PRYAPISME - Epic Loon OST

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VÖ: 13.04.2018
Bandinfo: PRYAPISME
Genre: Avantgarde
Label: Apathia Records
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Lineup  |  Trackliste

Nachdem sich ARCH ECHO schon das Recht auf das neue Musikgenre „Nerd-Musik“ gesichert haben, bleibt für PRYAPISME wohl nur das Genre „Musik für Nerds mit ADHS“ über (man checke mal den Webauftritt der Jungs, aber Achtung: nichts für Epileptiker).
Was unsere Lieblings-Verrückten aus Frankreich auf „Epic Loon OST“ auftischen, ist nämlich nichts für Leute mit normaler Aufmerksamkeitsspanne (und passt somit perfekt in diese schnelllebige Zeit der Clickbaits und Shitstorms).

Kein Riff, keine Melodie wird öfter als einmal oder länger als ein paar Sekunden gespielt, ständig springen PRYAPISME zwischen Instrumenten und Genres herum, der sensorische Overload durch zu viel an allem ist hier eine reale Gefahr.
Und trotzdem: mon Dieu, es macht einfach (wieder einmal) verdammt viel Spaß, diesen Les Craziés ("Les foux" könnte man auch zu ihnen sagen, Anm. d. Red.) zuzuhören.

In einem normalen Review würde man hier vielleicht die Songs durchgehen und erzählen, welcher Song warum auffällt und welchem Genre die Platte zuzuordnen ist, aber das würde bei „Epic Loon OST“ wohl mehrere Seiten füllen; eine (unvollständige) Annäherung würde etwa Metal, Computermusik, Electro, Klassik, Jazz, Ska, Country und Salsa beinhalten, aber damit ist die Vielschichtigkeit der Platte gerade mal angerissen. In konsequenter Weiterentwicklung zum letztjährigen „Diabolicus Felinae Pandemonium“ haben die Franzosen so ziemlich alles in 29 (!) Songs verwurstet, was ihnen in die Finger gekommen ist.

Daraus entstehen dann sagenhaft lässige Tracks wie der Opener „Epic Loon Theme“ (startet mit einem schrägen Pianolauf, der in noch schrägere Synths mündet, dann über Computer-Sounds die Kurve Richtung Death / Black Metal macht und mit einem Banjo ausklingt), das krachende „An S.O.S from LV426 takes 6M years to reach Belgium“, das experimentelle „Acheron, the Calpamos moon, is also the name of our cat“ (abgedrehte Elektro-Sounds mit flirrenden Sample-Wänden, aber auch einem unwiderstehlichen Groove) oder „Did prehistoric giraffes wear long ties?“ (das in unnachahmlicher Weise Salsa, Ska und Metal vermischt). Aber Spaßmusik ist das nicht immer: „In space, no one can hear you make yourself a sandwich” lebt von den düsteren Synths, „Epic Boss Theme“ klingt wie eine Kreuzung aus DIMMU BORGIR und DEVIN TOWNSEND, und „A quantum mirror may generate self-petrified gorgons“ freut auch den schwärzesten Symphonic Black Metaller.

Vergleichsweise kürzer kommen die Freunde der Gitarrenmusik, erst beim elften Track „The best vacuum cleaners were produced during the Cenozoic era“ kommt so etwas wie ein Rock-Riff vor, das das Song-Fundament bildet.
Dass nicht jeder der 29 Tracks in dieser verrückten Melange zünden kann, ist auch klar, ab und zu wird es sogar den avantgardesten unter den Zuhörern zu viel (wenn etwa bei „For the smile of a child with a dolphin t-shirt“ Tiergeräusche mit einer nach einer falsch gespielten Nationalhymne klingenden Melodie kombiniert wird, oder wenn „Evil nutshells with hay fever vs all people named Renee“ osteuropäische Volksmusik mit Jazz und Salsa vermischt) - das ist dann doch too much des Guten.

In voller Länge „Epic Loon OST“ auf einmal genießen zu können, werden wohl die wenigsten schaffen; es wird empfohlen, ab und zu Pausen zu machen, um sich in Ruhe die Songtitel, die allein schon Kunstwerke sind, zu Gemüte zu führen.
Da wirkt der Albumtitel vergleichsweise fast schon zu simpel, ist aber wunderbar passend, wenn man herausfindet, dass „Epic Loon“ übersetzt „gewaltiger Irrer“ bedeutet. Haben die Franzosen da an sich selbst gedacht? Oder an ihre Hörer? Ein bisschen Verrücktheit ist nämlich wohl Voraussetzung, um „Epic Loon OST“ gut finden zu können. Aber dann, Sacrebleu!, kommt man auf seine Kosten.

 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Luka (10.05.2018)

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