AT THE GATES - To Drink From The Night Itself

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VÖ: 18.05.2018
Bandinfo: AT THE GATES
Genre: Melodic Death Metal
Label: Century Media Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Zwischen der Re-Union 2007 und dem Release von "At War With Reality", dem ersten Album nach 19 Jahren, war es ein weiter Weg für AT THE GATES. Was ursprünglich nur für ein paar exklusive Shows gedacht war, weil eigentlich alle Mitglieder (nicht nur) zu diesem Zeitpunkt mit zahlreichen anderen Projekten zugange waren, mündete trotz durchweg positiver Fanreaktionen nur in arg überschaubarem Tempo (erst 2012 meinte Tompa Lindberg, dass man nichts ausschließen solle) zu dem, was wir im Jahre 2018 schon wieder als selbstverständlich erachten: ein AT THE GATES in bestechender Verfassung, als hätte man den Bandbetrieb nie stillgelegt. Wären Comebacks immer von derartigem Erfolg gekrönt, müsste man solche Rückschauen wohl gar nicht so demonstrativ ausbreiten, aber die Schweden gehören tatsächlich zur eher seltenen Spezies derer, die ihre Wiederauferstehung besonders ernst nahmen und sich nicht nur auf einigen Exklusivshows ausruhten, um sich noch den ein oder anderen Groschen dazuzuverdienen. Bestätigt wird jene These dieser Tage vom neu erscheinenden Sechstwerk "To Drink From The Night Itself", mit dem AT THE GATES ihrer Rückkehr den finalen Schliff verleihen wollen.

Vier Jahre hat man sich für möglichst stressfreies Songwriting zwischen größeren Tourneen, einigen Festivaleinsätzen und Pflichten bei Nebenunternehmungen à la THE LURKING FEAR, DISFEAR oder auch THE HAUNTED genommen und es scheint so, als sprudle der kreative Quell der fünf Herren immer noch unaufhörlich; wobei zumindest in Anders Björler zuletzt wohl der spezielle Funke, die Leidenschaft fehlte und er sich schließlich durch Jonas Stålhammar ersetzen liess, der die restliche Band und ihre stilistischen Rahmenbedingungen aber bestens kennt und selbst auch kein unbeschriebenes Blatt ist. Und wie man diesem Satz bereits ansatzweise entnehmen kann, bedeutet das auch, dass man als Hörer keine Einschnitte befürchten muss. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass "To Drink From The Night Itself" noch einen Tick melodischer und atmosphärischer, manchmal aber auch etwas verwinkelter als sein Vorgänger komponiert (und leider auch etwas matschiger produziert) wurde, durch diese leicht erhöhte Feinsinnigkeit aber auch etwas mehr Anlaufzeit benötigt.

Das mag sich im eröffnenden Titelstück und dem anschließenden "A Stare Bound In Stone", die beide umgehend als urtypische AT THE GATES Songs in der Machart eines "Slaughter Of The Soul" auftreten, noch nicht so offensichtlich ereignen, doch schon in "Palace Of Lepers" oder auch dem später folgenden "In Nameless Sleep" kann man Nuancen aus klassischem Black- und Death Metal verorten, die der Grundstimmung eine gewisse Tiefe geben. Im Verbund mit den verzweifelt-düsteren Elementen aus der "The Red in the Sky Is Ours"-Ära ("Daggers Of Black Haze" und "Mirrors Of Black" beispielsweise) und hauchdünnen Crustpunk-Zwischentönen ("The Chasm") sorgt das dafür, dass man längst nicht mehr von dem linearem Melodic Death Metal sprechen kann, den man nur noch vereinzelt in dieser Form ("Seas Of Starvation") präsentiert bekommt, sondern eine eher fortschrittlichere, künstlerisch anspruchsvollere Variante davon. Das ist deshalb erwähnenswert, weil AT THE GATES gerade heutzutage auch einfach ihre zehn bis zwölf Selbstzitate runterbeten könnten und man es aus Mangel an echten Alternativen trotzdem belobigen würde, genau diesen Fehler aber nicht begehen.

Und mit diesem Gedanken schließt sich der Kreis, den ich oben geöffnet habe: Das Wichtigste an "To Drink From The Night Itself" ist, dass in allen Mitgliedern von AT THE GATES das Feuer lodert und man das auch eindeutig hört. Genau das Feuer bzw. auch der feste Glaube daran, dass man seinen eigenen Blaupausen Paroli bieten und der Metalszene noch einige höchst relevante Werke mitgeben kann, die man sich nicht einfach nur zur Vollendung der eigenen Kollektion oder zur Befriedigung des Sammelwahns zulegt, sondern gemeinsam mit den Klassikern in einer Playlist auf Dauerrotation einstellen und in ungefähr zehn Jahren wie selbstverständlich in einem Atemzug mit eben jenen Klassikern im Lehrbuch für diese Subkultur nennen wird. In anderen Worten: "To Drink From The Night Itself" ist ein fabelhaftes Album, das mit jedem Durchgang an Größe sowie Intensität gewinnt und dem Nimbus einer Band wie AT THE GATES mehr als nur würdig ist.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (17.05.2018)

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