VARIOUS ARTISTS - DAYAL PATTERSON - BLACK METAL: EVOLUTION OF THE CULT & THE CULT NEVER DIES VOL. 1

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VÖ: 07.07.2017
Genre: Black Metal
Label: Index Verlag

"Black Metal: Evolution Of The Cult - Die Mythen, die Musik und ihre Macher"

Der britische Journalist Dayal Patterson setzt mit dem hier vorgestellten, in jahrelanger Arbeit (2009-2013) gestalteten Werk einen neuen Standard in puncto Black Metal-Historie. Nun ist das Mammutwerk, das erste Buch des Autors samt Kompendium auch in deutscher Sprache verfügbar. Im Gegensatz zum eher reißerischen und focussierten "Lords Of Chaos", Fotobänden („True Norwegian Black Metal“), der kultigen Magazinsammlung („Metalion – The Slayer Mag Diaries“), dem lexikonhaften "A-Z of Black Metal“ (Garry Sharpe-Young) oder literarischen Nebengeräuschen wie etwa „Unheilige Allianzen“ geht "Black Metal: Evolution Of The Cult - Die Mythen, die Musik und ihre Macher" informativ und zudem unterhaltsam, gut lesbar, objektiv, umfassender (weil weniger nur auf Norwegen fokussiert) und gesamthafter auf die Entwicklung der Musikrichtung, ihre Hochzeit, die Bands, Persönlichkeiten und Ikonen sowie Meilensteine und Geschehnisse ein. Der grundsätzliche Aufbau folgt dabei nur bedingt der zeitlichen Abfolge im Ganzen. Vielmehr verfolgt Patterson (abgesehen vom ersten Teil des Buchs, in dem die Beeinflussungskette von den Siebzigern bis ins Skandinavien der Achtziger dargestellt wird) den Ansatz, die Historie der wichtigsten Bands darzustellen, sodass die Kapitel die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der prominent besetzten ersten Liga der grimmigen Gesellen dokumentieren.

Wie erwähnt auf ursprungsorientierten musikhistorischen Abschnitten fußend, welche sich mit BLACK SABBATH & Co. befassen und eine Abhandlung über die erste Black/Thrash-Welle (SLAYER, SARCOFAGO; SODOM & andere Teutonenthrasher) beinhalten, wird der Focus abseits der Artikel über die Gründercombos jener grauen Urzeit des Genres in den Achtzigern (u.a. VENOM, BATHORY, HELLHAMMER/CELTIC FROST, MERCYFUL FATE) neben der geballten Norwegen-Estliga-Armada (BURZUM, DARKTHRONE, EMPEROR etc.) und deren geografische Nachbarn (MARDUK oder DISSECTION) auch auf die Schweiz (SAMAEL), Griechenland (ROTTING CHRIST), Kanada (BLASPHEMY), Tschechien (MASTER´S HAMMER), Ungarn (TORMENTOR mit Attila Csihar), die USA (VON), Finnland (BEHERIT) oder Japan (SIGH) gerichtet, sodaß sich beim Lesen des auf einer Vielzahl von Interviews basiernden Werks ein Gesamtbild von der Genreentwicklung zusammenpuzzelt.

Ein Großteil des Buches befasst sich naturgemäß mit dem schwarzen Treiben in Skandinavien Anfang der Neunziger des vorigen Jahrhunderts, das dem Death Metal entsprang und sich recht bald emanzipierte. Breiter Raum wird dabei vor allem MAYHEM eingeräumt, deren morbides wie einflußreiches Wirken ja bereits ab Mitte der Achtziger begann und als ersten Haßbatzen 1987 den schwarzen Meilenstein „Deathcrush“ gebar. Die abartigen Vorkommnisse und Verbrechen rund um die politisch und moralisch fragwürdigen Protagonisten und Provokateure im Norwegen jener dunklen Tage werden in einem eigenen Kapitel behandelt und zudem auch dem teils (politisch) wirren Treiben in Polen breiterer Raum eingeräumt, der „Underground-Ethos“ des Black Metal erörtert sowie über die französischen „Black Legions“ (mitsamt etwa den respektierten MÜTIILATION) berichtet. Ergänzt um den Werdegang von Zweitligisten (TRELLDOM, GEHENNA), die „Kinder“ WATAIN, die kommerzielle Seite (DIMMU BORGIR/CRADLE OF FILTH) sowie artverwandte Genres (Folk/Viking/Industrial/Post/Suicidal BM) samt deren wichtigsten Exponenten sowie einen lässigen, leider viel zu kurzen Fototeil (mit teils zuvor unveröffentlichten Pics), schließen sich mit zunehmender Lesedauer die Kreise und man kann eine sehr fundierte, mit Originalzitaten aufgefettete Historie mit internationalem Überblick, konzeptionellem Weitblick und objektiver Berichterstattung genießen, ohne den Blick allein auf die norwegischen Szene der zweiten Black Metal-Welle richten zu müssen.

