OBSCURA - Diluvium

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VÖ: 13.07.2018
Bandinfo: OBSCURA
Genre: Technical Death Metal
Label: Relapse Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Eine Band hätte zumindest bei mir alles erreicht, wenn ich für ein neues Album grundsätzlich die Rezension zum Vorgänger kopieren könnte und lediglich die Alben- sowie Songtitel austauschen müsste. An der Ausgangssituation jedenfalls hat sich bei OBSCURA, abgesehen davon, dass es dieses Mal eben keine „Besetzungswechsel-Schlammschlacht“ gab, wenig geändert: Wie seinerzeit erwähntes "Omnivium" hat sich auch "Akróasis" seit seinem Release sehr gut gehalten und in Anbetracht dessen, dass man es hier mittlerweile mit einer eingespielten und perfekt abgestimmten Formation zu tun hat, waren bezüglich "Diluvium" auch keine Sorgenfalten im Spiegel zu vernehmen. Setzt sich der Triumphzug im Tech Death-Universum also fort, oder implodiert dieses Mal ein aufgeblasenes Konstrukt instrumentaler Selbstherrlichkeit?

Das war natürlich nur eine rhetorische Frage. Die Frage sollte also eher lauten: Können OBSCURA den Vorgänger mittels künstlerischer Grandeur überflügeln, oder bestätigen sie dessen hohes Niveau? Wie schon bei der eigentlichen Ausgangssituation hat sich auch stilistisch kaum etwas verändert. Noch immer, und das darf ein Großteil des Genres durchaus als Warnung verstehen, kombinieren Steffen Kummerer und seine Liga außergewöhnlicher Instrumentalisten (und Songwriter) hochkomplexe Arrangements mit einer beispiellosen Eingängigkeit, als wäre das eine unumstößliche Selbstverständlichkeit dieser Stilgattung.

Dezent aufgetragene Neuerungen bzw. Intensivierungen gibt es auf "Diluvium" aber trotzdem und die machen bereits im Opener "Clandestine Stars" auf sich aufmerksam: ganz im Stile von Paul Masvidal bzw. CYNIC - man darf es wohl als Hommage verstehen - wurden in wohldosiertem Maße Vocoder-Passagen, die auf dem Antezessor eher zaghaft vorgestellt wurden, implementiert, die OBSCURA, genau wie die sich häufenden, mit virtuosen Soli belebten Ruhephasen ("Ekpyrosis" und "The Conjuration" z.B.) übrigens, zu einer weiteren Dimension, in der man nicht nur an den technischen Death Metal gebunden ist, sondern auch etwas progressiver agieren kann, verhelfen. Ebenfalls interessant ist, dass Steffen Kummerer am Mikrofon gefühlt häufiger seine THULCANDRA-Klangfarbe einsetzt, was dem gesanglichen Spektrum definitiv nicht schadet. Apropos DISSECTION-Exkursion: auch das akustische Intro eines "Mortification Of The Vulgar Sun" könnte durchaus vom Zweitprojekt bzw. Jon Nödtveidt höchstselbst abstammen.

Was sagt das letztlich über "Diluvium" aus? Dass es wieder eine Vielzahl hochkarätiger Ideen zu entdecken gibt, die den Wunsch nach größeren stilistischen Fortschritten ad absurdum führen. Das mag einen beim Erstdurchgang noch überfordern oder gar erschlagen, aber spätestens mit dem zweiten öffnet sich eine gewaltige Welt, in der es Platz für jazzig-grooviges, fast schon hypnotisches Schlagzeugspiel ("Ethereal Skies"), ausgiebige, fantastisch produzierte Fretless-Bass-Schnörkel ("Emergent Evolution", "The Seventh Aeon" und "Convergence") und subtile Harmonien, die im gesamten Verlauf erkennbar werden. Ein richtiger Longtrack hingegen ist dieses Mal nicht entstanden, in puncto Gesamtspieldauer nehmen sich "Diluvium" und "Akróasis" aber nicht viel, so dass man trotzdem viel Zeit investieren sollte, um wirklich alle Details (be-)greifen zu können. Vereinfacht wird einem die Suche durch die oben schon positiv angeteaserte Produktion von V. Santura (TRIPTYKON, DARK FORTRESS), die quasi den heiligen Grahl der organischen Soundgerüste darstellt.

Um es kurz zu machen: "Diluvium" ist für mich auf einem Level mit "Akróasis". Progressiver Tech Death, der sich auf schwindelerregend hohem spielerischen Niveau befindet und sich trotzdem verhältnismäßig zugänglich gibt - und damit auch dem Publikum gefallen dürfte, das diesen Stil ansonsten eher als zu anstrengend einstuft. Im Selbstzweck untergehende Kompositionen wird man bei OBSCURA in diesem Leben wohl nicht mehr hören und genau das ist eines ihrer größten Alleinstellungsmerkmale. Das Quartett besteht aus vier hervorragenden Solisten und formt daraus eine harmonische Einheit, die im Zweifelsfall immer den Song in den Vordergrund stellt und diesem alles unterordnet. Dass man vielen anderen Interpreten dieser Subkultur trotzdem auch technisch noch einiges voraus hat, ist nur einer von vielen Beweisen dafür, dass hier großartige Künstler am Werk sind. Eigentlich unglaublich, dass es vereinzelt immer noch Personen geben soll, die ernsthaft auf ein neues NECROPHAGIST Album warten und OBSCURA dabei komplett vernachlässigen.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (25.07.2018)

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