WORMWOOD - Nattarvet

Artikel-Bild
VÖ: 26.07.2019
Bandinfo: WORMWOOD
Genre: Melodic Black Metal
Label: Black Lodge Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Melancholie. Unter diesem Begriff versteht man einen durch Traurigkeit und Nachdenklichkeit bestimmten Gemütszustand, der keines besonderen Anlasses bedarf. Dem konträren Zustand des Frohsinns und der Fröhlichkeit ist sie selten vorzuziehen, doch wer versteht schon die Natur des hin und wieder etwas masochistisch veranlagten Homo sapiens? In der Natur hat alles seinen Sinn und jedes Schloss findet den passenden Schlüssel. Und wer sich in Zeiten permanenten Sonnenscheins und grassierender latenter Fröhlichkeit wieder nach etwas Schwermut sehnt, der könnte mit WORMWOODs zweitem Album "Nattarvet" glücklich bzw. melancholisch werden.

Das zweite Eisen der Schweden bietet eine knappe Stunde Melodic Black Metal mit folkigen Anleihen. In sieben ausschweifenden Songs, unter denen es selbst der Quickie "I Bottenlös Ävja" auf fast sechs Minuten bringt, erzählt das Quartett "[Geschichten] von Einsamkeit und Kampf" und spendiert allen UV-B-geplagten Sonnenmuffeln einen wohlig-kalten Schauer über der Seele. Viele Texte sind von der letzten Hungersnot in Schweden inspiriert, die sich von 1867 bis 1869 ereignete. Thematisiert werden z. B. die lebensfeindlichen Umstände dieser Zeit ("Av Lie O Börda"), das qualvolle Versinken in einem Sumpf ("I Bottenlös Ävja") oder das Ende der Sonne...und damit auch des Menschen ("Sunnas Hädanfärd").

Mit PAARAs Mika Kivi, MÅNEGARMs Erik Grawsiö und Moa Sjölander gibt es gleich drei Gaststimmen. Wie beim Debut "Ghostlands: Wounds From A Bleeding Earth" ist zudem WACHENFELDTs Martin Björklund mit der Geige vertreten.

Auch wenn Songs wie der Opener "Av Lie O Börda" oder "I Bottenlös Ävja" nicht ganz so sehr abheben, wie sie unzweifelhaft könnten, bietet doch jedes Lied seine kleinen Höhepunkte - eingebettet in gut gemachten Melodic Black Metal. Was die Schweden aber wirklich drauf haben, offenbart sich im Mittelfeld der Platte mit "Arctic Light". Nach einem kurzen Oktavenriff-Vorgeplänkel im Stile eines Punkrock-Songs greift die vielbeschworene Betrübtheit plötzlich um sich. Die Elegie über einen in der Arktis gestrandeten Mann ist inspiriert von einer missglückten Arktis-Expedition im Jahr 1879 (genau genommen von dem davon handelnden Buch "In The Kingdom Of Ice: The Grand And Terrible Polar Voyage Of The USS Jeannette"). Der Überlebenskampf des Protagonisten und dessen Übergang zum Wahnsinn wird musikalisch anschaulich und empathiewirksam dargestellt. Hier zeigen WORMWOOD, was gutes Songwriting ausmachen kann: acht Minuten vergehen wie im Flug, die mitreißenden und stets im rechten Tempo dargebotenen Melodien induzieren beim Hörer starke Emotionen und lassen die Hormone schwermütig tanzen. "The Achromatic Road", "Sunnas Hädanfärd" und das zwölfminütige Epos "The Isolationist" entfesseln, auch wenn es zweifelsohne gute Songs sind, nicht ganz den Zauber von "Arctic Light". Mit "Tvehunger" bietet die Platte hingegen ein zweites Highlight, das mit starken Hooks und erhabenen Melodiebögen überzeugt.

Freunde von schwedischem Black-/Folk-/Pagan-Metal können sich "Nattarvet" bedenkenlos hingeben und finden ein gutes, wohlklingendes Album in abendfüllender Länge. Schlecht ist an dieser Scheibe nichts, doch bin ich mir sicher, dass WORMWOOD noch mehr aus sich rausgehen können. Der Beweis liegt in den 54 Minuten selbst und findet sich in jenen Liedern, die beim Anhören grundlos traurig machen. Und diese wundersame Wirkung macht mich irgendwie glücklich.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (25.07.2019)

WERBUNG: Hard
ANZEIGE
ANZEIGE