Die Konzentration auf die wesentlichsten Protagonisten der Musikrichtung ist nachvollziehbar und macht im Sinne der stringenten Erzählweise und des erfassbaren Gesamtzusammenhangs absolut Sinn. Perfektion (auch in puncto Bandauswahl) ist ohnehin nicht erreichbar und würde das Werk heillos verkomplizieren und ausufern lassen (und somit vielleicht auch abwerten). Einige neue Facetten und Anekdoten sind zu erfahren, bahnbrechende neue Erkenntnisse finden sich für den Szeneinteressierten allerdings nicht, dafür besticht Patterson im 683 Seiten umfassenden Werk mit einer perfekten Mischung aus fundiertem Wissen, breiter Recherchetätigkeit, flüssigem Berichts- und Erzählstil und guter Themen-/Bandauswahl, an die in ihrer Ausgewogenheit wohl so schnell kein Nachschlagewerk herankommen wird.
 

„Black Metal: The Cult Never Dies Vol. 1 - Archaische Hoheit und ungestüme Brutalität“

Das neue Standardwerk in Sachen Black Metal machte dem Leser den Mund wässrig. Die Lust auf mehr kann jedoch umgehend vom Autor selbst befriedigt werden. Während "Evolution Of The Cult“ die Basis für die Geschichte des Black Metal legte, besteht „Black Metal: The Cult Never Dies Vol. 1 - Archaische Hoheit und ungestüme Brutalität“ in der ersten Hälfte („Prelude To The Cult“) aus exklusiven Einzelinterviews mit Schwarzheimern und Krawall-Spießgesellen wie MAYHEM, MARDUK, TAAKE, BEHERIT, ARCHGOAT, IMPALED NAZARENE oder GORGOROTH, welche der spätere Metal Hammer UK-Autor etwa für sein damaliges Fanzine „Crypt“ geführt hat. Gleichsam als Vertiefungsarbeit und Ergänzung kann dieses Kompendium betrachtet werden, in dem sich auch wieder zahlreiche kultige Talks finden.

Der zweite Abschnitt befaßt sich in gewohnt sachkundiger Weise mit der Black Metal-Materie. Endlich kommen im Rahmen des „Norwegen“-Teils des Buchs auch die wichtigen SATYRICON sowie KAMPFAR mit ihrer ureigensten Geschichte zu ihrer ausreichenden Würdigung. Interessant die Abhandlung über die artverwandten WARDRUNA, wichtig auch das Kapitel über den zumindest im Zusammenhang mit BURZUM einflussreichen norwegischen Künstler Theodor Kittelsen, der die Wirkung der ohnehin frostigen Akustikwerke von Kristian „Varg“ Vikernes noch einmal mit der Strahlkraft seiner simpel-düsteren Bildwerke verstärkte.

Ein weiteres Spotlight wird auf Polen gerichtet, hier wird die zweite Reihe der Schwarzwurzler a la XANTOTOL oder MASTIPHAL beleuchtet, wobei hier der Bogen bis zu den aktuell angesagten MGLA gespannt wird sowie der DSBM (für den etwa BETHLEHEM oder SILENCER synonym stehen) eingehender behandelt wird. „Black Metal: The Cult Never Dies Vol. 1“ bedeutet 382 weitere Seiten Fachliteratur (für die in puncto Schreibstil, Recherche und Qualtität das oben Gesagte gilt), die den Leser noch tiefer in die Materie führt und gleichzeitig klarmacht, wie weit und vielfältig das Genre gefasst werden kann bzw. muss. Als „Vol. 1“ betitelt, darf man wohl nicht zu Unrecht von weiteren Ausgaben von „The Cult Never Dies“ ausgehen, genügend Untergenres und qualitativ hochwertige Combos gäbe es schließlich. Von „Freude“ (im eigentlichen Sinne) auf weitere Machwerke darf man im Zusammenhang mit dem Black Metal aber dennoch wohl nicht sprechen, im Sinne der klirrenden Trve- und düsteren Grimness nimmt man sie maximal wohlwollend zur Kenntnis!



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Thomas Patsch (15.08.2017)

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