ABIGOR - Höllenzwang (Chronicles Of Perdition)

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VÖ: 29.01.2018
Bandinfo: ABIGOR
Genre: Black Metal
Label: Avantgarde Music
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Lineup  |  Trackliste

Parliert man von der zweiten Welle des Black Metal, denkt man gerne an die allseits bekannten Helden/Vollkoffer/Hobbynordmenschen von eh schon wissen. Weniger bekannt im ausgeweiteten Untergrund sind die Wiener von ABIGOR. Obacht, bevor jetzt der einschlägige Nerdtroll daherkommt und mich elitären Elfenbeinturmjournalisten beschimpft, natürlich kennt jeder im Black Metal-Genre die Band und ihren mittlerweile zehn Alben, ein paar Splits, Compilations, Singles und Demos umfassenden Backkatalog. Aber es gibt auch Menschen, die ihre Musik nicht in flirrender Bodennähe suchen und möglicherweise ABIGOR mit dem aktuellen Album "Höllenzwang (Chronicles Of Perdition)" das erste Mal für sich entdecken dürfen.

Und das Album hat es mächtig in sich. ABIGOR, salopp formuliert, scheißen sich genau nichts und holzen einen Hybrid aus übersteuerten Gitarren, mächtigen Riffs, knackigen Melodien und schon fast französisch anmutenden Dissonanzen hervor.

"Höllenzwang (Chronicles of Perdition", soviel sei gesagt, tut weh. Der übersteuerte Sound malträtiert den Neocortex und sorgte beim ersten Durchgang für massive Verzweiflung, Verwirrung und Konsternation bei mir. Auch nach 25 Jahren sind die beiden Hauptprotagonisten höchstgradig kreativ und töten bei erstem Sichtkontakt. Für eine Black Metal-Scheibe ist der Sound der Rhythmusgruppe extrem druckvoll und bietet so etwas wie einen auralen Handlauf, welcher den perplexen Hörer durch die verwüstete Soundlandschaft führt. Völlig eigenständig. Mir ist bisher kein Schwarzmetallalbum untergekommen, welches gleichzeitig abgrundtief gemein und dreckig, aber auch klar und hörbar produziert ist. Diesen Spagat schaffen P.K. und T.T. mit Leichtigkeit und allein dafür gebührt ihnen ein Hell of Fame Platz im Genre.

 

 

 

Die vollständige aurale Zerstörung ist mit etwa 36 Minuten knapp, aber angemessen angelegt und spielt sich zwischen Dissonanzen, Schmerzen und dem ein oder anderen, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks, "groovigen" Interludium wie bei "Black Death Sathanas (Our Lord´s Arrival)" ab. Groovig ist hier aber nicht "In The Shadow Of The Horns"-Easy Listening, sondern höchstens ein Fundament, auf dem die beiden sich mit spitzen Obertönen und taktfreien Rifflandschaften austoben. Dazu leidet, keucht, stöhnt, röchelt und parliert Gastsänger Silenius giftig-gallige Satansanbetungen. Das Album wurde laut Band ohne Overdubs aufgenommen, was man hört ist das, was mit zwei Gitarren, einem Bass und blastbeat-freien Drums ohne zusätzliche Spuren eingespielt wurde. Damit will man den Anfängen der zweiten BM-Welle gedenken, wobei "Höllenzwang (Chronicles Of Perdition)" natürlich deutlich mehr ist als das Geschrammel des Postboten oder das Geschrei des Youtube-Mörders.

ABIGOR haben mit ihrem neuen Album einen Brocken an satanischer Musik herausgekotzt, der zwar modern-dissonant produziert klingt, aber gleichzeitig den weichgespülten "damals war alles besser"-Briefträgern und Haargel-Schwarzteekochern zeigt, wie die Musik, die diese Herrschaften einst erzeugt haben, heute klingen kann. Hart, verwaschen-übersteuert, erratisch, völlig krank, musikalisch interessant und soweit neben dem, was seit 20 Jahren als harte Musik verkauft wird (abgesehen vielleicht von den französischen Wahnsinnigen), wie es nur geht. Dabei aber auch noch eine musikalische Herausforderung, hört euch die Schlagzeugarbeit an und ihr wisst, was ich meine.

ABIGOR haben sich wieder einmal neu erfunden, sind wieder einmal interessant und natürlich wieder einmal extrem anstrengend. Man weiß bei den beiden eher selten, was man von neuen Songs, von einem neuen Album erwarten soll. Sie machen, was sie wollen, wie sie es wollen. "Höllenzwang (Chronicles Of Perdition)" ist ein wirklich arges Album geworden. Arg im urösterreichischen Sinn. Brachialer, auraler Satanismus.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Christian Wiederwald (22.02.2018)

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