MASTERPLAN - PUMPKINGS

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VÖ: 28.07.2017
Bandinfo: MASTERPLAN
Genre: Melodic Metal
Label: AFM Records
Lineup  |  Trackliste

MASTERPLAN-Fans hatten es noch nie leicht. Nach dem fulminanten Karrierestart mit zwei hammerstarken Alben ("Masterplan" und "Aeronautics") und korrespondierenden Touren wurde es parallel mit Jorn Landes Weggang plötzlich still um Roland Grapows erstes Bandprojekt nach seiner HELLOWEEN-Zeit. 2007 dann der Neuanfang mit "MK II" und Sänger Mike DiMeo, allerdings weitaus weniger durchschlagskräftig als noch zu Beginn. Wieder wurde es lange still, bevor man Lande zurück ins Boot holte, aber gleichzeitig mit "Time To Be King" das bislang schwächste Album der Bandhistorie veröffentlichte und die geplante Tour kurzer Hand abgesagt wurde. Wieder folgten Jahre der Ungewissheit, bis man mit Rick Altzi einen Frontmann fand, der Lande stimmlich und charismatisch das Wasser reichen konnte. "Novum Initium", sozusagen "MK III", schlug ein wie die ersten Alben, und endlich wurde wieder ausgiebig getourt. Aber erneut konnte man das Momentum nicht aufrecht erhalten, seit dem letzten Album sind nunmehr vier Jahre ins Land gezogen, auch die Gigs wurden wieder seltener. Zeit für Grapow, ein bisschen Fanarbeit zu leisten. Und anstatt neben seinem vermutlich knüppelvollen Stundenplan als Produzent noch neue Songs zu komponieren, entschloss man sich, einen langjährigen Fanwunsch wahr werden zu lassen und alte HELLOWEEN-Stücke ins MASTERPLANsche Portfolio aufzunehmen. Nun steht mit "PumpKings" eine Compilation mit neu aufgenommenen HELLOWEEN-Stücken in den Regalen und leider schleicht sich schon früh die Befürchtung ein, ob das ganze nicht ein wenig zu ausufernd geraten ist.

"PumpKings" klingt in Stücken sehr ambitioniert. In einer Zeit, in der HELLOWEEN künstlerisch und kommerziell weniger Erfolg hatten als zu Karrierebeginn sind dennoch teilweise gute bis sehr gute Kompositionen entstanden. Teilweise waren es damals Nuancen im Arrangement, welche über Erfolg und Misserfolg entschieden haben, auch wenn die Stücke qualitativ echtes Potential besaßen und immer noch besitzen. Diese Fehler zu beheben, diese Stücke erneut zu präsentieren und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, das ist der Ansatz von "PumpKings". Und hätte man sich nur einer handvoll Songs so liebevoll gewidmet wie den "Pink Bubbles Go Ape"-Stücken, so hätten MASTERPLAN ein großes Ausrufezeichen setzen können. Die Neuauflagen von "The Chance", "Someone's Crying" und "Mankind" sind einfach sensationell. Allen drei Songs wurde ein moderneres Klanggerüst verpasst, außerdem hat man sie Arrangement-technisch aufgemotzt. Soll heißen, man hat drei Hard Rock-Nummern in absolut fantastische Power Metal-Stücke verwandelt und sie um die Band-eigenen, keyboardlastigen Trademarks ersetzt (Ja, Mackenroth ist auch heute noch eine der besten Keyboarder auf dem Markt!). Nähme man jetzt noch die ebenfalls geglückten "Chameleon"-Neuauflagen "Music" und "Step Out Of Hell" dazu, man hätte eine perfekte EP erschaffen. Gut, "Escalation 666" darf auch noch dazu, der Song klang eh schon immer mehr nach MASTERPLAN als nach HELLOWEEN und war bereits zu "Dark Ride"-Zeiten eher Preview für Grapows Zukunft, als dass er ein Kürbiskopf-Klassiker werden würde.

So wie MASTERPLAN mit obigen Stücken ein Händchen für geschickte Songauswahl und Aufbereitung beweisen, so überflüssig ist leider die restliche Hälfte von "PumpKings". Erst mal haben die Songs der frühen Deris-Ära bis "Dark Ride" kein Makeover nötig. Ab "Master Of The Rings" konnten sich HELLOWEEN musikalisch rehabilitieren, fanden zurück auf den "Metal Highway", und die Songs genießen selbst bei Kiske-Puristen ein gutes Ansehen. Worin also der Sinn eines neu eingespielten "Time Of The Oath", "Mr. Ego", "Still We Go" oder "Take Me Home"? Der erschließt sich einfach nicht wirklich, zumal auch nur ganz wenige, marginale Arrangementänderungen vorgenommen wurden. Die Songs repräsentieren nicht den MASTERPLAN-Sound (anders als angesprochenes "Escalation 666" oder mit Abstrichen auch "The Dark Ride"), sondern spiegeln auch in der Neuaufnahme eine klanglich in sich geschlossene Phase der HELLOWEEN-Historie wider - mit der Abwandlung, dass Altzi singt, und nicht Deris. Aber so wie es immer Deris-Gegner geben wird, die ihre Kiske-Songs unangetastet lassen wollen, so muss man auch nun fairerweise attestieren, dass Deris die Songs aus seiner Phase selbst am besten singt. So perfekt Altzi alte wie neue MASTERPLAN-Stücke singt (wer war nochmal Lande?), so fehlbesetzt ist er an Deris Stelle.

Fazit: Fanservice, progressive Vergangenheitsbewältigung oder überflüssige Selbstreferenz? Ja, ja und ja! Für MASTERPLAN-Fans, welche sich nicht mit Grapows HELLOWEEN-Vergangenheit beschäftigt haben, fühlt sich "PumpKings" wie ein vollwertiges Studiowerk vollgepackt mit tollen Songs an. Für Kenner der Originale sind vor allem die "Pink Bubbles"- und "Chameleon"-Stücke von Interesse, deren Neuauflagen auch absolut geglückt sind, da sie echten Mehrwert bieten. Für die Songs der Deris-Phase gilt dies leider nicht. Unterm Strich hängt es also ganz allein vom Hörer ab, das Gesamtwerk für sich selbst zu beurteilen. Es ist allerdings zu hoffen, dass "PumpKings" lediglich als Interimswerk dient (ähnlich wie "Heavy Metal Jukebox" anno dazumal) und ein neues vollwertiges Album nicht lange auf sich warten lässt!



Ohne Bewertung
Autor: Christian Wilsberg (10.08.2017)

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