ATROCITY - Okkult II

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VÖ: 06.07.2018
Bandinfo: ATROCITY
Genre: Death Metal
Label: Massacre Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ - nicht nur über den Werbeanzeigen diverser Szenelektüren prangt dieses Zitat, nein, es leitet auch den Opener ("Masters Of Darkness") des neuen ATROCITY Albums "Okkult II" ein, das sich, man mag es anhand der Songtitel, Texte und musikalischen Ausrichtung kaum für möglich halten, vornehmlich dem Thema Krieg widmet. Das mag bei dem ein oder anderen Hörer jüngeren Alters durchaus Eindruck schinden (bei ENDSTILLE hat sich das Merch mit ebendieser Textstelle als Aufdruck ja auch gut verkauft...), weil sich darin natürlich - man verzeihe mir den Sarkasmus - das wahrhaftig Böse spiegelt, aber, und das soll jetzt wirklich nicht affektiert klingen, für das etwas reifere Klientel stellen sich zwei Fragen: ist dieser zweite Teil ein musikalischer Anti-Kriegsfilm mit einer besonders subtilen, mir sich nicht erschließen wollenden Botschaft, oder hat man hier flapsigerweise tatsächlich ein Zitat aus Paul Celans Gedicht "Todesfuge", dass sich klar gegen Krieg richtet, zweckentfremdet, um möglichst bösartig zu wirken oder gar Aufmerksamkeit zu generieren? Man weiß es nicht.

Eigentlich wollte ich mich nach den ständigen Achterbahnfahrten (manch einer mag das Experimentierfreudigkeit nennen) in der nun schon 33-jährigen Geschichte von ATROCITY überhaupt nicht mehr mit Ludwigsburgern beschäftigen, aber die mehrheitlich positive Resonanz einiger Kollegen geknüpft an ihr Versprechen, man habe sich stilistisch Richtung "Hallucinations"/"Todessehnsucht" orientiert und luge lediglich bei der Produktion Richtung Moderne, konnte mich bekehren - ignorieren wir also den oben aufgedeckten Logikfehler und geben "Okkult II" eine Chance. Was man vorab aber noch anmerken sollte: vier der elf Songs sind bereits von der 2017 erschienenen "Masters Of Darkness"-EP bekannt. Darunter befinden sich "Menschenschlachthaus", "Devil's Covenant" und "Gates To Oblivion" (ob die Gastbeiträge von Marc Grewe und L.G. Petrov nur albumexklusiv zu hören sind, kann ich nicht beurteilen) und der Titeltrack, der auf dem Album als Opener fungiert.

Jener Einstieg und auch die vorab ausgekoppelte Single "Bloodshed And Triumph" sind mit ihrer symphonisch-todesmetallischen SEPTICFLESH-Adaption (die Bindung beider Elemente gelingt ihnen längst nicht so gut wie den Mannen von Seth Siro Anton) aber nicht unbedingt sinnbildlich für den Rest des Albums und könnten, wenngleich auch hier bereits letal gerifft wird, auf die falsche Fährte locken. Zwar türmen sich auch im weiteren Verlauf immer wieder mal vereinzelte Chöre (z.B. in "Gates To Oblivion" oder dem Intro von "Infernal Sabbath") auf, aber zu mindestens 90% steht auf "Okkult II" die klassische Metal-Instrumentation klar im Vordergrund. Und genau in diesen Momenten gefallen mir ATROCITY 2018 am besten. In "Spell Of Blood", "All Men Must Die" (die eingestreuten Melodien erinnern ein wenig an NILE) und "The Golden Dawn" sowie den EP-Tracks werden eingängige Riffwände zwischen alter Schule und sattem Groove aufgebaut, die ich persönlich nicht erwartet hätte. Mit den orchestral angereicherten Stücken ergänzen sie sich überwiegend sehr gut, ein Manko bleibt aber die Produktion, die irgendwie nicht für diese Art von Musik gemacht zu sein scheint, weil die Gitarren zu flach und das Schlagzeug oftmals zu mechanisch klingen.

Trotz dessen ist "Okkult II" ein vornehmlich gutklassiges Album, das ab und an sicherlich mal wieder im CD-Player rotieren und dann mit elf kurzweiligen Songs unterhalten wird, die glücklicherweise nicht allzu symphonisch ausgefallen sind und sich näher an der Früh- als an der Spätphase der Band orientieren. Ein gewisser Kompromiss schwebt aber immer noch über dem Schaffen von ATROCITY und ich glaube, dass man, wenn man diesen endgültig ablegen könnte und das auch wollen würde, nochmal vollständig zur alten Form zurückfinden würde. Das obliegt aber gänzlich dem Ermessen von Alexander Krull und seinen Kollegen, weswegen für mich lediglich festzuhalten gilt, dass sie mit "Okkult II" einerseits weit von der Bedeutungslosigkeit entfernt sind, andererseits aber auch ein wenig Potenzial verschenken. 



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (04.07.2018)

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