OUR SURVIVAL DEPENDS ON US - Melting The Ice In The Hearts Of Men
Bandinfo: OUR SURVIVAL DEPENDS ON US
Genre: Doom Metal
Label: Van Records
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Lineup | Trackliste
Die Liste der Bands, die ausserhalb unserer kleinen Alpenrepublik einen gewissen Bekanntheitsgrad und Erfolg zu verzeichnen haben, liest sich nicht allzu lang. Dennoch finden sich auch Bands darunter, die hierzulande mitunter nur einer vergleichsweise geringen Anzahl an Leuten geläufig sind. Dass das Bundesland, das Mozart sein Eigen nennt, Musik von internationalem Format hervorzubringen imstande ist, das wissen wir bereits. OUR SURVIVAL DEPENDS ON US jedoch „nur“ als Musik zu bezeichnen, grenzt fast schon an Sakrileg. Wohl mag sich der Zugang zu den spirituellen Doomern aus dem Salzburger Land manchmal als etwas schwierig erweisen, ist doch das komplexe, teils auch abstrakte Songmaterial des fünfköpfigen Künstlerkollektivs mit seiner okkulten Verwobenheit nichts für abgestumpfte Konzentrationslegastheniker aus der modernen ADHS-Medienkonsumenten-Mehrheit, doch wenn man die Fähigkeit, sich in ein musikalisch-künstlerisches Universum einfach fallen zu lassen, noch nicht aufgegeben hat, dann führt kein Weg am baldig erscheinenden „Melting The Ice In The Hearts Of Men“ vorbei.
In welches stilistische Schublädchen man OSDOU nun steckt, das ist angesichts der vielfältigen Einflüsse, die die Gruppe gekonnt zu verbinden weiß, obsolet. Um den Kosmos von OSDOU zu verstehen, darf man nicht verlernt haben zuzuhören. Nicht verlernt haben zu denken und vor allem nicht verlernt haben, seine eigenen Gefühle und Interpretationen zuzulassen und einfließen zu lassen. So taucht man in „Galahad“ ab in den Gralsmythos rund um den wohl edelsten Ritter der Tafelrunde, welcher hier auf auf Basis von Selbstreflexion seinen Bogen zu jedem Individuum schlägt. Großartiger, atmosphärisch dichter Aufbau führt den Hörer tief hinein in die musikalisch-spirituelle Welt, in der Sänger Mucho ein Gänsehaut-Duo mit Gastvokalist Alan Averill abliefert.
Die spirituellen Bezüge führen sich in „Gold And Silver“ weiter, das seine Inspirationen aus dem Buch Ezekiel aus dem alten Testament bezieht. Statt in christlichen Mythen zu schwelgen, extrahieren OSDOU jedoch die zugrunde liegende Botschaft von Schuld und Sühne. Und das trotz satten zehn Minuten Spielzeit gänzlich ohne Schnörkel oder überflüssig wirkende Passagen – zwischen melancholischen Melodien und bleischweren, bedrückend monotonen Riffs kreieren die Salzburger einen klanglichen Monolith, der sich nicht nur durch seine hypnotischen Gesangslinien tief in das Gedächtnis und Empfinden des Hörers wühlt. Wo andere Künstler einen derartigen langen Titel rigoros kürzen, um ihn auf eine der durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspannen eines modernen Musikvideo-Sehers zu konvertieren, liefern OSDOU stattdessen einen bildgewaltigen, regelrechten Kurzfilm ab, der durch seine stimmungsvolle Bildgewalt nachhaltig beeindruckt.
Als nicht minder beeindruckend erweist sich „Song Of The Lower Classes“, das nicht nur in finsterste Doom-Gefilde hinabsteigt und aus den Tiefen der Geschichte düstere politische Themen hervorspült, indem es in den Lyrics Zitate von Ernest Charles Jones, einem Arbeiterrechts-Aktivisten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aufgreift, sondern den Themenkreis durch seine bedrückende Vertonung auf beunruhigende Weise ins Gedächtnis zurückruft. Das Prägende „Down, down we go!“ im Chorus brennt sich, unterstützt von großartiger Emotionalität der Arrangements, nachhaltig in die Gedanken.
Seinen Abschluss erfährt das gerade einmal vier Titel umfassende, doch dabei mehr als eine dreiviertel Stunde füllende Album durch das schamanistische „Sky Burial“ das auf einer in Tibet und Persien praktizierten Begräbniszeremonie basiert. Experimentiell und von jeglichen Genrezwängen losgelöste Ambient-Klänge vertonen jahrhundertealte Riten mit exotischen Klängen, sowie rein als Instrumente fungierenden Stimmen. Im hinteren Drittel mischen OSDOU schließlich noch pumpende Drums, sphärische Synths und sanft verzerrte Gitarren in die beruhigten Melodien, mit denen das Album dann mit Gänsehautklängen ausklingt.
Easy Listening geht wahrlich anders. Doch wer seine gut sortierten Schublädchen und eng gesteckten Songstrukturen ohne großen emotionalen Tiefgang braucht, der wird gar nicht erst auf OSDOU stoßen. Wer jedoch Scheuklappenfrei durchs Leben wandert und seine Gedanken und Emotionen der Musik verschreiben kann, der wird in „Melting The Ice In The Hearts Of Men“ ein großartiges Album finden, das vom Hörer eine gewisse Selbstreflexion erwartet, um das Gebotene zu verstehen und zu verarbeiten. Niemand hat gesagt, dass es einfach ist. Doch es ist groß, wirklich groß.