EWIGHEIM - Irrlichter
Bandinfo: EWIGHEIM
Genre: Dark Metal
Label: Golden Church
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Lineup | Trackliste
Als ich seinerzeit EWIGHEIMs "Schlaflieder" kurz vor Jahresende 2016 mit 4,5 Punkten bewertet habe und es damit automatisch sehr nah an der Höchstpunktzahl sah, war ich zugegebenermaßen etwas skeptisch, ob das schlussendlich nicht etwas zu wohlwollend gewesen sein könnte. Etwas mehr als zwei Jahre später, kurz bevor ich mit dem Trio verzweifelt die "Irrlichter" durch Sümpfe und über Friedhöfe jagen sollte und zuvor noch einmal zurückblicke, weiß ich es besser: es war gewiss kein Fauxpas. Tatsächlich fesselte es mich seither immer wieder mit seiner schwermütigen Atmosphäre und den dennoch eingängigen Strukturen, mit seinen satten Riffs und Allens großartigem Gesang, mit den vielen kleinen Details beim Keyboardspiel und den oftmals tiefgründigen Lyrics frei von im Genre üblichen Kitsch. Die brennende Frage, die zurückbleibt: Wird die Hatz nach den Irrlichtern genauso begeistern können oder droht man als Hörer gar hoffnungslos darin zu versumpfen?
Das Coverartwork verrät es insgeheim: Wo ein Licht ist, da ist auch Schatten. Und wo ein Schatten ist, da ist auch Licht. Das mag eine banale Weisheit sein, umschreibt den Status Quo auf "Irrlichter" aber trefflich. An der grundsätzlich bedrückten Stimmung hat sich seit dem Vorgänger quasi nichts verändert, weswegen "Es wird Licht" und "Alles wird gut" rasch eine merkwürdig einladende Wirkung gedeihen lassen. Doch der Einstieg, der EWIGHEIM mit dem erdunkelten "Leuchtturm" zwischen wabernden Darkwave-Synths und schleppenden Gitarren sowie dem rockigen "C'est la vie" (mal wieder ein wunderbarer Refrain) sensationell gelingt, ist auch nicht der wunde Punkt des Albums, sondern die Phase, die darauf folgt. Dabei lässt sich gar nicht genau erklären, woran es bei "Verzeih mir" und insbesondere "Nackt und blutend" wirklich hapern soll, denn stilistisch bewegen sich EWIGHEIM auch weiterhin auf einem sehr ansprechenden Grund, den sie ganz für sich alleine gepachtet haben. Nur: obschon das Niveau der Kompositionen immer noch sehr hoch befindlich ist, will der entscheidende Funke nicht überspringen. Auch "Ein Flügel bleibt dir noch" tut sich hörbar schwer dabei, sich von diesem leichten Trott abzuheben - im metaphorischen Sinne vielleicht deshalb, weil ihm eine Schwinge fehlt, im eigentlichen Sinne aber - und das ist weitaus wahrscheinlicher - womöglich deshalb, weil es musikalisch zu viele unterschiedliche Prägungen auf einmal abdecken möchte und sich dabei etwas überschlägt.
Das fällt deswegen so besonders auf, weil sich auch der Ausklang - genauso wie der Einstieg eben - aus qualitativer Sicht eindeutig positioniert und den Mittelteil daher etwas erblassen lässt. "Vom Mond gemalt" und "Spinnenkind" zeigen, wie man klischeefreien Gothic/Dark Metal in Vollendung realisiert und "Irrlicht" ist mit seiner ideal getroffenen Mischung aus balladeskem Piano, bewegenden Saitenharmonien zu wuchtigen Riffs und dem heimsuchenden Gesang nicht nur der perfekte Abschluss, sondern sicherlich auch einer der besten Songs, den EWIGHEIM je komponiert haben.
Bei aller Kritik, die ich also an "Irrlichter" finden kann, muss ich dennoch konstatieren, dass man es hier immer noch mit einem überwiegend überzeugenden Werk zu tun hat, dessen Wertigkeit sich lediglich in zwei bis drei Songs seine kleinen Pausen nimmt, ansonsten aber trotzdem eine absolute Bereicherung für das Genre ist und sich der aktuellen Jahreszeit und damit natürlich auch der Dauertrübe bestens fügt. In "Schlaflieder"-Form sind EWIGHEIM hier sicherlich nicht, aber immer noch nah genug daran, um damit einen Blindkauf zu rechtfertigen und in letzter Konsequenz den behaglichen Abend bei Kerzenschein zu bereichern.