ABORTED - TerrorVision

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VÖ: 21.09.2018
Bandinfo: ABORTED
Genre: Death Metal
Label: Century Media Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Kaum zu glauben, aber wahr: erstmals seit den beiden aufeinanderfolgenden Werken "Goremageddon: The Saw and the Carnage Done" und "The Archaic Abattoir" hat bei ABORTED mal wieder ein Gitarrengespann über mehr als ein Album hinweg Bestand. Bravo! Und überhaupt scheint Svencho allmählich seine Stammformation fernab des leidigen Besetzungskarussels der Vergangenheit gefunden zu haben, denn außer Stefano Franceschini (Bass) gab es im Vorfeld des neuen Albums "TerrorVision" keine weiteren Neuzugänge zu vermelden. Aber: sind ABORTED mittlerweile auch so gut durchtaktiert bzw. aufeinander abgestimmt, dass sie dadurch die Güte eines der stärksten Alben der Diskografie, nämlich den Vorgänger "Retrogore", einhalten und das im Zweijahres-Rhythmus kreisende Sägeblatt schärfen können, oder fehlt diesem mittlerweile der ein oder andere Zahn?

Zumindest wenn es eine Blaupause dafür gäbe, wie man ein technisch-brutales Death Metal-Album so vermarktet, dass man als Genre-Fan am liebsten umgehend das komplette Paket hören möchte, sind ABORTED mittlerweile eine Institution: nicht nur das exzellente Cover von Pär Olofsson, der damit genau den Stil der Belgier getroffen hat, sondern auch die erste Singleauskopplung "Squalor Opera", die sämtliche Trademarks (inkl. der brutalen Tempodrosselungen der früheren Tage) aus 23 Jahren Bandgeschichte eint, sind meisterhaft choreografierte Promotion-Arbeit, die kaum Zweifel an der qualitativen Gesamtumsetzung von "TerrorVision" zweifeln lassen. Zwar wirkt auch die musikalische Komponente hier und da etwas zu souverän und im "Lasciate Ogne Speranza"-Intro, das abermals vom gewohnten Horrorfilm-Flair umnebelt wird, fast schon zu schematisch, doch dafür wird in exakt einer Dreiviertelstunde wieder nach barbarischstem Benelux-Reinheitsgebot geballert, dass man kaum Angriffsfläche für größere Kritikpunkte bietet. Zuverlässigkeit muss in diesem Fall nicht negativ konnotiert werden.

Typisch verlässlich sind ABORTED dabei auch in ihrer Methodik, deren Bandbreite für eine weder als Tech- noch als Progressive Death Metal zu bezeichnende Band durchaus als respektabel anzusehen bzw. -zuhören ist. Erwartungskonform bekommt man es zwar auch mit ausgefeilten Gitarrenarrangements im High-Velocity-Rausch wie im Titeltracktrack (zzgl. eines Gastbeitrages von SEPTICFLESHs Seth Siro Anton), dem folgenden "Farewell To The Flesh", dem erwähnten "Squalor Opera" sowie "A Whore d'Oeuvre Macabre" (hier darf auch CYTOTOXIN-Fronter Grimo mitgurglen) zu tun, doch im Gegenzug wurde "Vespertine Decay", "Exquisite Covinous Drama" und auch "The Final Absolution" (hier darf dann Julien Truchan von BENIGHTED ran) diese manchmal melodische, manchmal schwarzmetallische DNA injiziert, die mir schon auf "Retrogore" sehr gut gefallen hat und immer noch als lohnenswerte Expansion des bisherigen Repertoires funktioniert. Wer es zur Abwechslung auch mal besonders stumpf mag, kommt hingegen im groovigen "Deep Red" voll auf seine Kosten, ehe man im Oldschool-Moderne-Hybrid "Altro Inferno" wieder mit irrwitzigen Tempowechseln durch die nächstgelegene Hauswand geprügelt wird.

Trotzdem, und das muss bei "TerrorVision" leider auch sein, gibt es zumindest für mein Empfinden einen Kritikpunkt, den ich nicht unterschlagen kann und auch gar nicht will: Die Produktion, die mir oftmals eine Nuance zu flach und überproduziert ist. Theoretisch liesse sich das auch auf "Retrogore" übertragen, aber dieses Mal fehlt es dem gesamten Sound irgendwie an Wucht. Transparent ist das durchaus und dennoch lässt mich das Gefühl nicht los, als sei der Klang an vielen Stellen zu eindimensional, um die volle Durschlagskraft einer Band wie ABORTED zu entfalten. Müsste ich einen Vergleich aufbringen, würde ich definitiv BENIGHTEDs "Necrobreed" nennen, da dafür derselbe Mann an den Reglern saß und das Ergebnis für mich doch eine ganze Spur fulminanter bzw. räumlicher daherkommt.

Nichtsdestotrotz können ABORTED-Anhänger mit "TerrorVision" quasi keinen Fehlgriff machen. Sollte man es schaffen, die Beständigkeit des Line-Ups über einen noch längeren Zeitraum zu kompensieren, steuern ABORTED mit ihrer Formkurve definitiv auf die nachhaltigste Phase ihrer gesamten Diskografie zu. Momentan würde ich es ihnen sogar zutrauen, die neuen Soundelemente noch weiter auszubauen und in Zusammensetzung mit den vertrauten Markenzeichen den nächsten Schritt zu gehen. Eigenständig waren und sind ABORTED sowieso schon immer, aber die aktuelle Riege hat definitiv das Potenzial und auch das Selbstverständnis dazu, die nächste Stufe so umzusetzen, dass man die verbliebenen Genregrenzen sprengt und ein echtes Extreme Metal-Ungetüm formt. 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (18.09.2018)

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