THRICE - Palms

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VÖ: 14.09.2018
Bandinfo: THRICE
Genre: Alternative Rock
Label: Epitaph Records
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Lineup  |  Trackliste

Vier Jahre nach ihrem Erfolgsalbum „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ kehren THRICE mit einer bemerkenswert … anderen Platte zurück. „Palms“ präsentiert sich in jeder Hinsicht als eigenständiges und losgelöstes Statement, nicht als Fortsetzung oder gar Imitation bereits dagewesener Releases – was aber keinesfalls bedeutet, niemals bekannte Klänge anzuschlagen.

Zehn Songs, die über einen Zeitraum von vier Jahren entstanden sind; mehr umfasst „Palms“ nicht. Möchte man THRICE eine Schreibblockade vorwerfen, gar Faulheit? Keinesfalls. Wer ihre musikalischen Ambitionen der Vergangenheit mitverfolgt hat, beispielsweise im Zuge des unvorstellbar aufwändigen EP-Zyklus aus „The Alchemy Index I & II“ und „The Alchemy Index III & IV", weiß, dass bei THRICE weniger meist mehr ist. Und das trifft auch hier zu. Während der Vorgänger „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ hauptsächlich durch seine melancholische Härte und sein feines Songwriting getragen wurde, präsentiert sich „Palms“ gleichzeitig als ein Best-Of-THRICE, scheut sich aber nicht, an einigen Stellen mit dem eigenen Sound zu experimentieren und neue Wege zu gehen. Schon der Stranger-Things-mäßige 80’s Synth im Intro des ersten Songs „Only Us“ offenbart ein Gespür für stilvoll gesetzte Details. THRICE setzen sich auf „Palms“ ein übergeordnetes Thema, das ihnen jegliche musikalische Variation erlaubt. Bereits die ersten drei Songs „Only Us“, „The Grey“ und „The Dark“, die alle schon vorab veröffentlicht wurden, mischen bekannte Elemente aus „Beggars“ mit einem überraschend unaufgeregtem musikalischen und lyrischen Stil. Hier vermengt sich Persönliches und Politisches zu einer nicht mehr zu trennenden Masse, die Zeile für Zeile eine Parabel für die Lage der westlichen Welt formt.

Mit dem folgenden „Just Breathe“ setzen THRICE nicht nur einen neuen Akzent auf „Palms“, sondern markieren den ersten von zwei klaren stilistischen Brüchen, die für den Aufbau des Albums zentral sind. Nachdem die ersten drei Tracks sich als eine Art „Beggars“+X präsentierten, wendet sich die Platte in den anschließenden Songs „Just Breathe“, „Everything Belongs“ und „My Soul“ einer mal schnelleren, mal langsameren melancholischen Trägheit zu. Fans von „The Alchemy Index II: Water“ dürften sich hier über einige wiederaufgegriffene Elemente und deren neue Kontextualisierung freuen. Für mich persönlich ist dieser Abschnitt der schwächste auf „Palms“, allerdings habe ich auch nie einen wirklichen Zugang zum besagten zweiten Teil von „The Alchemy Index“ gefunden (dafür zum dritten Teil „Earth“ umso mehr!). Spannend ist hier, dass THRICE ihre balladesken Titel bewusst in den Mittelteil der Platte verlagern, statt einer konsequenten Dramaturgie zu folgen; also eher auf Kapitelhaftigkeit setzen.

Kurz bevor es mit „My Soul“ ein wenig zu bedrückend und eintönig wird, scheppert der Hörerschaft der herrlich noise-artige Bass von „A Branch In The River“ entgegen. Mit diesem zweiten Bruch beginnt der letzte und meiner Meinung nach stärkste Teil von „Palms“. Sowohl besagtes „A Branch In The River“ als auch insbesondere das darauffolgende „Hold Up A Light“  transportieren mit ihrer dreckigen Abmischung samt scheppernder Becken und einer druckvollen, whiskygeformten Stimme eine wunderbar authentische Rockstar-Attitüde, die den melancholischen Mittelteil spielend leicht wieder auffängt. Trotz (oder vielleicht auch gerade wegen) ihrer Experimentierfreudigkeit halten sich THRICE an einen einfachen Grundsatz: Das Beste kommt zum Schluss. „Blood On Blood“ und „Beyond The Pines“ verleihen „Palms“ die Wendung, die es erst auf eine Ebene mit dem Gesamtwerk der Band stellt. Mit „Blood On Blood“ findet sich hier eine erfrischend unaufgeregte Antikriegs-Hymne, die sich weder eines melodramatisch verdrehten Märtyrermotivs im Stil von RISE AGAINST’s „Hero Of War“, noch der eigenen wütenden Machtlosigkeit wie in „Death From Above“ auf dem Vorgängeralbum bedient. Stattdessen wagt sich der Song an eine experimentelle Ästhetik, die sich sowohl auf der musikalischen als auch auf der lyrischen Ebene niederschlägt. So ziehen THRICE Parallelen zwischen Staaten, Religionen, sozialen Milieus, Neid, Gier und Gruppendenken. Ein starker Song mit starker Message, der einen nüchternen Blick auf brisante Themen gewährt. Nun jedoch zu „Beyond The Pines“; ein Song, in den ich mich Hals über Kopf verliebt habe. Nach der umfassenden und klaren Zusammenfassung und Verarbeitung der leidigen Baustellen und Mechanismen dieser Welt tun THRICE das vermutlich schönste, das als Abschluss möglich ist. So spielen sie nicht vom Untergang, nicht von Angst und Resignation, sondern von Hoffnung. „Beyond The Pines“ entwirft ein utopisches Moment, ein ruhiges Zentrum im Sturm. Die motivische Anlehnung an Orwell‘s 1984 sorgt für eine Romantik auf höherer Ebene, die zu keinem Zeitpunkt kitschig wirkt, sondern sich auf eine ehrliche Art und Weise in das Konstrukt aus Chaos und Leid einfügt. Stark.

I will meet you there, beyond the pines
Templed in twilight or dawn
The light and easy air
Tracing the lines on our palms



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Lucas Prieske (25.09.2018)

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