfalen gelingt mit ihrem neuen Output wieder ein spannendes Album, das es endlich wieder einmal lohnt, sein Ohr den folkigen Klängen zu leihen. Und dabei klingen HARPYIE nebenbei fast schon mehr nach SUBWAY TO SALLY, als SUBWAY TO SALLY selbst ... (ohne die Quäkestimme eines Herrn Fish, natürlich.)

 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Anthalerero (08.08.2019)

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